Nahost-Krieg Ranghohes Hamas-Mitglied im Libanon getötet
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03. Januar 2024, 16:20 Uhr
In Beirut ist ein führendes Mitglied der islamistischen Hamas bei einer Explosion ums Leben gekommen. Die Terrororganisation bestätigte den Tod von Saleh al-Aruri. Das israelische Militär wollte den Vorfall nicht kommentieren.
- Israel greift auch Ziele im Libanon und in Syrien an
- Ermittlungen gegen israelischen Soldaten
- Urteil gegen Justizreform empört israelische Regierungskoalition
Die Nummer zwei der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas ist am Dienstag nach Angaben mehrerer Quellen bei einem Israel zugeschriebenen Drohnenangriff in einem Vorort von Beirut getötet worden. Das gaben zwei libanesische Sicherheitsvertreter und die Hamas am Abend bekannt. Saleh al-Aruri sei zusammen mit seinen Leibwächtern bei dem Angriff auf das Hamas-Büro südlich von Beirut getötet worden, sagte ein ranghoher libanesischer Sicherheitsvertreter der Nachrichtenagentur AFP. Das Gebiet gilt als Hochburg der Hisbollah. Die israelische Armee bestätigte den Angriff zunächst nicht.
Die Hamas berichtete in ihren offiziellen Medien von der "Ermordung" al-Aruris. "Der Vize-Präsident des Politbüros der Hamas, Scheich Saleh al-Aruri, wurde bei einem zionistischen Angriff in Beirut zum Märtyrer", gab die Hamas auf ihrem offiziellen Fernsehkanal, al-Aksa TV, und in ihren anderen Medien bekannt. Auch zwei Chefs der Essedin al-Kassam-Brigaden, dem militärischen Flügel der Hamas, seien getötet worden.
Al-Aruri, den Israel als Drahtzieher von Anschlägen im Westjordanland sah, galt schon länger als mögliches Ziel für einen Anschlag. Israel und die Hamas hatten im Sommer – schon vor Beginn ihres laufenden Kriegs – Drohungen ausgetauscht. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte dabei, Al-Aruri wisse "sehr genau, warum er und seine Freunde sich versteckt halten".
Bericht: Aktuell keine Verhandlungen über Geisel-Abkommen
Die Hamas gibt Israel die Schuld für den Angriff. Er beweist nach Darstellung der Terror-Organisation ein "katastrophales Versagen" Israels, seine Kriegsziele im Gazastreifen zu erreichen. Der bewaffnete Arm der Fatah-Partei des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas im Westjordanland teilte mit, die Al-Aksa-Brigaden trauerten um den Getöteten. Sie drohten, auf "alle Verbrechen des Feindes gegen unser Volk zu reagieren" – ohne Israel namentlich zu erwähnen. Aus Kreisen der Hamas hieß es zudem, es habe in Beirut ein Treffen der palästinensischen Fraktionen gegeben. Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje verurteilte "die Ermordung Aruris". Sie sei ein Verbrechen und werde Konsequenzen haben.
Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete am Dienstagabend, dass die Verhandlungen über ein mögliches neues Geisel-Abkommen zwischen Israel und der Hamas nach der mutmaßlichen Tötung von Al-Aruri zum Stillstand gekommen seien. Die Gespräche konzentrierten sich nun darauf, eine Eskalation zwischen Israel und dem Libanon zu verhindern. Das "Attentat" habe die Situation verändert. Fortschritte, um einen weiteren Geisel-Deal zu erreichen, seien derzeit nicht mehr möglich, meldete die Zeitung.
Ziele im Libanon und in Syrien attackiert
Als Reaktion auf Raketenbeschuss griff das israelische Militär nach eigenen Angaben am Dienstag zudem Ziele der Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon an. Der Angriff habe in der Gegend der südlibanesischen Stadt Yaroun stattgefunden. Die Hisbollah teilte mit, sie habe israelische Einheiten bei dem nordisraelischen Dorf Sarit beschossen.
