Umweltverschmutzung Plastikmüllseuche: Wir müssen das Problem jetzt an der Wurzel packen
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02. Juli 2021, 15:26 Uhr
Plastikmüll ist ein globales Umweltproblem, das jeden Lebensbereich und jeden Winkel dieser Erde betrifft. Wird jetzt nichts dagegen getan, könnte das in Zukunft gravierende Folgen für unseren Planeten haben, die nicht zu revidieren sind. Forschende aus Deutschland, Schweden und Norwegen haben nun in einer gemeinsamen Studie erläutert, welche umfassenden Auswirkungen Kunststoff auf unsere Umwelt hat und mahnen dazu, schnellstmöglich einzugreifen – gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich.
Plastik ist schlecht für die Umwelt. Das wissen wir im Grunde alle. Deshalb versuchen wir den Kunststoff so weit wie möglich zu vermeiden (wenn wir daran denken) und recyceln fleißig. Aber, und jetzt kommt eine wirklich frustrierende Nachricht: Das reicht bei weitem nicht. Plastik ist nicht nur ein Problem für die Umwelt, sondern wirklich ein RIESEN Problem. Und das gleich auf mehreren Ebenen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Schweden und Norwegen erläutern die Zusammenhänge in einer gemeinsamen Studie, die jetzt im Wissenschaftsmagazin Science erschienen ist und schlagen Alarm.
Zusammenhänge verstehen
Plastikmüll ab in die gelbe Tonne und dann wird sich gekümmert. Das denken vermutlich viele Menschen, aber so einfach ist die Sache leider nicht.
Als Verbraucher und Verbraucherinnen glauben wir, dass alles auf magische Weise recycelt werden kann, wenn wir unseren Plastikmüll richtig trennen.
Leider stimmt das aber nicht. Oder zumindest nur ein bisschen, denn technologisch gesehen hat das Recycling von Plastik laut AWI-Biologin Mine Tekman viele Einschränkungen. Weltweit tüffteln verschiedenste Einrichtungen ununterbrochen an Möglichkeiten, Plastikmüll sinnvoll und umweltschonend zu verarbeiten. Aber da ist auch noch viel Luft nach oben. Und hinzukommt auch, dass Länder, die über eine gute Infrastruktur verfügen, ihren Plastikmüll in Länder exportieren, die nur mit schlechten Recycling-Einrichtungen ausgestattet sind. Deutschland hat übrigens laut Statistischem Bundesamt allein 2020 insgesamt gut eine Million Tonnen Kunststoffabfälle in andere Länder exportiert. Das meiste davon nach Malaysia. Aus den Augen, aus dem Sinn? Nein, denn weg ist der Müll dann trotzdem nicht.
Außerdem gibt es da noch ein ganz grundsätzliches Problem mit biologisch nicht abbaubaren Materialien wie Plastik. Beim "verrotten" bzw. beim immer kleiner werden (das wohlgemerkt über eine sehr lange Zeit vonstattengeht) werden Feinstäube und Fasern freigesetzt, die sich wiederum in der Umwelt verteilen.
Die Verwitterung von Plastik geschieht aufgrund vieler verschiedener Prozesse, und wir sind bereits weit gekommen, um sie zu verstehen. Aber die Verwitterung verändert ständig die Eigenschaften der Kunststoffverschmutzung, was neue Fragen aufwirft.
Immer neue Fragen bei immer weiter voranschreitender Plastikvermüllung der Erde – keine rosige Aussicht.
Es ist überall, wirklich überall
Laut Prof. Matthew MacLeod von der Universität Stockholm ist das Plastikproblem allgegenwärtig.
Plastik ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, und es sickert überall in die Umwelt, selbst in Ländern mit einer guten Infrastruktur für die Abfallbehandlung.
Und obwohl das Bewusstsein für die Plastikverschmutzung in Wissenschaft und Öffentlichkeit in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, hat auch die Emission von Plastik, also die Verbreitung von Plastik in unsere Umwelt, tendenziell zugenommen. Was ist denn da los?!
