EU Regelung Herstellungsverbot für Einwegplastik – Einstieg ins Umdenken?
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03. Juli 2021, 05:00 Uhr
Seit dem 3. Juli ist das Europäische Einwegplastikverbot in Kraft. Das bedeutet: Wattestäbchen und Luftballonstäbchen, Einwegbesteck und auch Teller aus Plastik, Styropor-Getränkebecher oder auch To-Go-Verpackungen dürfen nicht mehr hergestellt werden. Auch ein Import in die EU ist jetzt verboten. Das soll helfen, Plastikmüll zu vermeiden, der achtlos in die Landschaft geworfen wird und nicht selten im Meer landet. Greift das Gesetz weit genug?
Egal ob nach der Abi-Party oder einem langen sonnigen Tag am Meer: Die Wiese oder der Strand werden vermüllt zurückgelassen. Diese Bilder sollen künftig der Vergangenheit angehöhren, denn die Novelle des Verpackungsgesetzes sieht vor, dass in Deutschland Gastronomie und Lieferdienste ab 2023 ihre vor Ort abgefüllten Speisen und Getränke auch in Mehrwegverpackungen anbieten müssen. Aber reicht die Gesetzesnovelle weit genug? Eugen Herzau ist Professor für Verpackungstechnik und Nachhaltigkeit an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig:
Generell muss man sagen: Gesetze oder Verbotsschilder neigen dazu, dass man misstrauisch ist und die Frage stellt: Ist das sinnvoll oder nicht? Und ich bin ganz klar der Meinung das ist sinnvoll, weil wir als Bürger offensichtlich zu wenig darüber nachdenken, wie wir leben, wie wir Bequemlichkeit in den Vordergrund stellen und nicht an die Umwelt denken.
Und mit diesem Plastikverbot, so Herzau, werde ein Schritt getan, "einfach den Verbrauch an Kunststoffen zu reduzieren und durch andere Variante ersetzen". Nun machen Wattestäbchen und To-Go-Becher nicht den Großteil unseres Plastikverbrauchs aus, aber es seien eben Dinge, die schnell mal in der Hecke landen. Deswegen baut man nun auf Alternativen: "Also entweder dort, wo es möglich ist im Bereich Kaffee-To-Go oder andere Dinge, dass man dann mit eigenen Bechern arbeitet, die mitbringt und befüllen lässt oder eben auch Mehrwegbecher von den verschiedenen Anbietern nutzt, die dann immer wieder verwendet werden, aber eben auch Becher aus Karton, die auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen produziert, auch mit einer Beschichtung, die das Recycling nicht behindert, ausgestattet sind und dafür eine Super-Funktion darstellen."
Ist jetzt alles öko?
An der Stelle hakt der NABU, der Naturschutzbund Deutschlands, nach. Dem geht das neue europäische Einwegplastikverbot nicht weit genug. Unter anderem wegen der aktuell als öko oder natürlich beworbenen Einwegmaterialen wie Pappe oder bioabbaubaren Kunststoffen.
Die Umweltlasten werden damit nur verlagert. Abbaubare Kunststoffe sind in der Regel für eine industrielle Kompostanlage zertifiziert und haben in der Umwelt genauso wenig zu suchen wie konventionelle Kunststoffe.
Darüber hinaus sei Pappe in der Herstellung sehr rohstoff- und energieintensiv und für die Produktion würden gesundheits- und umweltgefährdende Chemikalien benutzt, um die Pappe reißfest und haltbarer zu machen. Verpackungstechnologe Eugen Herzau aus Leipzig sieht das nicht ganz so verbissen.
Ich habe auch nicht gesagt, dass es bioabbaubare Kunststoffe als Alternative geben soll, sondern ich habe gesagt: Es sind Kartonvarianten, nachwachsende Rohstoffe, die dort verwendet werden sollen.
Vorsicht vor falschen Signalen
Von den bioabbaubaren Kunststoffen hält Herzau genauso wenig wie der NABU, "der da völlig Recht hat, dass es teurer ist in der Herstellung und die Abbaubarkeit immer auch gleich mit Kompostierbarkeit gleichgesetzt wird, die aber in der Regel auf den industriell betriebenen Kompostieranlagen nicht zu schnell stattfindet und damit für diese Anlagen oder Betreiber ein Problem darstellen." Und dem Verbraucher würde das suggerieren: Oh, dieser Kunststoff ist bioabbaubar.
Kann ich auch im Wald lassen oder am Straßenrand, der zersetzt sich ja –und das ist natürlich das falsche Signal.
Kompostierbare Kunststoffe haben noch dazu keinen nachhaltigen Effekt. Sie zerfallen, nutzen der Natur nichts. Doch die Kritik des NABU geht noch weiter: Laut der Gesetzesnovelle dürfen ab 2023 die deutschen Gastronomen keine Einwegverpackungen und Bestecke mehr verwenden. Und teurer als die aktuellen Verpackungen dürfen die umweltfreundlicheren auch nicht sein. Dabei sind aber kleinere Betriebe mit weniger als fünf Mitarbeitern oder einer Ladenfläche unter 80 Quadratmetern von der neuen Verordnung ausgenommen.
Ich gehe aber davon aus, dass aus diesem Gesetz heraus möglicherweise auch ein Umdenken generell stattfindet und auch eine Motivation für die kleinen Betriebe, die sagen okay, wir können das ja auch. Oder wir können auf Holzgabeln oder Holzmesser umsteigen. Oder wie auch immer. Und dann sieht die Welt auch noch mal ein bisschen anders aus.
Herzau setzt da auf Erziehung. Die geht übrigens von der jüngeren Generation aus. Die Kinder lernen heute in der Schule schon viel über Müllvermeidung und tragen diese Informationen dann nach Hause.
Bequemlichkeit und Luxus sind die Probleme
Und in der der Gesellschaft wird es ein Umdenken geben müssen, sagt Herzau. Das bedeutet auch, dass wir uns "ein Stück weit von unserer Bequemlichkeit und insbesondere von dem Luxus allgemein entfernen, also was den Konsum schlechthin betrifft". Nicht nur die Einwegverpackungen in der Lebensmittelbranche sind das Thema. Es geht auch um weniger T-Shirts und Jeans, die man oft nur kauft, "weil es noch schicker geht, oder weil man was Neues braucht oder ich gönne mir mal was". Denn am Ende gehe es für uns um diese Fragen, so Herzau: "Was tue ich damit für die Nachhaltigkeit, für die Umwelt? Oder bin ich dort auf dem falschen Weg?"
Wir können es besser machen, meint der Verpackungsexperte und ist sich sicher: "Wir befinden uns, was Plastikmüll, die eigene Ökobilanz und das Nachdenken über Nachhaltigkeit angeht, auf einem guten Weg."
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