Corona Wer sollte sich gegen Covid-19 impfen lassen und wer nicht?
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13. Januar 2021, 16:39 Uhr
Die Immunisierung hat begonnen – viele Staaten haben angefangen, ihre Bevölkerung gegen das Sars-Coronavirus-2 zu impfen. Doch die Bedenken sind weiterhin hoch. Ist eine Impfung wirklich für jeden ratsam?
Update 12. Januar: Rheumatologen warnen vor Fehlinformationen
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) warnt vor Informationen, die von einer Sars-CoV-2-Impfung von Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen abraten. Laut DGRh gab es dazu in den vergangenen Tagen vermehrt Anfragen, offenbar aufgrund von "Falschinformationen seitens Landesregierungen, Krankenkassen und Medien", so die Gesellschaft. "Diese kommunizieren, dass eine Impfung gegen eine Infektion mit Sars-CoV-2 für Menschen mit Rheuma risikobehaftet und damit nicht in Anspruch zu nehmen sei. Dies trifft nicht zu", betont die DGRh in einer aktuellen Stellungnahme.
Seit über einem Jahr hat uns die Corona-Pandemie fest im Griff und deren Auswirkungen sind in beinahe allen Lebensbereichen spürbar. Nun ist ein erstes zaghaftes Aufatmen spürbar, denn immer mehr Impfstoffe gegen Covid-19 werden zugelassen und eine Immunisierung der Bevölkerung kann beginnen.
Natürlich gibt es trotzdem noch viele Bedenken und so mancher fragt sich, ob er sich wirklich impfen lassen sollte. Laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut lautet die Antwort für den Großteil der Bevölkerung: Ja! Denn eine Impfung gegen Covid-19 trägt nicht nur zum individuellen Schutz, sondern auch zum Schutz der Bevölkerung bei. Die Pandemie kann so eingedämmt, Kontaktbeschränkungen könnten mittelfristig gelockert werden.
So erfolgt die Impfung
Die Immunisierung der Bevölkerung erfolgt in sechs Gruppen, die nacheinander geimpft werden. Begonnen wird mit den Hochrisikogruppen wie etwa Bewohnern von Pflegeeinrichtungen und Personen im Alter von über 80 Jahren. Menschen, die an der Reihe sind, werden durch die einzelnen Bundesländer eingeladen, einen Impftermin zu machen. Die Immunisierung erfolgt durch zwei Impfungen in den Oberarmmuskel. Eine Impfpflicht besteht weiterhin nicht.
In Deutschland ist derzeit nur der mRNA Impfstoff Comirnaty (BNT162b2) von Biontech/Pfizer zugelassen. Dieser enthält die modifizierte RNA des Virus und damit einen Bauplan für das Spike-Protein von Sars-CoV-2. Über Lipid-Nanopartikel, also winzige Fettkörperchen, gelangt der Wirkstoff in die Körperzellen. Anschließend stellt der Körper für kurze Zeit das Spike-Protein her. Unser Immunsystem wird dann angeregt Abwehrstoffe, also Antikörper und T-Zellen gegen das fremde Protein zu bilden. Kommt eine geimpfte Person später mit dem Virus in Kontakt, ist das Immunsystem schnell in der Lage es zu erkennen und gezielt zu bekämpfen.
Impfung für alle ratsam?
Doch obwohl eine Immunisierung der breiten Bevölkerung angestrebt wird, gibt es Zweifel, ob eine Impfung für jeden ratsam ist. Zuletzt hatte Großbritannien seine Impfempfehlung für Allergiker zurückgezogen, nachdem zwei Menschen nach der Impfung mit dem Comirnaty-Impfstoff von Biontech/Pfizer einen schweren allergischen Schock erlitten. Es stellte sich heraus, dass beide Patienten bereits in der Vergangenheit eine Vorgeschichte mit Anaphylaxien hatten. Noch ist nicht bekannt, ob die beiden Männer auf den Wirkstoff oder einen der Hilfsstoffe reagiert haben.