Natürlich werden technologische Lösungen für das Recycling und die Entfernung von Plastik aus der Umwelt weltweit gefördert, aber das reicht nicht aus. Das Problem muss endlich an der Wurzel gepackt werden. Und das bedeutet vor allem auch: Die Politik muss mit ins Boot und endlich ordentlich rudern. Einfach mitschippern ist nicht mehr. Denn laut Mine Tekman ist die Plastikverschmutzung nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch ein politisches und wirtschaftliches.
Daher sind drastische Maßnahmen erforderlich, wie neue abbaubare Materialien zu entwickeln, Wege um den Wert von recyceltem Kunststoff zu erhöhen, und das Verbot des Exports von Kunststoffabfällen, es sei denn, er erfolgt in ein Land mit besserem Recycling.
Die welt ersäuft in Plastik
Alles schon mal gehört? Ja, mag sein. Aber angekommen ist es wohl noch immer nicht bei allen. Um das nochmal zu verdeutlichen: Es geht hier nicht nur um Plastikflaschen, die angespült werden und uns das schicke Strand-Selfi versauen oder um den Pelikan, der sich in der Einkaufstasche verheddert hat. Das Problem geht tiefer und erfasst alle Lebensbereiche und alle Gegenden dieser Erde. Und abgelegene Gegenden sind besonders bedroht, sagt Prof. Annika Jahnke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
In abgelegenen Umgebungen kann Plastikmüll nicht durch Aufräumarbeiten entfernt werden, und die Verwitterung großer Plastikteile führt unweigerlich zur Entstehung einer großen Anzahl von Mikro- und Nanoplastikpartikeln sowie zur Auswaschung von Chemikalien, die dem Plastik absichtlich zugesetzt wurden, und anderen Chemikalien, die das Polymerrückgrat des Plastiks abbauen. Kunststoff in der Umwelt ist also ein sich ständig bewegendes Ziel von zunehmender Komplexität und Mobilität. Wo es sich anreichert und welche Auswirkungen es verursachen kann, ist schwierig oder vielleicht sogar unmöglich vorherzusagen.
Und obwohl es schwer vorauszusagen ist, versuchen die Forschenden genau das. Die Studie führt eine Reihe von hypothetischen Beispielen für die Auswirkungen von Plastikmüll auf die Umwelt aus. Für das Meer ist Plastik ein zusätzlicher Stressor zur Überfischung und aufgrund von Veränderungen der Wassertemperaturen, der Nährstoffversorgung und der chemischen Belastung. Es wirkt sich auf den Verlust der Artenvielfalt aus und stört die globale Kohlenstoffpumpe – und kann damit den Klimawandel verschärfen.
Was ist die globale Kohlenstoffpumpe?
Das Leben im Ozean wird von drei miteinander verbundenen Stoffkreisläufen gesichert, in denen Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor die Hauptrolle spielen. Der Kohlenstoff-Kreislauf spielt wiederum eine wichtige Schlüsselrolle beim Klimawandel. Der Ozean absorbiert ca. 30 Prozent des CO2, das Menschen jährlich freisetzen. Neben chemischen Reaktionen steuern biologische Prozesse diese CO2-Aufnahme. In der obersten Wasserschicht nutzt Phytoplankton CO2 und Sonnenlicht, um organisches Material zu produzieren. Ein Teil dieses Materials sinkt in tiefere Wasserschichten und transportiert dabei Kohlenstoff in die Tiefe. Werden diese chemischen und biologischen Prozesse gestört, etwa durch die Versauerung der Meere oder steigende Temperaturen, wird die Funktion der Kohlenstoffpumpe beeinträchtigt. Plastik und damit verbundene Chemikalien könnten dieses System beeinflussen.
Prozess, der sich kaum noch aufhalten lässt
Nimmt man alles zusammen kommen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu dem Schluss, dass es gelinde gesagt, ziemlich düster aussieht. Sie befürchten, dass das Plastik, das heute in die Umwelt entlassen wird, in der Zukunft Auswirkungen von globalem Ausmaß haben kann, die kaum umkehrbar ist.
Die Kosten, die entstehen, wenn man die Anhäufung von langlebiger Plastikverschmutzung in der Umwelt ignoriert, könnten enorm sein. Das Vernünftigste, was wir tun können, ist, so schnell wie möglich zu handeln, um den Eintrag von Plastik in die Umwelt zu reduzieren.
Und das geht laut der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur, wenn das Problem in allen Bereichen angegangen wird - also auf gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Ebene.
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