Landtagswahlen Sachsen und Thüringen "Mehr Konfetti" beim Klima – Was im Landtagswahlkampf alles versprochen wird
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14. August 2024, 18:18 Uhr
In Thüringen und Sachsen wird am 1. September gewählt. Nur sind nicht alle Klimathemen im Wahlkampf auch wirklich Ländersache. Warum also schmücken sich Landesparteien mit Bundesthemen, was hat Konfetti damit zu tun und was ist in Sachen Klima tatsächlich Ländersache? Nur so viel: Die vielleicht wichtigste Stellschraube kommt in keinem der Wahlprogramme vor.
Ob bei der Krankenhausreform oder dem Deutschlandticket. Wenn Bund und Länder aufeinandertreffen, wird oft gezankt wie im Kindergarten. Darum, wer bestimmen darf. Darum, dass man etwas haben möchte, was ein anderer hat. Oder darum, dass sich irgendjemand übergangen fühlt.
Allein die schiere Anzahl an Regelungen, Gesetzen und Beschlüssen macht es schon Juristen oft schwer, die Kompetenzen ganz klar zuzuweisen. Laien können dies erst Recht nicht bewerten. Für einen Landtagswahlkampf kann das aber auch von Vorteil sein. Denn bei Landtagswahlen lassen sich dadurch gerne auch mal Themen der Landespolitik mit der des Bundes, die dem Wähler oft präsenter sind, vermischen.
Mit zwei anstehenden Landtagswahlen – in Thüringen und Sachsen – wird es also höchste Zeit einen Blick darauf zu werfen, was die Länder in Sachen Klimapolitik eigentlich bewirken können und wo das ein oder andere Wahlprogramm die Grenzen des juristisch machbaren überschritten hat.
Ein Schritt zu viel: Wo die Länder Kompetenzen überschreiten
Als einfache Faustregel gilt: EU- und Bundesrecht stehen über dem Landesrecht. "Länder und Kommunen dürfen primär dort etwas regeln, wo die höheren Ebenen EU und Bund ihnen Spielräume gelassen haben", sagt Felix Ekardt – Jurist, Soziologe, Philosoph, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Vorsitzender des BUND-Landesverbandes Sachsen.
Den übergeordneten Gesetzen zuwiderhandeln dürfen die Länder dabei nicht. Klingt logisch, wird aber nicht unbedingt auch so kommuniziert. Die beiden Wahlprogramme der AfD etwa lesen sich in Sachen Klimaschutz wie eine Beispielliste ebensolcher Zuwiderhandlungen: Sachsen vor der EU-Klimapolitik schützen, den Ausbau von Windrädern verhindern oder aber Erdgas aus Russland importieren.
Übrigens auch die Frage nach einem Atommüllendlager, das die Thüringer Linke und die BSW aus Thüringen fernhalten wollen, liegt eigentlich im Zuständigkeitsbereich des Bundes. Der ist per Grundgesetz ausschließlich für die Beseitigung radioaktiver Stoffe zuständig. Die Länder könnten aber Zuarbeit liefern, um es unmöglich zu machen oder zu verzögern, etwa durch Gutachten, meint Jasper Finkeldey, Politikwissenschaftler an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Dass Parteien im Landtagswahlkampf Bundesthemen aufgreifen, sieht er in allen politischen Lagern. Auch in vermeintlich harmlosen Formulierungen: "Also zum Beispiel schreiben die Grünen in ihr sächsisches Wahlprogramm: Sachsen hilft beim Wiederaufbau der Ukraine." Auch das würde den Eindruck vermitteln, dass nur Sachsen allein einen großen Beitrag leisten könne. Eine bewusste Taktik für die Wähler: "In gewisser Weise möchte ich [als Wähler] da so ein bisschen Konfetti. Ich möchte auch, dass Wahlkampf irgendwie spannend ist und vielleicht auch über das hinausgeht, was er eigentlich tatsächlich ist." Wie also sieht es ohne Konfetti aus?
