Esa-Rakete: Ariane 6 Triebwerkstest
Die erste Oberstufe der Ariane 6 wurde am Prüfstand P5.2 des DLR in Lampoldshausen erfolgreich getestet Bildrechte: DLR

Europa fliegt wieder ins All Ariane 6: Ganz neu und schon veraltet

10. Juli 2024, 11:08 Uhr

Nach einem Jahr ohne eigene Starts will die Europäische Raumfahrtagentur Esa heute, am 9. Juli 2024, wieder zurück ins All. Die neue Rakete Ariane 6 soll einen ersten Testflug unternehmen. 30 weitere Flüge sind laut Esa bereits in Auftrag gegeben.

Es ist nur ein Testflug, er soll drei Stunden dauern, aber für die Europäische Weltraumagentur geht es dabei um alles: Sind wir Europäer wieder in der Lage, mit einer eigenen Rakete ins All zu fliegen? Können wir die sogenannte Launcher-Krise überwinden? Die Mission ist klar: "Ein eigenständiger europäischer Zugang zum All ist sowohl für unser tägliches Leben wie auch für Wirtschaft und Wissenschaft unverzichtbar", so Anna Christmann. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen ist Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt.

Auch die Experten von der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) werden nicht müde, die Bedeutung des Fluges und den wichtigen Beitrag Deutschlands zur Rakete zu betonen. "Die deutsche Forschung und Industrie spielen im Gesamtpaket der neuen europäischen Trägerrakete Ariane 6 eine Hauptrolle", so Walther Pelzer, DLR-Vorstandsmitglied und Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur. "Die Stärken der deutschen Standorte liegen dabei im Flüssigkeitsantrieb, in der Oberstufentechnologie sowie in den Tanks und Strukturen."

Das Startfenster öffnet sich um 20 Uhr MESZ. Der Start wird live ab 19:30 Uhr bei Esa-Web-TV übertragen. Hier auf Deutsch:

Fragt man dagegen Raumfahrtexperten, ob die europäische Rakete, die seit 2014 entwickelt wird und 2020 zum ersten Mal starten sollte, auf der Höhe der Zeit ist, so lautet die Antwort: Das kann man vergessen. Martin Tajmar, Professor für Raumfahrtsysteme an der der TU Dresden, nimmt gegenüber der dpa kein Blatt vor den Mund und verweist darauf, wie alt die Technik im Vergleich zur privaten Konkurrenz aussieht. "2015 ist das erste Mal die Falcon-9-Rakete erfolgreich wieder gelandet und hat quasi das Zeitalter der wiederverwendbaren Raumfahrt gegründet, wo natürlich alle anderen jetzt dann komplett alt ausschauen." Und SpaceX hat damit kommerziell die Nase vorn. Denn ein Start der Falcon 9 kostet nach Expertenschätzungen rund 30 Millionen Euro. Bei der neue Ariane 6 sind es mindestens 90 Millionen.

Die Esa muss wieder mitspielen

Das Wichtigste an der Ariane 6 sei aber, dass sie den Zugang zum Weltall wiederherstelle, der ja auch einer der Ur-Aufträge der europäischen Raumfahrt sei, meint Tajmar. Außerdem ginge es darum, eine Alternative anzubieten, auch wenn diese nicht die günstigste sei. "Es ist wirklich ein schwieriges Umfeld, in dem man sich da befindet." Aber immerhin, so Tajmar, können wir jetzt wieder mitspielen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Test gelingt und die Ariane 6 wie geplant eingesetzt werden kann.

Prof. Dipl.-Ing. Dr. Martin Tajmar
Bildrechte: Christian Hüller/ TU Dresden

Wie wir mitspielen, ist wieder was anderes, aber wir können mitspielen und wir sind ein Partner.

Prof. Martin Tajmar, TU Dresden

Trotz der großen Konkurrenz sind laut DLR bereits 30 Flüge in Auftrag gegeben. Neben ESA-Missionen wie das Weltraumteleskop PLATO, das 2026 starten wird, um nach erdähnlichen extrasolaren Planeten in der Milchstraße zu suchen, gehören auch Starts für private Kunden wie Amazon dazu. Für das Unternehmen soll die Ariane 6 Kommunikationssatelliten seiner Konstellation Kuiper in den Orbit bringen. Die Hälfte der bisher geplanten Starts sind allein dafür vorgesehen.

Deutschland schickt einen Würfel mit

Walter Frese, CEO von RapidCubes mit dem OOV-Cube, der mit der Ariane 6 ins All starten soll
Walter Frese, Chef von RapidCubes mit dem OOV-Satelliten: "Diese Mission hat das Potenzial, bei Problemen zu helfen, die für die Menschen auf der Erde sehr wichtig sind." Bildrechte: Jon A. Juarez

