Stress in der Pandemie Mutter-Kind-Kuren: Belastungen für Familien seit 2018 stark gewachsen
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13. Januar 2024, 04:59 Uhr
Der Alltag zwischen Beruf und Familie zermürbt viele Mütter und Väter. Eine Kur ist für viele von ihnen ein Lichtblick: endlich durchatmen, Kraft schöpfen. Doch in dieser ärztlich verordnete Auszeit offenbart sich meist erst das ganze Ausmaß an Folgen des täglichen Zeit- und Erwartungsdrucks: Schlaf- und Angststörungen sowie depressive Verstimmungen, mit steigender Tendenz. Warum ist das so? Und gibt es ein Entkommen aus dem Hamsterrad?
Der Bedarf an Heilaufenthalten für Mütter und Väter ist groß: 2022 nahmen 44.525 Frauen und 2.320 Männer eine sogenannte Mütter- oder Mutter-Kind-Kur in Anspruch. Das teilt das Müttergenesungswerk Anfang Januar in seinem aktuellen Datenreport mit. Den meisten Betroffenen ist die Belastungssituation bereits bewusst, und die gesundheitlichen Konsequenzen sind ärztlich attestiert. Doch oft wird erst in Gesprächen mit Therapeuten fernab des Alltags deutlich, wie groß das Ausmaß an Erschöpfungszuständen, Schlaf- und Angststörungen sowie depressiven Verstimmungen ist.
Finanzielle und gesundheitliche Belastungen nehmen seit 2018 zu
Den Angaben zufolge litten 90 Prozent der Kurteilnehmer unter den psychischen Auswirkungen des ständigen Zeit- und Erwartungsdrucks in ihrem Alltag. Denn Familie und Erwerbstätigkeit sind offenbar nach wie vor schwer unter einen Hut zu bringen: Die Eltern gaben an, dass dieser Spagat sie stark belastet. Müttern fehlt es zudem an Unterstützung aus dem Umfeld und an Anerkennung. Väter, die mehrheitlich in Vollzeit arbeiten, vermissen ausreichend sozialen Kontakte, Menschen mit denen sie sich austauschen können.
Auch die AOK-Familienstudie 2022 zeigt: Der Gesundheitszustand in den Familien hat sich seit dem Jahr 2018 verschlechtert, vor allem bei denen, die es ohnehin schon schwerer haben. Der Grund: Die Belastung von Eltern in Deutschland ist in den letzten vier Jahren noch gestiegen, sowohl psychisch und körperlich als auch finanziell, zeitlich und partnerschaftlich. So gaben 40 Prozent der befragten Mütter und Väter an, Geldsorgen zu haben. Im Jahr 2018 waren es noch 27 Prozent. 44 Prozent fühlten sich psychisch unter Druck, das sind sieben Prozent mehr als zuvor. Die körperlichen Belastungen sind ähnlich stark gestiegen: um sechs auf 23 Prozent.
Die Sorgen der Eltern werden die Probleme der Kinder
In diesem Zuge hat sich auch das Risikoverhalten der Eltern verändert: So trinken 15 Prozent der befragten Eltern viermal pro Woche oder öfter Alkohol im Vergleich zu sechs Prozent im Jahr 2018, Anteil der Gelegenheitsraucher stieg ebenso, von sieben Prozent im Jahr 2018 auf 17 Prozent im Jahr 2022.
Mit zunehmenden Belastungen der Eltern und den gesundheitlichen Folgen stieg auch die Zahl der Kinder mit psychosomatischen Beschwerden. Rund ein Drittel des befragten Nachwuchses ist davon ist betroffen. Müttern und Vätern fehlt die Kraft, Dinge aufrechtzuerhalten, die das Familienleben stärken: Rituale, Regeln, ungeteilte Aufmerksamkeit für ihre Töchter und Söhne.
Zehn alltagstaugliche Tipps für ein schöneres Familienleben
Der AOK-Bundesverband hat in Anbetracht der Ergebnisse seiner Familienstudie zehn alltagstaugliche Tipps zusammengestellt, die für Entlastung und Entspannung zwischendurch sorgen:
- Gemeinsame Mahlzeiten organisieren und einhalten
- Familienrituale finden, die beruhigen und allen Spaß machen
- Regeln zwischen Eltern und Kindern vereinbaren
- einander ungeteilte Aufmerksamkeit schenken
- Verantwortung und Selbstständigkeit der Kinder fördern
- Soziale Kontakte aufbauen und pflegen
- Positive Lebenseinstellung vorleben
- Vorbild sein und miteinander reden
- Zusammen Sport treiben
- Interesse an der Schule zeigen
Auch während der Kur werden Mütter und Väter dazu beraten, wie sie dem Stress im Alltag begegnen können. Dabei spielen auch gezielte Entspannung und die richtige Ernährung eine Rolle, genauso wie Sport und Kreativität.
Benachteiligte Familien brauchen mehr Unterstützung
Der Bedarf an Heilaufenthalten für Eltern steigt, und auch die Hürden, die die Familien meistern müssen, um eine Kur in Anspruch nehmen zu können. Ab dem Jahresbeginn 2022 erlebten die Beratungsstellen des Müttergenesungswerks einen regelrechten Ansturm. Viele der Rat suchenden Mütter und Väter kamen zu mehreren Gesprächen. Das Müttergenesungswerk kritisiert, dass die Betroffenen an anderen Stellen zu wenig Informationen über die Kurangebote und Bedingungen bekämen und sieht Ärzte und Kassen in der Pflicht, besser aufzuklären. Die sei vor allem für vulnerable Familien wichtig, die auf gute Informationen und Hilfe bei der Antragsstellung angewiesen sind.
Yvonne Bovermann, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks, fordert: "Es kann nicht sein, dass durch fehlende Information und Beratung eine Auslese erfolgt. Alle Mütter, Väter und pflegende Angehörige, die aufgrund der Sorgearbeit am Ende ihrer Kräfte sind, müssen Zugang zu den Vorsorge- und Rehamaßnahmen haben."
Links/Studien
Datenreport des Müttergenesungswerkes
AOK Familienstudie 2022
Wie beantrage ich eine Mutter-Kind-Kur und wie läuft sie ab?
krm
Programmtipp:
„2 Minuten – 24/7“ ist die 2. Staffel der Grimme-Preis-nominierten Serie „2 Minuten“. Der emotionale Moment des Schwangerschaftstests ist lange vorbei, die neue Staffel springt in die Zukunft, die Babys sind da - und der Stress auch. Wie verändert sich das Leben mit Kind, was bedeutet Elternsein für die Beziehung? Es geht um den täglichen Struggle mit all den Anforderungen, Ängsten, der Überforderung, um Schreibabys, Geburtstraumata, Kinderwunsch und Behinderung, Regenbogenfamilien, die Sehnsucht und mehr.
Ab 26.01.2024 in der ARD-Mediathek.
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