Folgende Hilfsstoffe sind im Comirnaty-Impfstoff enthalten:
- ALC-0315 = (4-Hydroxybutyl)azandiyl)bis (Hexan-6,1-diyl)bis(2-hexyldecanoat)
- ALC-0159 = 2-[(Polyethylenglykol)-2000]-N,N-ditetradecylacetamid
- 2-Distearoyl-sn-glycero-3 phosphocholin
- Cholesterol
- Kaliumchlorid
- Kaliumdihydrogenphosphat
- Natriumchlorid
- Dinatriumhydrogenphosphat-Dihydrat
- Saccharose
- Wasser für Injektionen
Man geht aber davon aus, dass Polyethylenglykol (PEG) die Ursache für die allergische Reaktion gewesen sein könnte. Dieser Stoff gehört zu den vier unterschiedlichen Lipid-Nanopartikeln, die zur Herstellung der Fetthülle um die modifizierte Viren-mRNA verwendet werden. Diese Partikel ähneln den bereits seit Jahren pharmazeutisch eingesetzten Liposomen, die als Träger für Arzneistoffe dienen. In diesem Zusammenhang sind bereits schwere unerwünschte Reaktionen auf diese Medikamente bekannt.
Impfung auch für Allergiker
Trotzdem sprechen sich das Paul-Ehrlich-Institut und die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie nach derzeitigem Kenntnisstand nicht dafür aus, dass Allergiker auf eine Covid-19 Impfung mit Comirnaty verzichten sollen. Es sei denn, es liegt eine bekannte Allergie auf einen der Bestandteile wie etwa PEG vor. Auch Menschen, die bereits Anaphylaxien in der Vorgeschichte aufweisen, können sich impfen lassen. Sie sollten allerdings vorher mit ihrem Arzt sprechen und das impfende Personal darüber aufklären, dass es das Risiko gibt und sie besonders beobachtet werden müssen. Außerdem muss nach dem Verabreichen des Impfstoffes für den Fall einer schweren Unverträglichkeitsreaktion immer eine angemessene medizinische Behandlung und Überwachung bereitstehen.
Ungewissheit für Krebspatienten
Krebspatienten haben laut RKI ein höheres Risiko unter einem schweren Verlauf von Covid-19 zu leiden. Sie zählen daher zur Risikogruppe. Doch auch innerhalb dieser Risikogruppe bedarf es laut Deutscher Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) einer Abstufung. So scheinen bestimmt Faktoren einen Einfluss auf einen schweren Covid-19-Verlauf zu haben. Dazu zählen die Erkrankungssituation, die Krebsart und die individuellen Voraussetzungen. Leider sind die Daten für eine solche Einstufung noch unvollständig.
Auch unvollständig ist das Wissen darüber, wie Krebspatienten auf den Impfwirkstoff reagieren. Darüber hinaus ist unklar, wie die Verträglichkeit einer Impfung mit einer Chemotherapie oder Immun-Checkpoint-Hemmern einhergeht. Das liegt daran, dass unter den Probanden der Zulassungsstudien keine Menschen vertreten waren, deren Immunsystem durch die Krebserkrankung oder die Krebstherapie stark unterdrückt ist.
Weder über die Wirksamkeit noch über die Unbedenklichkeit lassen sich nach aktuellem Forschungsstand gesicherte Aussagen treffen. Die DGHO empfiehlt daher, die Entscheidung darüber, ob und wann eine Impfung durchgeführt wird, individuell und gemeinsam mit dem behandelnden Onkologen zu treffen.
Impfung bei Autoimmunkrankheiten?
Autoimmunkrankheiten werden immer häufiger. Dabei kann das Immunsystem nicht mehr zwischen körpereigenen Zellen und Fremdstoffen wie etwa Viren unterscheiden. Das heißt, dass die Abwehrzellen im Körper überreagieren und Haut, Knochen, Organe oder Nervenzellen angreifen. Dadurch wird eigentlich gesundes Gewebe im Körper beschädigt und es kommt zu chronischen Entzündungen in den betroffenen Regionen. Organe oder ganze Organsysteme können so nicht mehr richtig funktionieren. Daraus entwickeln sich chronisch-entzündliche Krankheiten wie etwa rheumatische Arthritis, Morbus Chron oder Multiple Sklerose.
Die Behandlung dieser Krankheiten erfolgt durch die Unterdrückung des überreagierenden Immunsystems. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Patienten anfälliger für Infektionen sind. Diese könnten zu Schüben führen und die Krankheit verschlechtern. Ein umfassender Impfschutz ist für diese Menschen also besonders wichtig. Impfungen mit Totimpfstoffen werden von der ständigen Impfkommission daher dringend empfohlen. Das in Deutschland zugelassene Comirnaty ist ein mRNA-Impfstoff. Da nur modifizierte Teile der Virus-mRNA in die Körperzellen gebracht werden und diese anschließend wieder abgebaut wird, entstehen keine kompletten vermehrungsfähigen Viren. mRNA-Impfstoffe sind daher konzeptuell den Totimpfstoffen zuzuordnen.
