Covid-19 AstraZeneca-Impfstoff zugelassen - zunächst nur für Jüngere
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05. März 2021, 08:57 Uhr
Die EU-Kommission hat den Corona-Impfstoff von AstraZeneca nach der EMA-Empfehlung zugelassen. Aber es gibt Lieferschwierigkeiten und Vorwürfe, dass die Impfung bei älteren Menschen nicht wirken würde. Die deutsche Impfkommission empfiehlt anders als die EMA, dass er nur an Menschen unter 65 Jahren ausgegeben werden soll. Die Funktionsweise des Vakzins ist anders, als die der schon zugelassenen mRNA-Vakzine.
Update 04.03.2021: Astrazeneca auch für Menschen über 65
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat ihre frühere Einschätzung zum Impfstoff Astrazeneca mit Blick auf neue Erkenntnisse aus Studien aktualisiert. Das Gremium am Robert Koch-Institut (RKI) teilte am Donnerstag trotz eines noch vorgeschriebenen Stellungnahmeverfahrens vorab mit, die Impfung mit dem Impfstoff für alle Altersgruppen zu empfehlen, entsprechend der Zulassung. Das sei am Mittwoch beschlossen worden. An der Situation, dass es für Kinder und Jugendliche bisher keine zugelassenen Corona-Impfstoffe gibt, ändert sich dadurch nichts.
Update 01.02.2021: EU lässt AstraZeneca-Impfstoff nach EMA-Empfehlung zu – Stiko: Nur für Jüngere
Die Europäische Kommission hat die bedingte Marktzulassung für den Impfstoff von AstraZeneca erteilt. Zuvor hatte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) am Freitag mitgeteilt, dass die von dem Arzneimittelhersteller in Auftrag gegebenen klinischen Studien die Sicherheit des Wirkstoffs und einen effektiven Schutz von etwa 60 Prozent belegten. Damit könne der Stoff an Menschen über 18 Jahre ausgegeben werden.
Zwar seien nur wenige Menschen über 55 Jahre in die Studie eingeschlossen worden, die Wirksamkeit könne hier nicht sicher belegt werden, allerdings sei die Sicherheit nachgewiesen worden, zudem ließen Erfahrungen mit anderen Impfstoffen auf eine Wirksamkeit auch bei älteren Menschen schließen. Daher empfiehlt die EMA einen Einsatz des AstraZeneca-Vakzins auch bei älteren Menschen.
Die ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland hatte dagegen am Freitagmorgen empfohlen, den Corona-Impfstoff von AstraZeneca nur an Menschen auszugeben, die zwischen 18 und 65 Jahre alt sind. Grund dafür seien die klinischen Phase-3-Studien, bei denen nur wenige alte Menschen eingeschlossen wurden. Dadurch ist unklar, wie gut der AstraZenca-Stoff Ältere schützt. Einer Interpretation der Studienergebnisse, wonach Ältere kaum geschützt würden, widersprach AstraZeneca allerdings entschieden. Thomas Mertens, Vorsitzender der STIKO, sagte in einem Pressebriefing des Science Media Centers, die Entscheidung des deutschen Gremiums könne verändert werden, sobald mehr Daten über die Wirksamkeit bei Älteren vorliegen. Da die Impfempfehlungen mit der Zulassung weiterer Impfstoffe erneut überarbeitet werden müssten, könnte das schon bald passieren.
Der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca hat den Impfstofff AZD1222 gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt. Im Vereinten Königreich erhielt er bereits am 30. Dezember die erforderliche Genehmigung. Im Gegensatz zu den bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna handelt es sich in diesem Fall um eine sogenannte Vektorimpfung und darin liegt ihr Vor- wie Nachteil zugleich.
Impfvektoren werden selbst vom Immunsystem bedroht
Bei einer Vektorimpfung wird ein für Menschen meist harmloses Erkältungsvirus gentechnisch verändert. Im Fall von AZD1222 handelt es sich um ChAdOx1, ein Adenovirus, das normalerweise bei Schimpansen vorkommt. Diesen Viren wurden die nötigen Gene genommen, um sich selbst in den menschlichen Zellen vermehren zu können. Stattdessen wurden sie mit einer Bauanleitung für das Spikeprotein von Sars-CoV-2 ausgestattet. Diese Anleitung in Form einer DNA bringen die Vektorviren in spezielle Zellen im Menschen, die dafür zuständig sind, dem Immunsystem gefährliche Antigene zu zeigen. In diesen Zellen wird die DNA ausgelesen und das Spikeprotein gebaut, das dann anschließend auf der Zelle ausgestellt (Forscher sagen "exprimiert") wird und so die Antwort des Immunsystems provoziert.
Das menschliche Immunsystem erkennt das Spikeprotein als fremd und leitet den Bau von Antikörpern und T-Zellen dagegen ein. Diese Immunantwort soll die Geimpften dann auch vor dem echten Coronavirus schützen. Allerdings – und hier liegt möglicherweise ein zentrales Problem bei AZD1222 – das Immunsystem reagiert auch auf das Impfvirus, also das Transportgefäß, und produziert Antikörper dagegen.
