Mediennutzungsforschung Kinder und Medien: Pro Lebensjahr eine Stunde mehr
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21. November 2021, 10:00 Uhr
Wie wirken Medien auf Kinder, hängen Konsumdauer, Medium und psychische Gesundheit zusammen? Gerade wenn es um Kinder geht, sind noch viele Fragen offen. Das liegt vielleicht auch daran, dass ständig neue Medien und Nutzungsformen aufploppen. Eine Studie aus Luxemburg hat sich herangewagt und das Medienverhalten von Acht- bis Zwölfjährigen untersucht.
- Bei Kindern verlängert sich die Mediennutzungsdauer pro Lebensjahr um eine Stunde.
- Verschiedene Medientypen haben verschiedene Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.
- Medien-Multitasking hat stärkere negative psychologische Auswirkungen als Videospiele und die Gesamtzeit, die mit Medien verbracht wird.
Elektronische Geräte sind in Haushalten mit Kindern keine Gameplayer, sondern Diktatoren. Sie fressen Zeit, Raum und Nerven, diktieren die Freizeit. Viele Eltern beobachten das mit Grausen, müssen sich aber vom Nachwuchs selbst oft fragen lassen: "Und Du, zeig mal Deine Handyzeit von heute?" Oder "Mama, Handy weg! Wir gucken jetzt zusammen den Film, hast du gesagt!" Aber was machen denn nun die Medien mit den Kindern und Jugendlichen, wirken alle Medien gleich? Ist es allein die Nutzungsdauer, die sich wie auch immer auswirkt, oder ist das je nach Medium verschieden? Wirkt Videospielzeit anders als Nachrichten lesen und schreiben während des Filmeguckens? Solchen Fragen ist eine Forschungsarbeit aus Luxemburg nachgegangen.
Was wollten die Forscher untersuchen?
Für ihre Forschungsarbeit wurden Mediennutzung und die Beziehung zu Denkleistung, psychischer Gesundheit und schulischer Leistung von 156 acht- bis zwölfjährigen Kindern einer Grundschule in einem Vorort von Genf untersucht. Dabei beantworteten die Kinder Fragen über sich selbst, unter anderem über ihre Noten, ihre eigene Zufriedenheit mit den Ergebnissen, ihre Mediennutzungsdauer. Außerdem mussten sie Tests zu ihrer Denkleistung absolvieren. Zudem gaben Eltern und Lehrkräfte in Fragebögen Auskunft, zum Beispiel über Schlafdauer, Aufmerksamkeitsverhalten, Emotionen und Beziehungen der Kinder.
Aber wie ist das eigentlich, was weiß man darüber, wie viel Zeit Kinder mit Medien pro Tag verbringen? Eine kalifornische Studie zeigt, dass Kinder in den USA täglich sechs Stunden digitale Medien nutzen, knapp jede/r dritte Jugendliche ab der 7. Klasse sogar parallel mehrere. In Europa sieht das zwar anders aus, 10- bis 14-Jährige verbringen pro Tag 2,5 Stunden, die 15- bis 19-Jährigen drei Stunden täglich mit Medienkonsum.
Medienkonsum macht was mit uns. Nur was genau?
Doch egal, ob nun drei Stunden oder sechs, Medienkonsum hat Nebenwirkungen. Das kennen alle, die den schönen Moment erleben, wenn das Handy weggelegt werden soll für so banale Dinge wie Tisch decken oder gemeinsames Essen: Genöle, Gemecker, böse Blicke. Eltern berichten MDR WISSEN auch von Tritten, Beschimpfungen, Türen knallenden Teenagern, die tönen: "Das hat gar nichts mit dem Handy zu tun!" Und da reden wir noch gar nicht vom Konzentrationsvermögen nach einer ausgiebigen Runde zocken, wenn es ums Üben oder Lernen geht oder die Lust, mit anderen etwas Analoges zu unternehmen.
Welche Wirkung hat die Mediennutzung?
Doch zurück zur Studie, die in der Schweiz durchgeführt wurde. Sie zeigt nämlich ganz konkret: Die Dauer der Mediennutzung steigt mit dem Alter. Während die Achtjährigen vier Stunden und 28 Minuten pro Tag mit Medien verbrachten, waren es bei den Zwölfjährigen acht Stunden und 14 Minuten pro Tag. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Acht Stunden, 14 Minuten! Inwieweit das repräsentativ oder übertragbar ist, dazu sagt das Studienteam nichts. Aber es schlussfolgert aus den Daten generell: Pro Lebensjahr könne man bei Kindern eine Stunde mehr Medienkonsum addieren. Nur, bis zu welchem Alter? Sitzen dann 16-jährige tatsächlich zwölf Stunden vor großen oder kleinen Bildschirmen? Auch das lässt der Studienbericht offen.
Was jedoch untersucht wurde: Das Medienmultitasking nimmt der Studie zufolge mit steigendem Alter zu. Und: Jungen und Mädchen unterschieden sich hierbei nicht. Allein: Jungen verbringen mehr Zeit mit Videospielen als Mädchen. Auch zeigt die Studie Zusammenhänge zwischen Medien-Multitasking-Werten und selbstberichteten Messwerten: Viel Medien-Multitasking korreliert mit mehr Stress, niedrigerer sozioemotionaler Leistungsfähigkeit, mit mehr Verhaltens- und Aufmerksamkeitsproblemen, schlechterer Schlafqualität und niedrigerer Charakterfestigkeit. Ein direkter Zusammenhang zwischen Medien-Multitasking und abschweifenden Gedanken, Noten oder bei kognitiven Leistungsmessungen wurde laut Studienteam nicht festgestellt. Außerdem zeigte die Arbeit: Kinder, die mehr Zeit mit Medien verbringen, hatten ihren Lehrkräften zufolge häufiger ein ADHS-ähnliches Verhalten. Einen direkten Zusammenhang zwischen Videospielen und Noten, oder einen zwischen Videospielen und Schlaf fanden die Forscher in ihrer Datenanalyse nicht.
Medienforschung nicht über den Kamm der Nutzungsdauer scheren
Die Forschungsgruppe kommt zu dem Schluss: Es reicht nicht, Mediennutzungsdauer generell zu untersuchen. Sie sagen: Wir müssen viel genauer hinschauen, zwischen Medien unterscheiden, beispielsweise auch die Nutzung sozialer Medien, Internet-Surfen und Videokonsum untersuchen und dann jeweils auf die Beziehungen zu Schulnoten, seelischer Gesundheit und Denkfähigkeit abklopfen.
Link zur Studie
"Media use, attention, mental health and academic performance among 8 to 12 year old children" ist in PLOS ONE erschienen.
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