Bisphenol A und Bisphenol S Weichmacher im Plastik schaden dem Gehirn
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18. April 2021, 10:00 Uhr
Sie stecken in zahllosen Kunststoffprodukten und stehen schon länger im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein – sogenannte Weichmacher. Nun warnen Forschende der Universität Bayreuth: Weichmacher können wichtige Hirnfunktionen des Menschen beeinträchtigen. Sie befürchten, dass schon geringe Mengen die Signalübertragung der Nervenzellen stören können. Nachgewiesen haben sie das aber erst einmal im Tiermodell.
Egal ob in Lebensmittelverpackungen, Trinkflaschen, Spielzeug, Zahnfüllungen oder dem Babyschnuller: Die Weichmacher Bisphenol A und S stecken in unzähligen alltäglichen Gebrauchsgegenständen. Insbesondere Bisphenol A (BPA) wurde bereits in den vergangenen Jahren als gesundheitliches Risiko identifiziert. Doch offenbar können die Weichmacher sogar unser Gehirn schädigen. Das geht aus einer Studie des Forschungsteams um Dr. Peter Machnik am Lehrstuhl für Tierphysiologie der Universität Bayreuth hervor. Und das gilt neben BPA auch für Bisphenol S (BPS), das bisher häufig als weit weniger gesundheitsschädlich angesehen wurde. Die Studie ist im Fachmagazin Nature Communications Biology publiziert worden.
Dauerhafte Schädigungen des Nervensystems
Das Forschungsteam hat die Auswirkungen der Weichmacher BPA und BPS auf die Signalübertragung zwischen Nervenzellen im erwachsenen Gehirn untersucht. Das Ergebnis: Beide Weichmacher stören die Kommunikation zischen den Nervenzellen. Und das ist ein großes Problem, denn unsere Nervenzellen sind sehr empfindlich. Die Auswirkungen betreffen der Studie zufolge vor allem das Gleichgewicht unterschiedlicher Nervenfunktionen.
Die Nervenzellen balancieren nämlich zwischen Erregung und Hemmung: Einige Hirnzellen übertragen Signale, die in Zellen einen Erregungszustand auslösen. Andere Nervenzellen wiederum sollen nachgeschaltete Zellen hemmen. Aber nur wenn Erregung und Hemmung perfekt aufeinander abgestimmt sind, funktioniert das Nervensystem korrekt.
Umso bedenklicher ist es natürlich, wenn Weichmacher genau dieses sensible Gleichgewicht stören, ergänzt Biologe Peter Machnik.
Das Team hat seine Untersuchung aber nicht am Menschen, sondern im sogenannten Tiermodell durchgeführt – in diesem Fall an Goldfischen. "Es hat uns überrascht, wie viele lebenswichtige Hirnfunktionen der Fische durch die in zahlreichen Industriebranchen verwendeten Weichmacher geschwächt werden", sagt Machnik. Diese Schädigungen seien allerdings nicht sofort zu erkennen gewesen, ergänzt Erstautorin und Doktorandin Elisabeth Schirmer.
Wenn die Gehirnzellen einen Monat lang geringen Mengen von BPA oder BPS ausgesetzt sind, sind die Schäden unübersehbar.
Aber wie stören die Stoffe die Nervenzellen? Sie beeinflussen der Studie zufolge das sogenannte Aktionspotential der Zellen. Das heißt, sie verändern die chemische und elektrische Übertragung von Signalen durch die Synapsen. Außerdem stören sie die Schalkreise, die für das Wahrnehmen und Verarbeiten von akustischen und visuellen Reizen zuständig sind.
Was der Goldfisch über den Menschen verrät
Für die Untersuchung hat das Forschungsteam die Goldfische lebend genau untersucht. Besonders die sogenannten Mauthnerzellen standen dabei im Fokus der Forschenden, weil sie nicht nur die beiden größten Nervenzellen im Gehirn der Fische sind, sondern vor allem, weil hier alle Sinnesreize zusammenlaufen.
Die Zellen verarbeiten diese Reize schnell und präzise, damit der Fisch auch schnell reagieren kann. Wenn sich zum Beispiel ein Fressfeind anpirscht, dann sorgen sie dafür, dass eine Fluchtreaktion ausgelöst wird. Und die Mauthnerzellen sind einigermaßen robust und halten deshalb eine gewissen Grad an schädlichen Einflüssen aus – sie wehren sie ab oder kompensieren sie später. Doch die Weichmacher haben dem Forschungsteam zufolge erhebliche Schäden in diesen Zellen angerichtet, was die Ergebnisse umso bedenklicher mache.
Aber nun ist ein Mensch nun einmal kein Goldfisch. Die Forschenden sind trotzdem der Überzeugung, dass die Weichmacher auch beim Menschen ähnlich wirken können.
Die durch Untersuchungen an Fischgehirnen gewonnenen Erkenntnisse rechtfertigen die Einschätzung, dass BPA und BPS das Gehirn erwachsener Menschen ebenfalls in gravierender Weise schädigen können.
Die Biologinnen und Biologen fordern deshalb, künftig ganz auf BPA und BPS zu verzichten. Wissenschaft und Industrie müsse schnellstmöglich neue Weichmacher entwickeln, die diese Stoffe ersetzen können und gesundheitlich unbedenklich sind, fordert Machnik. Und diese neuen Stoffe sollten künftig auch schon vorab in Studien getestet werden, wie sie die Bayreuther jetzt durchgeführt haben, um sicherzugehen, dass sie keine Gefahr für unser empfindliches zentrales Nervensystem sind.
(kie)
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