Könnten Experten vorhersagen, wann und wo genau ein Erdbeben stattfinden wird, könnten unzählige Menschenleben gerettet werden. Doch bislang ist das kaum möglich. Deshalb suchen Forschende nach spezifischen seismischen Mustern, die möglicherweise charakteristisch für ein bevorstehendes Erdbeben sein können.

Im Falle des Erdbebens in der Türkei im Februar 2023 hat ein Forschungsteam am GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam nun mögliche Vorläuferprozesse gefunden, die bereits acht Monate vor dem Hauptbeben begannen. Im Februar dieses Jahres sorgte das Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet für über 50.000 Tote, der finanzielle Schaden wird auf rund 120 Milliarden Dollar geschätzt.

"Um spezifische Signaturen in den seismischen Aufzeichnungen aus der Region zu identifizieren, haben wir moderne Datenverarbeitungstechniken eingesetzt, die auf statistischen Analysen und maschinellem Lernen basieren. Dadurch konnten wir mehrere raumzeitlich geclusterte Bebensequenzen in einem Radius von 50 Kilometern um das Hauptbeben herum identifizieren", erklärt Grzegorz Kwiatek, Hauptautor der aktuellen Studie im Journal "Nature". Hier hat das Forschungsteam die Erkenntnisse aus Beobachtungen von seismischen Wellenformen und Katalogdaten, die seit 2014 von regionalen Netzwerken aufgezeichnet wurden, veröffentlicht.

Diese identifizierten Vorläuferprozesse sind spannend, weil sie eines Tages dabei helfen könnten, Erdbeben schon Monate vorher vorauszusagen. Allerdings ist es nach wie vor schwierig, Erdbeben-Vorläufer von anderen, nicht relevanten Signalen zu unterscheiden. Um einer Vorhersage näherzukommen, versuchen die Forschenden am GFZ aktuell, die Langzeitbeobachtungen vor dem Erdbeben um Februar 2023 auf die Region Istanbul mit ihren rund 20 Millionen Bewohnenden zu übertragen. Dort ist nach Annahme der Forschenden ein Erdbeben der Stärke 7 oder stärker überfällig.

Ein weiterer vielversprechender Ansatz zur Erdbeben-Vorhersage ist die Analyse von seismischen Mustern mittels künstlicher Intelligenz. Forschende an der University of Austin in Texas haben eine KI entwickelt, die Erdbeben bereits eine Woche vorher mit einer Trefferquote von 70 Prozent vorhersagen kann. Die KI wurde darauf trainiert, statistische Veränderungen in seismischen Daten zu erkennen, die in der Vergangenheit mit Erdbeben einhergingen. In einer siebenmonatigen Testphase in einer Erdbebenregion im Südwesten Chinas konnte die KI 14 Erdbeben korrekt prognostizieren. Und zwar beinahe exakt mit der Stärke, in der die Erdbeben auch tatsächlich stattfanden. Allerdings lediglich auf rund 300 Kilometer genau.

iz