Nizar Ibrahim in der Sahara 3 min
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Silbersalz-Festival Dinosaurier in Afrika: Warum sie für die Wissenschaft oft unentdeckt bleiben

31. Oktober 2024, 06:00 Uhr

In Afrika schlummern zahlreiche Dinosaurierfossilien, die unser bisheriges Verständnis der Urzeittiere auf den Kopf stellen könnten. Nur bleiben sie für die Wissenschaft oft unentdeckt. Paläontologe Nizar Ibrahim erklärt beim Silbersalz-Festival, warum Ungleichheit und Armut, den Erhalt wertvoller Fossilienfunde bedrohen und wie die Unterstützung lokaler Communities helfen kann. MDR Wissen hat vorab mit ihm gesprochen.

Junge Frau mit langen, braunen Haaren gelben Mantel, lacht und blickt mit leicht gesenktem Kopf in Kamera
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Für ihn gab es nie etwas anderes: Schon mit fünf war Nizar Ibrahim begeisterter Dinosaurierforscher, träumte von spannenden Fossilienfunden und Abenteuern in entlegenen Winkeln des Planeten. Mittlerweile ist er erwachsenen und hat genau das: Er ist Paläontologe und vergleichender Anatom und arbeitet als Senior Lecturer an der University of Portsmouth, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Carnegie Museum of Natural History (USA) und Gastwissenschaftler an der University of Detroit Mercy. Dort gibt er Vorlesungen, erforscht Fossilien. Immer wieder geht es aber auch an die entlegenen Orte, die er sich als Kind vorgestellt habt.

Die Sahara: Ein weißer Fleck im Dinosaurier-Universum

Ein besonderer Ort ist für ihn dabei die Sahara – die größte Trockenwüste der Erde: "Ich grabe da meistens in Gesteinsschichten, die ungefähr hundert Millionen Jahre alt sind. Und da ist man also mitten in der Wüste. Es ist oft sehr heiß, auch trocken, es gibt Sandstürme, Skorpione und so weiter, und dann gräbt man diese Fossilien aus, und das sind riesige Fischschuppen und Schädel von krokodilartigen Räubern. Und das ist dann schon unglaublich, wenn man sich dann überlegt, dass vor 100 Millionen Jahren dieser Ort ein riesiges Flusssystem war."

Nizar Ibrahim blickt über die weite Fläche der Sahara
Die Sahara ist ein besonderer Ort für den Paläontologen. Bildrechte: Kazuki Ueda

Ein Flusssystem, indem auch einst Spinosaurus – ein riesiger Raubsaurier mit einer krokodilartigen Schnauze, einem riesigen Rückensegel und einem paddelartigen Schwanz – lebte, dessen Überreste Nizar Ibrahim und sein Team vor fast zehn Jahren in Teilen gefunden haben. Die Sensation dabei war die Erkenntnis, dass der Saurier wohl ein gut angepasster Flussjäger war.

Für den Forscher mit deutsch-marokkanischen Wurzeln ein Symbol dafür, was wir noch lange nicht alles wissen und was es in Gegenden wie der Sahara noch zu entdecken gibt. "Fast alles, was wir über Dinosaurier wissen, fußt auf Entdeckungen und Museumssammlungen und Forschungseinrichtungen in Europa und den USA." Dort habe man anders als in Afrika seit Jahrzehnten Forschung betrieben.

Das bedeutet, dass unsere ganze Rekonstruktion der Welt, der Dinosaurier und eigentlich der ganzen Geschichte des Lebens ein bisschen eine westliche Perspektive ist.

Nizar Ibrahim

Zuletzt habe es tolle Entdeckungen gefiederter Dinosaurier in China gegeben, aus Afrika kenne man bisher aber hauptsächlich Fossilien aus Kolonialzeiten. "Afrika, und das ist die zweitgrößte Landmasse des Planeten, hinkt wirklich noch gewaltig hinterher." Das hat mehrere Gründe.