Laut KKNMS (Krankheitsbezogenes Kompetenznetzwerk Multiple Sklerose) ist eine Impfung gegen SARS-CoV-2 daher auch für Patienten mit Multipler Sklerose ratsam. Natürlich besteht auch hier das Risiko, dass Impfreaktionen wie Abgeschlagenheit, Kopfweh, Temperaturerhöhung oder Schmerzen an der Einstichstelle auftreten können. Darüber hinaus ist es möglich, dass der Impfstoff nicht so gut wirkt, wenn sich die Patienten gerade in einer immunsuppressiven Therapie befinden, bei der das körpereigene Abwehrsystem unterdrückt wird. Idealerweise sollte diese bereits abgeschlossen sein. Aber auch hier sollten sich die Patienten mit ihrem Arzt in Verbindung setzen und individuell entscheiden.
Was sollen Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen tun?
Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, bei einer Covid-19-Erkrankung einen schweren oder sogar tödlichen Verlauf zu erleiden. Sie zählen daher zur Gruppe mit erhöhter Priorität, die geimpft werden sollte. Betroffen sind hier zum Beispiel Patienten mit Herzinsuffizienz, Arrhytmie/Vorhofflimmern, koronarer Herzkrankheit oder arterieller Hypertension.
Trotz nicht auszuschließender Nebenwirkungen spricht sich die Deutsche Herzstiftung dafür aus, dass sich Herz-Kreislauf-Patienten gegen Covid-19 impfen lassen. Der Nutzen der Impfung würde weit überwiegen. Sie folgen damit der Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Aber auch US-Wissenschaftler haben sich im Journal of the American College of Cardiology (JACC) dafür ausgesprochen, dass nach derzeitigem Kenntnisstand auch für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrannkungen eine Impfung gegen Covid-19 ratsam ist. Sie geben an, dass RNA-Vakzine aus kardiologischer Sicht keine kardiopulmonalen Beschwerden zu verursachen scheinen.
Ist eine Impfung bei Gerinnungsstörungen ratsam?
Bei Menschen mit einer Gerinnungsstörung und Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen müssen, um etwa einem Schlaganfall, Herzinfarkt oder Venenthrombosen vorzubeugen, können Impfungen problematisch sein. Dabei ist aber nicht der Wirkstoff das Problem, sondern die Injektion mit der Nadel in den Muskel. Wird dabei ein Gefäß verletzt, kommt es zu schwerer stillbaren Blutungen.
Daher sollten diese Patienten, soweit es in der Zulassung erlaubt ist, eine Impfung ins Fettgewebe oder unter die Haut erhalten. Für den Comirnaty-Impfstoff von BionTech/Pfizer kommt das aber nicht in Frage. Er soll laut Ständiger Impfkommission ausschließlich ins Muskelgewebe injiziert werden, auch bei Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen. Es soll dann mit einer sehr feinen Kanüle geimpft werden und anschließend eine feste Komprimierung der Einstichstelle über zwei Minuten hinaus erfolgen.
Was wir noch immer nicht wissen
Die Ständige Impfkommission empfiehlt allen Menschen, denen es möglich ist, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Natürlich sind Nebenwirkungen nie komplett auszuschließen. Und auch wie lange der Impfschutz anhält, ob er auch bei weiteren Virusmutationen ausreichend Schutz bietet und ob man sich trotzdem noch mit Covid-19 anstecken kann, ist nicht abschließend geklärt.
Auch nach der Zulassung eines Impfstoffes wird dieser weiterhin geprüft und erforscht, da es in sehr seltenen Fällen auch dann noch zu Nebenwirkungen kommen kann, die während der Studien noch nicht aufgetreten sind. Das Paul-Ehrlich-Institut erfasst diese Nebenwirkungen und Impfreaktionen zentral und unabhängig vom Hersteller, der das ebenfalls macht. Das tut es zum einen durch ein Online-Meldeformular und durch die App SafeVac2.0. So können nationale und internationale Beobachtungen zusammengeführt werden und geben am Ende auch Aufschluss über Risiken, die sehr selten auftreten.
JeS
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