AstraZeneca: Geringere Effektivität aber Schutz vor schweren Verläufen
Bei den umfangreichen Phase-3-Tests des AstraZeneca-Impfstoffs erlebten die Forscher mehrere Überraschungen. Eine davon war, dass der Impfstoff offenbar besser diejenigen schützte, deren Dosis geringer war. Eine mögliche Erklärung dafür könnte die Reaktion des Immunsystems auf das Adenovirus sein: Wer zuerst die größere Impfdosis erhielt, könnte zwar die gewünschten Antikörper gegen das Spikeprotein ausgebildet haben, wahrscheinlich aber auch solche gegen das Vektorvirus, aus dem die Impfung besteht. Dann hätte das Immunsystem der Geimpften bei der zweiten Impfung die Vektoren abgewehrt, so dass sie nicht mehr die volle Reaktion gegen das Spikeprotein ausbilden konnten.
Das würde die schwächere Schutzwirkung der AstraZeneca-Impfung bei den klinischen Versuchen erklären. Dort hatten die Forscher eine Wirksamkeit von 70 Prozent errechnet, während sie bei Biontech und Moderna jeweils über 90 Prozent lag. Beim Test von AZD1222 infizierten sich insgesamt 30 Geimpfte mit Covid-19, allerdings erlitt niemand von ihnen einen schweren Krankheitsverlauf.
Nur geringe Wirksamkeit bei Menschen über 65 Jahren?
Kurz vor der Zulassung tauchen nun weitere Befürchtungen auf, dass die Vektorimpfung ältere Menschen über 60 Jahren zu wenig schützt. Das Handelsblatt berichtet laut Nachrichtenagentur dpa, "dass das Mittel bei Menschen über 65 nur eine Wirksamkeit von 8 Prozent habe". Unklar ist aber, auf welche Daten sich diese Annahme stützt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte der dpa, entsprechende Studien müssten noch ausgewertet werden. "Ich halte wenig davon, das jetzt in Überschriften spekulativ zu machen." Danach werde entschieden, welche Altersgruppe zuerst damit geimpft werde.
Das Unternehmen selbst hat die Berichte als "komplett falsch" bezeichnet. Das Mittel sei in Großbritanninen zugelassen und die Veröffentlichung der Studien-Daten (im Fachblatt Lancet im November und Dezember) habe gezeigt, dass die Impfung auch bei älteren Menschen eine starke Immunantwort auslöse. Allerdings heißt es in der Dezember-Veröffentlichung auch, dass es wegen geringer Fallzahlen in der entscheidenden klinischen Studie noch wenig Daten zur Wirksamkeit bei älteren Menschen gebe.
Deutsche Forscher: Datenlage dürftig
Die schlechte Datenlage zur Wirksamkeit bei älteren Patienten kritisieren auch deutsche Forscher. "In der Phase-III-Studie mit dem gleichen Impfstoff, waren zu wenige alte Menschen eingeschlossen, sodass spezifisch für die Altersgruppen über 70 keine statistisch relevante Aussage gemacht werden kann", so Prof. Dr. Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Philipps-Universität Marburg gegenüber dem Science Media Center über die Ergebnisse. Tropenmediziner Prof. Dr. Peter Kremsner von der Eberhard Karls Universität Tübingen hält die Datenlage für die Zulassung des Impfstoffes bei über 65-Jährigen nicht für aussagekräftig. "Es ist unklug zu spekulieren", sagt Prof. Dr. Carlos A. Guzman vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, "wir müssen die Empfehlung der EMA abwarten. Möglicherweise wurden den Aufsichtsbehörden zusätzliche Informationen zur Verfügung gestellt, die nicht öffentlich zugänglich sind."
Streit mit der EU wegen Lieferverzögerungen
Schon vorher gab es Streit zwischen der EU-Kommission und AstraZeneca. Der Hersteller hatte angekündigt, zunächst nicht den vollen Umfang seiner für die EU zugesagten Impfstoffmenge liefern zu können. Zugleich machte er aber keine Liefereinschränkungen für andere Besteller, wie das Vereinigte Königreich. Die EU überlegt daher, die Impfstoff-Ausfuhr künftig stärker kontrollieren zu wollen. Jens Spahn sagte laut ZDF, er könne verstehen, dass es bei "komplexen Prozess wie der Impfstoffproduktion auch mal zu Problemen" kommt. Dies müsse dann aber "alle fair und gleich betreffen". Es gehe nicht um "EU First, sondern um Europe's Share, also den fairen Anteil".
Spuntik V funktioniert auf ähnliche Weise
Trotz aller Zweifel und Zwistigkeiten: Allein der Schutz vor einer schweren Erkrankung stellt aus epidemiologischer Perspektive schon einen ausreichend großen Vorteil dar, um AZD1222 auch in der EU zuzulassen. Zudem muss er anders als die mRNA-Impfstoffe bei Lagerung und Transport nicht so stark gekühlt werden. Die Virenhülle schützt die Bauanleitung für das Spikeprotein so gut, dass Kühlschranktemperaturen ausreichen. Deshalb können auch Hausarztpraxen diesen Impfstoff ausgeben.
Auch der russische Impfstoff Sputnik V basiert auf dem Vektroprinzip. Dabei wurden allerdings zwei verschiedene Adenoviren verwendet, um die Immunreaktion auf das Impfvirus zu umgehen. Möglicherweise ist Sputnik V dadurch wirksamer als AZD1222, was aber erst der Veröffentlichung aller klinischen Testergebnisse zeigen kann.
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