Übung: Erste-Hilfe bei einem Hitzschlag
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Klimawandel Anpassung und Hitzeprävention haben schon Zehntausende Menschenleben gerettet

23. August 2024, 12:49 Uhr

Mehr als 47.000 Menschen sind 2023 in Europa an Hitze gestorben, berechnet eine neue Studie. Aber eine identische Sommerhitze hätte demnach noch vor 20 Jahren zu 80 Prozent mehr Todesopfern geführt. Das sei ein Zeichen für die Anpassung des Menschen und den Erfolg von Hitzeschutzmaßnahmen.

Mann mit Brille und Kopfhörern vor einem Mikrofon
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2023 war das weltweit wärmste Jahr seit Beginn der Datenerfassung, in Europa war es das zweitwärmste. Mehr als 47.000 Menschen hat die Sommerhitze auf unserem Kontinent im vergangenen Jahr das Leben gekostet, berechnet (beziehungsweise schätzt) eine neue Studie unter Federführung des "Barcelona Institute for Global Health". Das Forscherteam um Elisa Gallo verwendete Temperaturdaten und die Sterbedaten des Europäischen Statistikamtes (Eurostat), um die Hitze-Übersterblichkeit in 35 europäischen Ländern zu schätzen.

Demnach war 2023 die Zahl der Hitzetoten etwas niedriger als im noch heißeren europäischen Sommer 2022. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung hatte Griechenland 2023 die mit Abstand meisten Hitzetoten, nämlich 393 je eine Million Einwohner. Danach folgen Bulgarien (229), Italien (209) und Spanien (175). In Deutschland lag die Rate laut Studie bei 76 Todesfällen je eine Million Einwohner.

Allen Ländern gemeinsam ist, dass deutlich mehr Frauen als Männer an den Folgen von Hitze starben (europaweit 58 Prozent Frauen, 42 Prozent Männer) und dass die Altersgruppe über 80 Jahre mit Abstand am stärksten betroffen ist.

Deutliche Unterschiede bei Zahlen für Deutschland zum RKI

In absoluten Zahlen schätzte die Studie für Deutschland 6.376 Hitzetote im Jahr 2023. Eine deutliche Abweichung von den Berechnungen des Robert Koch-Instituts, das für 2023 rund 3.200 Hitzetote ermittelt hat. Auch für 2022 unterschieden sich die Schätzungen des RKI und des Barcelona-Teams schon. Dazu hatte laut Deutscher Presseagentur ein RKI-Experte erläutert, dass das unter anderem mit unterschiedlichen Definitionen von "Hitze" zu tun habe.

Auch weist die Forschungsgruppe aus Spanien in ihrer Studie daraufhin, dass es Unsicherheiten bei den Schätzungen gibt. Hauptproblem sei die geringe zeitliche Dichte an verfügbaren Daten. So wären tägliche Statistiken für so eine Datenerhebung deutlich sinnvoller. Zugänglich seien für große Teile Europas aber nur wöchentliche Zahlen, was die exakte Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Temperatur und Todesfall erschwere. Jedoch habe das Team in einer früheren Studie schon gezeigt, dass wöchentliche Daten für eine gute Annäherung verwendet werden können.

Effektive Klimaanpassungsmaßnahmen führen zu weniger Sterblichkeit

Deshalb sollte man die ermittelten absoluten Zahlen auch nicht auf die Goldwaage legen, sondern als Schätzung betrachten. Die Studie liefert mit ihrem in sich konsistenten Design dennoch einen großen Mehrwert, nämlich den Vergleich mit zurückliegenden Jahren. Für 23 der 35 Länder waren Daten verfügbar, die bis ins Jahr 2000 zurückreichen. Seit 2003, einem Sommer mit etwa 70.000 Hitzetoten in Europa, seien vielerorts Anpassungsmaßnahmen ins Rollen gebracht worden, schreibt die Forschungsgruppe. Und deren Erfolge ließen sich in "Was-wäre-wenn"-Berechnungen belegen.

So ermittelte das Team, um wie viel höher die Hitzesterblichkeit von 2023 gewesen wäre, wenn noch die Umstände aus früheren Zeiträumen geherrscht hätten. Gegebenheiten aus den Jahren 2000 bis 2004 hätten demnach in Verbindung mit der Sommerhitze 2023 zu 80 Prozent mehr Toten geführt.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass es in diesem Jahrhundert gesellschaftliche Anpassungsprozesse an die hohen Temperaturen gegeben hat, die die hitzebedingte Anfälligkeit und die Sterblichkeitslast der letzten Sommer drastisch reduziert haben", sagt Erstautorin Elisa Gallo.

Dazu passe, dass sich die minimale Sterblichkeitstemperatur laut den Berechnungen seit dem Jahr 2000 im Durchschnitt des Kontinents allmählich erhöht habe, so Gallo, im Vergleich der Zeiträume 2000 bis 2004 und 2015 bis 2019 um ganze 2,7 Grad Celsius: "Dies deutet darauf hin, dass wir weniger hitzeanfällig sind als zu Beginn des Jahrhunderts, was wahrscheinlich auf den allgemeinen sozioökonomischen Fortschritt, die Verbesserung des individuellen Verhaltens und Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens wie die nach dem Rekordsommer 2003 durchgeführten Pläne zur Hitzeprävention zurückzuführen ist."

Es sei daher von größter Wichtigkeit, so die Forschungsgruppe, dass Strategien zur weiteren Verringerung der Sterblichkeitsrate in den kommenden, wärmeren Sommern umgesetzt werden – parallel zu den Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels.

Online-Frühwarnsystem vor potenziell tödlicher Hitze und Kälte

Die gleiche Forschungsgruppe hat auch ein Frühwarnsystem namens "Forecaster-Health" entwickelt, wo man für bislang 580 Regionen Europas (zum Beispiel die 16 deutschen Bundesländer) Prognosen zum Sterberisiko wegen Hitze und Kälte abrufen kann. Das kostenlose Tool liefert diese Prognosen bis zu 15 Tage im Voraus und basiert nicht nur auf meteorologischen Vorhersagen, sondern bezieht auch epidemiologische Modelle ein.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 12. August 2024 | 17:52 Uhr

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