Die unzähmbare Wüste: Ausgrabungen mit Hindernissen

Wie viel Aufwand eine Ausgrabung in der Sahara bedeutet, weiß Nizar Ibrahim nur zu gut. Er hat mehrere Expeditionen dort geleitet: "Es gibt keine Uni-Vorlesungen, die man belegen kann, wo man irgendwie lernt, wie man das alles macht. Und das lernt man dann mit der Zeit: Wie viel Wasser braucht man? Was kann man tun, um dafür zu sorgen, dass die Leute alle möglichst in einem Stück wieder zurückkehren?" Denn einer der Gründe, warum Gegenden wie die Sahara für die Paläontologie ein weitestgehend weißer Fleck ist, ist der Ort an sich.

Nizar Ibrahim bei Ausgrabungen in der Sahara
Kein leichter Job: Nizar Ibrahim gräbt Fossilien in der Sahara aus. Bildrechte: National Geographic Italy / Nanni Fontana

Hitze, Trockenheit, Sandstürme, steile Sandhänge, zuletzt Überflutungen oder auch Entführungen von bewaffnetet Banden, militärische Sperrgebiete – auf alles müsste ein Forschungsteam eingestellt sein und das ohne ein Krankenhaus in der Nähe zu haben. Auch Skorpione und Schlangen seien ständige Begleiter, so Nizar Ibrahim. So habe er einmal im Sand zu Mittag gegessen und erst später gemerkt, dass die ganze Zeit eine Hornviper neben ihm lag: "Die hat ja die ganze Zeit im Sand neben meiner Hand gewartet, hat mir aber nichts getan."

Viel üblicher seien aber Lebensmittelvergiftungen oder Dehydrierung. Gefahren, die der Forscher einigermaßen gelassen nimmt. Es brauche eine gute Vorbereitung und manchmal einen Perspektivwechsel: "Als ich in den USA war, haben die Leute auch oft gesagt: Du gehst nach Afrika auf Dinosaurierjagd. Ist das nicht supergefährlich. Und da habe ich manchmal auch gedacht: Na ja, ihr sagt das jetzt, aber ihr wohnt hier in Detroit oder Chicago oder Baltimore, wo andauernd Schießereien stattfinden. Und ihr fahrt jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit. Da gibt es auch Risiken." Für die Forschung ist sowieso ein anderes Risiko größer. Eines, das ebenfalls den weißen Fleck in Afrika konserviert.

Das Problem Armut: Wie Fossilien zum Geschäft werden

Es ist etwas, was Nizar Ibrahim nicht selten erlebt: Grabräuber. Denn mit Dinosaurier-Fossilien lässt sich in reicheren Ländern viel Geld machen. Das habe bei den Mittelsmännern und Käufern teils schon mafiöse Strukturen angenommen, so der Paläontologe. Auch Museen würden bei den oft illegal außer Landes gebrachten Käufen mitmischen – ein großes Problem für die Wissenschaft: "Nehmen wir mal an, wir finden jetzt ein tolles, ein großes Dinosaurierskelett, fangen an mit dem Ausgraben. Aber da werden wir schon beobachtet. Irgendwo über einem Hügel ist schon jemand, der sieht, dass wir da was gefunden haben."

Nizar Ibrahim bei der Arbeit zusammen mit Mbark Fouadassi
Für die Forschenden ist auch die Fundstelle und der Kontext des Fundes besonders wichtig. Bildrechte: Andreas Jacob

Wenn die Forschenden dann das Skelett nicht auf einmal ausgraben könnten, etwa, weil Gelder fehlten oder Vorlesungen anstünden, sei das ein Problem: "Wir decken das Ganze ein bisschen mit Sand zu und sagen okay, wir kommen in drei oder vier Monaten zurück und graben den Rest dieses Skelettes aus, weil es sehr wichtig ist, dass wir den Kontext haben und genau wissen, wo jeder Knochen ist. Ich kann Ihnen dann garantieren, dass, wenn wir dann zurückkommen, alles weg sein wird." Die verschiedenen Teile des Skeletts wären dann verkauft – einzeln, denn das bringt mehr Geld. "Der Kontext ist weg. Das ist natürlich sehr, sehr frustrierend."

