die US-Flagge
Am 9. Mai 2022 unterschrieb Joe Biden das "Ukraine-Demokratie-Verteidigungs-Leih-Lease-Gesetz". Bildrechte: IMAGO/UPI Photo

Ukraine-Krieg Lend-Lease-Act: Verleihen die USA Waffen an die Ukraine?

18. Januar 2023, 12:18 Uhr

Um der Ukraine zu helfen, unterzeichnete US-Präsident Joe Biden den "Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act", das "Ukraine-Demokratie-Verteidigungs-Leih-und-Pacht-Gesetz". Es sorgte für viel Verwirrung. Ein MDR AKTUELL-Nutzer fragt sich daher: "Ist es wahr, dass die USA Waffen an die Ukraine nicht schenken, sondern verleasen?".

Es ist der 9. Mai 2022. Joe Biden unterschreibt im Oval Office ein neues Gesetz, das – übersetzt – "Ukraine-Demokratie-Verteidigungs-Leih-und-Pacht-Gesetz". Der Zeitpunkt sei mit Bedacht gewählt, unmittelbar nach dem Gedenktag zum Sieg über Hitler-Deutschland, erklärt der US-Präsident. Und es ist das Datum, an dem 1950 mit der Schumann-Erklärung die Idee für ein vereintes Europa geboren wurde.

"Dieses Gesetz wird ein weiteres wichtiges Werkzeug in unserem Bemühen sein, die Regierung und die Menschen in der Ukraine in ihrem Kampf für Demokratie, ihr Land und gegen Putins Krieg zu unterstützen. Und der ist brutal", so Biden.

Titel suggeriert Verleihung von Waffen

"Lend-Lease-Act", "Leih-und-Pacht-Gesetz": Der Titel suggeriert, dass die USA der Ukraine Waffen und Militärgerät nur leihen beziehungsweise gegen Geld leasen. Und genau das wird von kremlnahen Quellen im Internet, wie beispielsweise dem sogenannten "Anti-Spiegel"-Blog, auch seit Monaten behauptet. Aber: "Das stimmt nicht", sagt Garret Martin, Co-Direktor des Transatlantik-Instituts an der American University in Washington.

"Dieses Gesetz hat viel Aufmerksamkeit bekommen und auch für viel Verwirrung gesorgt. Aber es war vor allem ein symbolischer Akt, um zu sagen, die USA haben ein großes Interesse daran, der Ukraine zu helfen und wir sind auch bereit, substantielle militärische Hilfe zu leisten, damit die Ukraine diesen Krieg nicht verliert", ergänzt John Herbst, ehemaliger US-Botschafter für die Ukraine.

Missverständnis durch früheres Gesetz

Ein Grund für die Missverständnisse, meint der Ex-Botschafter, sei das historische Vorbild: 1941, während des Zweiten Weltkriegs, unterzeichnete der damalige Präsident Franklin D. Roosevelt ein ähnliches Gesetz. Es besiegelte letztlich das Ende der amerikanischen Neutralität. Und es ermöglichte schnelle Hilfe für westliche Alliierte wie Großbritannien, aber auch für die Sowjetunion.

Damals hätten die Amerikaner vor allem Lebensmittel, Treibstoff und Munition, aber auch Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe geschickt, insgesamt Hilfen in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar, was heute etwa einer Billion US-Dollar entspricht, erklärt Transatlantik-Experte Martin: "Die Idee war: Du lieferst Equipment und bekommst es irgendwann zurück. Aber es war auch schon damals sehr großzügig, weil auch damals schon galt, was zerstört auf dem Schlachtfeld wird, musst Du auch nicht zurückzahlen. Und die Zahlungen für das, was behalten wurde, wurden über einen sehr langen Zeitraum gestreckt."

Leih-Lease-Gesetz verzichtet auf Rückgabe binnen fünf Jahren

In der jetzigen Fassung des Leih-Lease-Gesetzes wird beispielsweise auf die Rückgabe-Verpflichtung binnen fünf Jahren ausdrücklich verzichtet. Oder darauf, dass die Ukraine oder andere Nutznießer des Gesetzes für das Leasing bezahlen müssen.

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Und es senke die sonst geltenden bürokratischen Hürden bei Waffenlieferungen, sagt Ex-Botschafter Herbst: "Es gibt viele Regeln und Bestimmungen für Waffenlieferungen. Und die machen generell natürlich auch Sinn. Aber sie können die Dinge auch verlangsamen. Und wenn man bedenkt, dass die Ukraine einer brutalen großen Invasion ausgesetzt ist, gab es das Verständnis, dass man die Dinge manchmal beschleunigen muss." Und das könne das Leih-Lease-Gesetz leisten.

Lend-Lease-Act wurde noch nicht angewandt

Aber noch viel entscheidender ist laut Martin: Noch wurde der Lend-Lease-Act gar nicht angewandt. Alle bisherige Unterstützung für die Ukraine lief über ausdrücklich vom US-Kongress für diesen Zweck bereitgestellte Mittel. "Diese bisherigen Hilfspakete geben dem Präsidenten große Freiheit dabei, den Kongress einfach darüber zu informieren, welches amerikanische Equipment er der Ukraine schicken will. Und das geschieht ohne Kosten für die Ukraine selbst."

Für die Ukraine heißt das allerdings auch, sie bekommt nicht unbedingt das, was sie sich wünscht. Sondern das, was die USA bereit sind, zur Verfügung zu stellen. Vor allem mit der Entscheidung, die von Kiew heißbegehrten Patriot-Flugabwehr-Systeme bereitzustellen, tat sich Washington sehr lange schwer.

Seit Kriegsbeginn über 100 Milliarden Dollar Hilfen

Insgesamt hat der Kongress seit Kriegsbeginn über 100 Milliarden an Hilfen für die Ukraine bereitgestellt, für Waffen, humanitäre Hilfe, Direkthilfen für die ukrainische Regierung und später für den Wiederaufbau. Aber nur ein Bruchteil ist bislang auch schon geflossen. An US-Militärhilfen waren es seit August 2021 gut 15 Milliarden US-Dollar, zuletzt beispielsweise für 50 Bradley-Panzer und zusätzliche Munition für das HIMARS-Raketenwerfer.

Auch das Leih-Lease-Gesetz könne noch zum Einsatz kommen, meint Experte Martin. Etwa wenn der Kongress keine zusätzlichen Haushaltsmittel für die Ukraine bereitstellen will, was angesichts der neuen republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus nicht ganz unwahrscheinlich ist.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. Januar 2023 | 06:00 Uhr

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