Erweiterung von Schengen-Raum Grenzkontrollen entfallen – Bulgarien und Rumänien treten Schengen-Raum vollständig bei
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31. Dezember 2024, 05:00 Uhr
Ab 1. Januar gehören Bulgarien und Rumänien vollständig zum Schengen-Raum. Damit entfallen die Passkontrollen an ihren Binnengrenzen. Im März hatten die beiden Länder schon eine Light-Version von Schengen erhalten: Damals wurden die Passkontrollen für EU-Reisende an ihren Flughäfen abgeschafft.
- Jahrelanger Widerstand von westlichen Schengen-Mitgliedern
- Euroskepsis in Rumänien und Bulgarien im Aufwind
- Wirtschaftsbranche setzt große Hoffnungen auf Beitritt
Bulgarien und Rumänien gehören ab 1. Januar 2025 vollständig zum Schengen-Raum. Schon im März waren die Kontrollen an den Luft- und Seebinnengrenzen zu und zwischen den beiden Ländern abgeschafft worden – eine Art Schengen-light. Nun fallen auch die Kontrollen auf dem Landweg weg.
Im Gegenzug für den Beitritt zum Schengen-Raum müssen Rumänien und Bulgarien technische Beitrittskriterien erfüllen: einheitliche Kontrollstandards an ihren Grenzen umsetzen und eine Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden der Schengen-Länder garantieren.
Jahrelanger Widerstand – erst von Berlin und Paris und später aus Wien
Dass die Aufnahme ausschließlich an technische Kriterien gekoppelt ist, kommt nicht von ungefähr. Sie können eindeutig überprüft werden, wenn es darum geht, dass die EU-Staats- und Regierungschefs über den Beitritt von Bewerbern abstimmen. Das Votum muss einstimmig erfolgen.
Doch genau dieses Vorgehen wurde bei der Schengen-Aufnahme Rumäniens und Bulgariens außer Kraft gesetzt. Geplant war ihr Beitritt schon 2011, doch scheiterte er erst am Widerstand von Deutschland, Frankreich sowie den Niederlanden und später am Veto Österreichs. Die Regierungen in Berlin, Paris, Amsterdam oder Wien monierten jahrelang, dass die beiden 2007 der EU beigetretenen Länder nicht entschieden genug gegen Korruption vorgehen und die Grenzen nicht ausreichend gegen illegale Migration schützen würden. Wiederholt war von westlichen Regierungen zu hören, was nütze die modernste Grenztechnik, wenn sie von korrupten Beamten bedient würde.
Schengen-Raum Der Schengen-Raum soll uneingeschränkten Personenverkehr in Europa gewährleisten. Das Abkommen dazu gibt es seit 1995. Mit Bulgarien und Rumänien gehören ab 1. Januar 2025 insgesamt 29 Länder zum Schengen-Raum.
Anti-westliche Propaganda in Bulgarien und Rumänien im Aufwind
Dass die Aufnahme nicht nur – wie per Abkommen vereinbart – an technische Bedingungen gekoppelt wurde, sorgte in beiden Ländern für Frust. Der rumänische Politikwissenschaftler Armand Gosu sagte auf Anfrage von MDR AKTUELL, der jahrelange Aufschub habe zu wachsender Euroskepsis geführt. So machten in Rumänien inzwischen rechtspopulistische Parteien "Stimmung gegen den Westen und gegen die EU, sehr zum Wohlwollen Russlands".
Warum Österreich – auch auf Drängen der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft – seinen Widerstand inzwischen aufgegeben hat, ist unklar. "Fest steht nur", sagt der Bukarester Politikwissenschaftler Gosu, "das die Aufnahme jetzt erfolgt, wo Rumänien seinen Anti-Korruptionskampf, seine Strukturreformen und die Reform seines Justizsystems völlig vernachlässigt."
Wirtschaft hofft auf starke Impulse
Jubelstimmung herrscht dagegen in der bulgarischen und rumänischen Wirtschaft, dass die beiden Länder vom neuen Jahr an vollständig zum Schengen-Raum gehören. Bislang war es an ihren EU-Binnengrenzen zu kilometerlangen Lkw-Staus gekommen. Die Folge: lange Wartezeiten, hoher Spritverbrauch, verspätete Lieferungen. Der rumänische Gütertransport-Verband bezifferte die daraus resultierenden Verluste für die einheimische Wirtschaft auf jährlich 2,3 Milliarden Euro. Damit, so hofft der Verband, wird nun Schluss sein.
Hinzu kommt: Der Beitritt zum Schengen-Raum kurbelt für gewöhnlich das Wirtschaftswachstum an. Das zeigen die Schengen-Beitrittserfahrungen anderer Länder. Die Weltbank geht in jüngsten Berechnungen davon aus, dass Rumänien und Bulgarien mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 0,5 bis einem Prozent rechnen können. Auch werden weitere ausländische Direktinvestitionen erwartet – jetzt, wo es sich leichter von und nach Rumänien und Bulgarien reisen lässt.
Ungarn besteht auf stichprobenartigen Kontrollen
Doch beim Happy End der Beitrittsgeschichte gibt es Abstriche. Ungarn und Österreich bestehen darauf, dass die Grenzpolizei an den Binnengrenzen zu und zwischen Rumänien und Bulgarien stichprobenartig weiter kontrolliert. Ein entsprechendes Abkommen wurde im November zwischen Bukarest, Sofia, Wien und Budapest ausgehandelt. Man wolle damit möglichen neuen Migrationsrouten vorbeugen, heißt es zur Begründung aus Budapest. Die Regelung soll für ein halbes Jahr gelten, mit der Option, sie verlängern zu können.
(amue, kar)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 01. Januar 2025 | 06:00 Uhr