Den Leuten vor Ort könne man aber keinen Vorwurf machen, so der Forscher. Für viele Menschen in entlegeneren Dörfern der Wüste sei das oft das einzige Einkommen, und sie bekämen nur einen Bruchteil dessen, wofür die Fossilien schlussendlich verkauft werden. Teils würden die Leute vor Ort auch unter Druck gesetzt, den Forschenden nichts zu verraten – auch, wenn es mittlerweile immer wieder Menschen gäbe, die ihm ihre Funde zeigen und mit ihm sprechen würden. Hinzu kommt, dass nicht jeder Fund auch gleich ein "Mona-Lisa-Fundstück" ist, so Nizar Ibrahim.

Es gibt einige Fossilien, die sind so zahlreich vorhanden, – kleine Fischfossilien, die es zum Beispiel in Brasilien gibt – da werden tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes die Straßen zum Teil mit gepflastert.

Nizar Ibrahim

Das mache es aber auch schwer, die Ausfuhr zu regulieren: "Es wäre natürlich toll, wenn man jetzt spezialisierte Zollbeamte hätte, die das genau unterscheiden können und sagen: Das ist jetzt ein wichtiges, wissenschaftliches Teil und dieses hier nicht." Die dahinterliegenden Probleme – die Kommerzialisierung von Dinosauriern, das Reichtumsgefälle zwischen Käufern und Findern, Korruption – löst das aber nicht unbedingt. Das könne auch er als Paläontologe nicht lösen, so der Forscher.

Die Hilfe im Kleinen: Unterstützung der Arbeit vor Ort

Das, was er tun kann, tut er: Etwa Museumssammlungen und die Zusammenarbeit vor Ort aufbauen: "Wenn es Museen vor Ort gibt, kann das zumindest dahin wirken, dass ausländische Museen nicht mehr die ganzen Sachen bei sich ins Museum – in Frankreich oder wo auch immer bringen – sondern sagen: Okay, wir müssen mit den Wissenschaftlern vor Ort arbeiten und die bleiben auch vor Ort. Das ist vielleicht mal ein kleiner Vorteil." Und die Einheimischen könnten so auch über ihre Schätze und den Umgang mit ihnen lernen – eine Notwendigkeit, auch für Rückführungen aus Kolonialzeiten. "Aber ja, es bleibt noch viel Arbeit. Und es gibt keine wirklich einfache Lösung."

Nizar Ibrahim live erleben beim Silbersalz-Festival

Im Rahmen des Silbersalz-Festivals ist der Paläontologe am Samstag, den 02. November, für ein Filmgespräch im Pop-Up Cinema @Kaufhaus in Halle. Mehr Infos dazu finden Sie hier.

Foto des Paläontologen Nizar Ibrahim
Die Begeisterung für Dinosaurier ist geblieben. Bildrechte: Paolo Verzone

Schwarz-weiß gibt es nicht, auch nicht hinsichtlich der Kommerzialisierung von Dinosauriern. Denn, was bei den einen den Drang weckt, sich selbst einmal ein Fossil ins private Wohnzimmer zu stellen, führt bei anderen zu einer Faszination für die Forschung. Eine Faszination, die man auch Nizar Ibrahim anmerkt: "Die Geschichte des Lebens ist die spannendste, spektakulärste Geschichte, die es gibt. Und letztendlich ist es ja das, was ein Paläontologe tut. Wir rekonstruieren diese Geschichte des Lebens. Wir setzen diese unglaubliche Geschichte des Lebens zusammen" und können so Probleme von heute – das Artensterben, den Biodiversitätsverlust, den Klimawandel – verstehen. Nizar Ibrahim ist zwar erwachsen geworden, aber die Begeisterung für Dinosaurier ist geblieben.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 01. November 2024 | 16:20 Uhr

Skelettabguss von Torvosaurus tanneri, einem Fleischfresser aus der Jurazeit 4 min
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MDR KULTUR - Das Radio Do 08.08.2024 15:09Uhr 04:29 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/archaeogenetik-dna-analyse-100.html

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