Abgebildet ist eine Kryo-EM-Karte eines Fanzor-Proteins (grau, gelb, hellblau und rosa) im Komplex mit ωRNA (lila) und seiner Ziel-DNA (rot). Ein Nicht-Ziel-DNA-Strang ist blau dargestellt.
Abgebildet ist eine Kryo-EM-Karte eines Fanzor-Proteins (grau, gelb, hellblau und rosa) im Komplex mit ωRNA (lila) und seiner Ziel-DNA (rot). Ein Nicht-Ziel-DNA-Strang ist blau dargestellt. Bildrechte: Zhang lab

Genomeditierung Besser als Crispr? Neue Genschere Fanzor zur Krebstherapie bei Menschen

07. Juli 2023, 18:13 Uhr

Eine neue Genschere mit dem Namen Fanzor könnte die Crispr/Cas9-Systeme ersetzen oder zumindest erweitern. Das Gen-Werkzeug wurde aus tierischen Zellen isoliert und ist damit näher am Menschen, als Crispr. Außerdem soll sie keine unbeabsichtigten Schäden erzeugen – noch ist die dazugehörige Studie aber nicht wissenschaftlich begutachtet.

Ein Team aus Forschenden am Massachusetts Institute of Technology (MIT) um Feng Zhang hat eine neue Genschere entwickelt, die ähnlich wie Crispr/Cas9 präzise Veränderungen an DNA-Strängen vornehmen kann. Das neue Werkzeug heißt "Fanzor" – und basiert im Gegensatz zu Crispr auf Zellen, die einen Zellkern haben. Man spricht von Eukaryoten. Diese Zellen kommen auch in Menschen und Tieren vor, somit ist Fanzor noch etwas näher an dem, was natürlicherweise im menschlichen Körper vorkommt. "Dieses neue System ist eine weitere Möglichkeit, präzise Veränderungen in menschlichen Zellen vorzunehmen, und ergänzt die Genom-Editing-Tools, die wir bereits haben", sagt Zhang selbst dazu.

Prokaryoten vs Eukaryoten Prokaryoten sind Lebewesen, die keinen Zellkern besitzen. Oft handelt es sich dabei um Bakterien. Sie bestehen meistens nur aus einer Zelle und sind in der Regel sehr klein: ein bis zwei Mikrometer (µm) messen die meisten von ihnen – und sind damit deutlich kleiner als Eukaryoten. Die wiederrum zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Zellkern besitzen. Zu den Eukaryoten zählen bestimmte Einzeller, Algen, Pflanzen, Pilze, Tiere und auch die Menschen. Die Erbsubstanz, die in jeder Zelle gespeichert ist, befindet sich bei Eukaryoten zum größten Teil im Zellkern. Dieser Kern ist von einer Doppelmembran umhüllt und so vor äußeren Einflüssen geschützt.

Fanzor: Der erste erbgutschneidende Mechanismus aus Tierzellen    

Während die Crispr-Genschere auf dem Bakterium Streptococcus pyogenes basiert, wurde mit Fanzor der erste erbgutschneidende Mechanismus in einem Tier entdeckt: Zhang und seinen Mitforschenden gelang es, das Protein aus Venusmuscheln (die als Tiere qualifizieren), Algen, Amöben und Pilzen zu isolieren. Maßgeblich arbeiteten sie mit dem Pilz Spizellomyces punctatus, kurz SpuFz1. Das ist eine Pilzart, die im Boden lebt und verwesendes Pflanzenmaterial besiedelt.

In einem recht entscheidenden Punkt soll Fanzor nun sogar besser sein als Crispr/Cas9: Laut Angaben der Forschenden erzeugt Fanzor keine sogenannten Kollateralschäden – so nennt man es, wenn die Genschere bei der Arbeit auch benachbarte DNA und RNA abbaut. Bei Crispr/Cas9 war das mitunter ein Problem.

Neue Genschere bislang nur in Vorabveröffentlichung beschrieben

Fanzor hingegen habe den Nachteil gehabt, dass es beim Schneiden von DNA anfangs weniger effizient gewesen sei, heißt es in einer Pressemitteilung. Durch systematisches Engineering sei es den Forschenden dann aber gelungen, die Aktivität des Systems um das Zehnfache zu steigern.

Von diesen Erfolgen berichten die Forschenden in einer aktuellen Veröffentlichung im Journal Nature unter dem Titel "Fanzor is a eukaryotic programmable RNA-guided endonuclease". Es handelt sich dabei aber noch um eine Vorab-Publikation, die noch keinen Review-Prozess durchlaufen hat. Das bedeutet, die Ergebnisse wurden noch nicht von anderen Wissenschaftlern geprüft.

Genschere Fanzor: Weiter Weg bis zum Einsatz gegen Krebs

Die Forschenden um Feng Zhang hoffen nun, mit ihren Erkenntnissen die Gentherapie weiter voranzubringen. Weil sie sich möglicherweise leichter Zugang zu menschlichen Zellen verschaffen können als mit Crispr/Cas9, könnten Fanzor-Systeme eine große Chance sein. Allerdings müssen sie dafür noch effizienter werden.

Beim medizinischen Einsatz von Genscheren wie Crispr oder Fanzor geht es in der Regel um eine in-vivo-Genomeditierung, sprich die Veränderung von menschlichem Erbgut, solange es im Körper ist. Das könnte künftig beispielsweise für die Behandlung von Krebs relevant werden. Weil dieser auf Zellebene im Körper entsteht, versuchen Forschende, ihn auch auf dieser Ebene zu bekämpfen. Hier könnten Genscheren eines Tages die entscheidende Rolle spielen – aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Das "Delivery-Problem" in der Genomeditierung

Eines der Hindernisse auf diesem Weg ist beispielsweise das sogenannte "Delivery-Problem". Genscheren können die Membran einer Körperzelle erst einmal nicht passieren, sie benötigen also ein Transportvehikel, um zielgenau an ihrem Einsatzort anzukommen. Ein solches Vehikel können beispielsweise Viren oder sogenannte Liposomen (Fettmoleküle, die die Genschere vor einer vorschnellen Zersetzung schützen) sein. Eine weitere Innovation auf diesem Gebiet kam im März dieses Jahres ebenfalls von Feng Zhang und einigen Mitforschenden: Mit einer "molekularen Spritze" wollen sie Gentherapeutika künftig noch zielgenauer an ihren Einsatzort bringen.

Links/Studien

Die aktuelle und noch nicht begutachtete Veröffentlichung im Journal Nature unter dem Titel "Fanzor is a eukaryotic programmable RNA-guided endonuclease" ist hier zu finden.

Die Pressemitteilung des Massachusets Institute of Technology (MIT) zum Thema ist hier verlinkt.

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