Klein, aber fein: Wo die Länder sich fürs Klima einsetzen können
Für Wahlplakate eignen sich die meisten Themen schon mal nicht: Statt "Windkraft stoppen" wäre eher die Formulierung "Abstandsregeln für Windräder (ungünstig) verändern" richtig. Oder statt "Klima retten" eher "mehr Regeln für energiesparende Heizungsanlagen schaffen". Klingt natürlich alles deutlich unattraktiver. In den Wahlprogrammen finden sich aber einige der Landesthemen dann doch. Freiflächen für die Photovoltaik wollen zum Beispiel bis auf die AfD alle großen Parteien in beiden Ländern schaffen. Auch Bauvorschriften zur Energieeinsparung finden sich als Versprechen bei einzelnen Wahlprogrammen wieder – etwa bei den Thüringer Grünen, der sächsischen FDP und SPD sowie dem Thüringer BSW (hier allerdings nur für kleine und mittelständische Unternehmen).
Die Kompetenz der Länder liegt bei den kleinen Stellschrauben, die das Gesamtkonstrukt halten und die die auf höchster Ebene getroffenen Entscheidungen auch umsetzbar machen. Etwa beim Aus fossiler Brennstoffe, erklärt Felix Ekardt: "Das erfordert, dass die Kommunen beispielsweise den Nahverkehr ausbauen. Das erfordert, dass die Kommunen sich mehr Gedanken machen über kurze Wege von Arbeiten und Wohnen, dass also die Bauleitplanung und Verkehrsplanung anders erfolgt. Und so etwas liegt juristisch auf der kommunalen Ebene und kann auch nur in Kenntnis aller Umstände vor Ort bewirkt werden."
Auch Jasper Finkeldey sieht den größten Vorteil der Länder in der Ortskenntnis und der Nähe zu den Menschen. Das sei gerade auch für das Gefühl der Menschen, mehr beteiligt zu sein, entscheidend. Gerade in Sachen Klima gebe es zunehmend eine Internationalisierung von Politik und damit vielleicht auch oft ein Gefühl der Ohnmacht. Ein Gefühl, das eigentlich auch nur ein Gefühl ist, denn die Länder haben durchaus großen Einfluss. Da sind sich Politikwissenschaftler und Jurist einig. Für Felix Ekardt ist sogar die wichtigste Maßnahme eine, die in keinem der Wahlprogramme vorkommt.
Haltung ist alles: Die verkannte Macht der Länder
Der Erfolg vieler Rechtsakte – also Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse – ist von der Haltung der Länder abhängig, so Felix Ekardt. Also, ob sie Gesetze mittragen oder verhindern wollen. In Deutschland hätte das einen direkten Einfluss, denn einige Gesetze müssten erst durch den Bundesrat abgesegnet werden, in dem die einzelnen Landesregierungen vertreten sind.
Und auch ohne direkte Vetomacht würden Länder gehört. Jasper Finkeldey nennt etwa den Kohleausstieg: "Das hat das Land natürlich nicht alleine zu entscheiden. Und wenn man jetzt den Ausstieg vom Ausstieg haben wollte, dann wäre es schwierig. Aber es hätte natürlich eine große Signalwirkung, wenn ein Land, was eben noch Kohle fördert, sich jetzt dagegenstellt." Gleiches gilt laut Felix Ekardt auf der EU-Ebene: "Je mehr Widerstand aus der Fläche, aus den Regionen kommt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die EU ausreichend ambitionierte Maßnahmen angreift." Oder umgedreht, wenn alle dabei sind, gibt es keinen Grund, es nicht zu tun.
Im Moment scheinen wir davon aber weit entfernt. Felix Ekardt spricht von einer oft gezeigten Blockadehaltung der Länder und auch Jasper Finkeldey bestätigt das Gefühl, dass man in der Öffentlichkeit bekommt: Länder und Bund laufen oft gegen- statt miteinander. Nicht zuletzt durch die Frage der Kompetenz.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 12. August 2024 | 14:15 Uhr