Brüssel EU-Gipfel beschließt neue Sanktionen gegen Iran
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18. April 2024, 11:44 Uhr
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben nach dem iranischen Angriff auf Israel eine Verschärfung der Sanktionen gegen die Islamische Republik beschlossen. Die neuen Strafmaßnahmen sollen sich gegen Unternehmen richten, die an der Produktion von Drohnen und Raketen beteiligt sind.
- EU-Ratspräsident Charles Michel: "müssen Iran isolieren"
- Regierungschefs sehen Notwendigkeit weiterer Strafmaßnahmen
- Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt sich zunächst zurückhaltend
- Deutschland ist wichtigster Handelspartner des Iran in der EU
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel darauf verständigt, die Sanktionen gegen den Iran auszuweiten. "Die EU wird weitere restriktive Maßnahmen gegen Iran ergreifen, insbesondere in Bezug auf unbemannte Luftfahrzeuge (UAVs) und Raketen", heißt es in der Gipfel-Erklärung, die in der Nacht zum Donnerstag verabschiedet wurde. "Wir müssen den Iran isolieren", sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. Ähnlich äußerte sich auch Außenministerin Annalena Baerbock am Donnerstag am Rande des Treffens der Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri. Baerbock fügte hinzu: "Da tragen wir alle eine Verantwortung." Bei den bis Freitag dauernden Beratungen werde es auch um weitere Maßnahmen gegen den Iran gehen, sagte die Ministerin.
Man fordere alle Parteien nachdrücklich auf, äußerste Zurückhaltung zu üben und keine Maßnahmen zu ergreifen, die die Spannungen in der Region verstärken könnten, heißt es außerdem in einer in der Nacht zum Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel veröffentlichten Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Die EU bleibe weiter dem Ziel verpflichtet, zu einer Deeskalation in der Region beizutragen.
Sanktionen gegen Unternehmen, die an Herstellung von Drohnen und Raketen beteiligt sind
Die Vertreter mehrerer Mitgliedstaaten hatten eingangs die Notwendigkeit weiterer Strafmaßnahmen infolge des iranischen Angriffs auf Israel am vergangenen Wochenende betont. Wie diese genau aussehen sollen, blieb zunächst unklar. Michel zufolge soll der Fokus auf Unternehmen liegen, die an der Herstellung von Drohnen und Raketen für den Iran beteiligt sind. "Das ist ein klares Zeichen, das wir senden wollen", sagte der Ratspräsident.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich dabei für eine Verknüpfung der Sanktionen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt ausgesprochen: Die EU müsse all jene sanktionieren, die an der Herstellung von Raketen und Drohnen beteiligt sind, die für Angriffe sowohl auf die Ukraine als auch auf Israel verwendet werden, sagte der französische Staatschef.
Iran hatte Israel in der Nacht zum Sonntag angegriffen
Der Vorschlag einer Sanktionierung der iranischen Revolutionsgarden, den etwa Belgiens Regierungschef Alexander De Croo vorgebracht hatte, wurde offenbar zunächst nicht konkret weiterverfolgt. Unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich hier zurückhaltend gezeigt und auf komplexe "juristische Prozesse" verwiesen, die dafür notwendig seien.
Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag erstmals von seinem Staatsgebiet aus Israel direkt angegriffen. Nach israelischen Angaben wurden fast alle der mehr als 300 vom Iran abgefeuerten Drohnen und Raketen abgewehrt, unter Mithilfe unter anderem der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens. Das iranische Regime unterstützt sowohl die radikale Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen, gegen die Israel seit mehr als einem halben Jahr Krieg führt, als auch die Hisbollah-Miliz im Libanon.
Deutschland als wichtigster Handelspartner des Iran in der EU
Deutschland ist der wichtigste Handelspartner des Iran innerhalb der Europäischen Union. Das Volumen aber ging im vergangenen Jahr deutlich zurück. Ein Überblick:
Handelsbeziehungen
Die deutsch-iranischen Handelsbeziehungen waren lange eng. Im vergangenen Jahr lag das Außenhandelsvolumen nach Angaben des Auswärtigen Amts aber nur noch bei rund 1,44 Milliarden Euro und damit 40 Prozent unter dem Niveau von 2015 – obwohl damals noch deutlich härtere EU-Sanktionen in Kraft waren. Die deutschen Exporte in den Iran beliefen sich demnach 2023 auf rund 1,2 Milliarden Euro (minus 24 Prozent gegenüber 2022). Die Importe lagen bei 244 Millionen Euro, 18 Prozent weniger als im Vorjahr. Iran stand im vergangenen Jahr an 77. Stelle der deutschen Außenhandelspartner. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, legten die Exporte zu Beginn dieses Jahres zwar wieder zu, waren aber immer noch deutlich niedriger als 2022. Verglichen mit Januar und Februar 2023 wurden in diesem Jahr 22,1 Prozent mehr Waren im Wert von 241 Millionen Euro in den Iran exportiert. Die Importe sanken in diesem Zeitraum um 13,1 Prozent auf 41,2 Millionen Euro. Laut der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer (DIIHK) entfielen 30 Prozent des gesamten Iran-Handels der Europäischen Union im Jahr 2023 auf Deutschland.
Lebensmittel, Chemie und Rohstoffe
Maschinen und andere elektrotechnische Erzeugnisse machten 35 Prozent aller EU-Exporte aus. Aus dieser Gruppe wurden 2023 Waren im Wert von 1,39 Milliarden Euro aus der EU in den Iran verschifft, wie die Zahlen der DIHK zeigen. Dicht dahinter folgten chemische Erzeugnisse und mit deutlichem Abstand Fertigwaren, Lebensmittel und Rohstoffe. Den größten Posten bei den iranischen Lieferungen in die EU stellten lebende Tiere und Nahrungsmittel dar – mit einem Gesamtvolumen von 252,5 Millionen Euro. Dahinter folgten bearbeitete Waren, chemische Erzeugnisse und ebenfalls Maschinen.
Sanktionen gegen den Iran
Bis Ende 2015 galten strenge Sanktionen für den Handel mit dem Iran, die mit dem im selben Jahr geschlossenen Atomabkommen dann deutlich entschärft oder aufgehoben wurden. Der Iran verpflichtete sich im Gegenzug, sein Atomprogramm herunterzufahren und unter anderem zwei Drittel seiner Zentrifugen abzubauen, überschüssiges Uran an Russland auszuführen und den Kern eines Plutoniumreaktors unbrauchbar zu machen.
2018 gab der damalige US-Präsident Donald Trump den einseitigen Rückzug aus dem Abkommen, dem sogenannten Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplan (JCPOA), bekannt und verhängte neue Sanktionen. Seitdem reichert auch der Iran wieder Uran an und startete nukleare Experimente ohne "zivile Rechtfertigung", wie das Auswärtige Amt erklärt. Nach der gewaltsamen Unterdrückung von Protesten im Iran seit 2022 und dem Einsatz iranischer Drohnen im Krieg gegen die Ukraine verschärfte die EU ihren Ton gegenüber der iranischen Regierung deutlich und erließ Sanktionen gegen Einzelpersonen und Organisationen. Der Rat der EU einigte sich zudem auf eine Verlängerung der Sanktionen gegen den Iran im Zusammenhang mit dem Atomprogramm des Landes. Diese Strafmaßnahmen wären ursprünglich am 18. Oktober 2023 ausgelaufen.
AFP, dpa, Reuters (nvm)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 18. April 2024 | 07:13 Uhr