Die erste Nutzlast der Ariane 6 sind 17 Experimente. Darunter allein zwei, die den Wiedereintritt in die Atmosphäre überstehen sollen. Eine davon ist die Test-Raumkapsel Nyx Bikini von The Exploration Company mit Sitz in Planegg bei München. Außerdem die Satelliten Curium One von Planetary Transportation Systems aus Kleinmachnow OOV-Cube von Rapid Cubes aus Berlin. Letzterer ist ein 25 mal 25 Zentimeter großer würfelförmiger Satellit, entwickelt von der Technischen Universität Berlin und dem Berliner Unternehmen RapidCubes. Der OOV soll auf einer Umlaufbahn in 580 Kilometern Höhe arbeiten. Dort soll er zum Beispiel eine Technologie testen, die mit miniaturisierten Sendern auf der Erde verbunden werden kann, die Tiere tragen, und die sie in Echtzeit mit Wissenschaftlern verbinden. Dies wäre insbesondere in abgelegenen Gebieten ohne terrestrische Infrastruktur nützlich. Der Satellit soll außerdem in der Lage sein, Bilder bereits im All mithilfe von KI zu verarbeiten. Daher auch der Name: On Orbit Verification Cube, Verifizierung an Bord.

Erstflug als ultimativer Testflug

Entsprechend wichtig ist nun ein erfolgreicher Erstflug der neuen Ariane, der am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana startet. Vom Raketenbauer ArianeGroup heißt es zwar, in gewisser Weise sei der erste Flug der ultimative Testflug. Doch der Raumtransportdirektor der Esa, Toni Tolker-Nielsen ist überzeugt: "Es wurde alles getan, damit es ein Erfolg wird. Wenn es scheitert, wäre das wirklich schlimm." Bereits seit über einem Jahr, nach dem letzten Start der Ariane 5 am 6. Juli 2023, konnte die ESA keinen Satelliten ins All befördern. Denn nach dem fehlgeschlagenen kommerziellen Start der Vega C Ende 2022 ist auch die für kleinere Satelliten konzipierte Rakete am Boden geblieben. Die Sojus-Rakete stand infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ebenfalls nicht mehr zur Verfügung. Die europäischen Raumfahrtbehörde Esa stützte sich teils auf die US-Firma SpaceX von Elon Musk.

56 Meter hoch und 540 Tonnen schwer ist die Ariane 62, die zum Test abheben soll. Die 2 steht dabei für die zwei Booster. Die größere Variante Ariane 64 mit vier Boostern ist über 60 Meter groß und wiegt beim Start rund 900 Tonnen. Zum Vergleich: Die Falcon 9 von SpaceX ist 70 Meter hoch und wiegt 550 Tonnen. Die Nutzlasten: Die Falcon 9 schafft 8,3 Tonnen in eine niedrige Umlaufbahn, die kleinere Ariane 62 laut ESA 10,3 Tonnen, die große Schwester bis zu 21,6 Tonnen.

Die ESA und die europäische Industrie entwickeln derzeit eine neue Generation von Trägerraketen: Ariane 6. Dies folgt dem Beschluss des ESA-Rates vom Dezember 2014, die Führungsrolle Europas auf dem sich schnell wandelnden Markt für kommerzielle Startdienste aufrechtzuerhalten und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der europäischen institutionellen Missionen einzugehen.  Die teilnehmenden Staaten sind: Österreich, Belgien, Tschechische Republik, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Spanien, Schweden und Schweiz.  Auf der Welle des Erfolgs von Vega haben sich die Mitgliedstaaten auf der ESA-Ministertagung im Dezember 2014 darauf geeinigt, das leistungsstärkere Vega-C zu entwickeln.  Vega-C wird die Leistung von Vega von derzeit 1,5 t auf etwa 2,2 t in einer Referenzpolarumlaufbahn von 700 km erhöhen und damit den Missionsbedarf der europäischen institutionellen Nutzer decken, ohne dass die Kosten für Startdienste und Betrieb steigen.
Ariane 6 (l.) und Vega C - die neuen Raketen der Esa. Der Startversuch der kleinen Vega C ist Ende 2022 fehlgeschlagen. Bildrechte: ESA - D. Ducros

Gut ein Dutzend Länder waren am Bau der Ariane 6 beteiligt. Die Oberstufe der Rakete wurde im Bremer Werk des Raumfahrtkonzerns ArianeGroup montiert. Die Hauptstufe wird im französischen Ort Les Mureaux gebaut. Weitere deutsche Fertigungsstandorte sind Augsburg und Ottobrunn in Bayern. In Augsburg wurden die Tanks der Oberstufe, Tankteile der Hauptstufe sowie die Außenverkleidungen der Ariane 6 hergestellt, in Ottobrunn Triebwerke und Schubkammern. Hier liegt auch einer der Vorteile der neuen Rakete, denn die Triebwerke der Orbitalstufe können im Weltall mehrfach zünden und so Nutzlast besser und genauer an die vorgeschriebenen Positionen bringen.

"Auch viele wichtige Teile des Ariane-6-Startplatzes in Kourou wurden von deutschen Unternehmen gefertigt. Die Ariane 6 ist damit ein Beleg dafür, dass deutsche Technologie und Know-how im Trägersektor unverzichtbar sind", so DLR Vorstand Pelzer. Dazu gehört auch der 650 Tonnen schwere Starttisch, von dem die Ariane 6, wenn alles klappt, abheben soll.

dpa, dlr, esa, gp

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 09. Juli 2024 | 09:20 Uhr

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