Syrische Staatsmedien berichteten unterdessen, dass Israel Ziele in der Nähe der Hauptstadt Damaskus angegriffen hat. Die Angriffe hätten "Sachschäden" verursacht.
Auch der Gazastreifen steht unter Beschuss
Israel setzt zudem seine Angriffe im gesamten Gazastreifen fort. Israelische Soldaten hätten "Dutzende" teilweise mit Sprengstoff ausgerüstete "Terroristen getötet", teilte die Armee mit. In Chan Junis hätten die Truppen ein Waffenlager gestürmt und Abschussrampen für Raketen mit großer Reichweite entdeckt.
Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von nächtlichen Raketenangriffen auf die Stadt Rafah im Süden und von Granatenbeschuss der Flüchtlingssiedlung Dschabalija im Norden des von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Palästinensergebiets. Kämpfe wurden zudem aus Flüchtlingssiedlungen im Zentrum des Gazastreifens gemeldet.
Der von der islamistischen Terror-Organisation Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde zufolge sollen bisher 22.185 Bewohner des Gazastreifens seit Kriegsbeginn getötet worden sein. Die Zahl der Verletzten belaufe sich auf 57.035 Menschen. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht überprüfen.
Ermittlungen gegen israelischen Soldaten
Das israelische Militär gab des Weiteren eine Ermittlung gegen einen ihrer Soldaten bekannt. Diese stehe im Zusammenhang mit der Tötung eines festgenommenen Palästinensers im Gazastreifen. Der Soldat werde verdächtigt, den Palästinenser erschossen zu haben, als sich dieser wegen Terrorismusverdachts in israelischem Gewahrsam befand, teilte die Armee in einer Erklärung mit.
Die Hamas beschuldigt Israel zudem im Gazastreifen seit Kriegsbeginn mindestens 137 Menschen unrechtmäßig "hingerichtet" zu haben und verlangt eine internationale Untersuchung dazu.
Das UN-Hochkomissariat für Menschenrechte hatte Israel im Dezember dazu aufgerufen, wegen "möglicher Begehung eines Kriegsverbrechens" durch seine Soldaten zu ermitteln, nachdem es Berichte über die Tötung von mindestens "elf unbewaffneten palästinensischen Männern" in der Stadt Gaza gegeben habe. Israel wies die Vorwürfe als "Verleumdung" zurück und warf der UN Parteilichkeit vor. Bei einem Einsatz Mitte Dezember hatte die israelische Armee zudem versehentlich drei israelische Geiseln getötet.
Urteil gegen israelische Justizfeform
Neben dem Krieg gegen die Hamas beschäftigt Israel aber noch eine innenpolitische Lage: Am Montag kippte Israels Oberstes Gericht ein Kernelement der umstrittenen Justizreform. Die Richter hatten die im Juli vom Parlament verabschiedete Aufhebung der Angemessenheitsklausel für ungültig erklärt, die die Machtbefugnisse des Gerichts deutlich einschränken sollte.
Mitglieder der israelischen Regierungskoalition warfen dem Gericht infolge dessen rechtswidriges und unverantwortliches Handeln vor. Justizminister Jariv Levin erklärte, dass die Entscheidung die Regierung nicht aufhalten werde und kritisierte den Zeitpunkt des Urteils. Das Gericht zeige "das Gegenteil von dem Geist der Einheit, der in diesen Tagen für den Erfolg unserer Soldaten an der Front erforderlich ist". Auch die Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte Medienberichten zufolge, die Entscheidung des Gerichts stehe "dem Willen des Volkes zur Einheit entgegen, insbesondere in Kriegszeiten".
Krieg seit dem 9. Oktober
Israel und die Hamas befinden sich seit fast drei Monaten im Krieg. Auslöser war ein Großangriff der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel, bei dem am 7. Oktober rund 1.140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Am Montagabend meldete die Regierung in Budapest den Tod des am 7. Oktober verschleppten Staatsangehörigen Ilan Weiss, dessen Leiche zwischenzeitlich entdeckt wurde.
afp,dpa,kna (lik)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 02. Januar 2024 | 16:00 Uhr