Unbhängigkeit von USA EU will führende KI-Kraft werden
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10. April 2025, 21:19 Uhr
Die EU will in Sachen Künstliche Intelligenz vorne mitspielen. Eine neue Strategie soll dazu führen, dass die Abhängigkeit von den USA in dieser Schlüssel- und Zukunftstechnologie abgebaut wird. Künftig soll in großem Stil in die Infrastruktur investiert werden. Experten fordern das schon lange – aber nicht jeder ist vom Brüssler Vorgehen angetan.
- Milliarden für Infrastruktur
- Europa soll unabhängiger werden
- Supercomputing-Infrastruktur stärken
- Technologische Souveränität auch für Diversity
- Noch ein weiter Weg
Zu wenig, zu vage und wenig Neues. So könnte man zusammenfassen, was der KI-Bundesverband von den Plänen der Europäischen Union hält. Nachdem die EU-Kommission den "AI Continent Action Plan", also den kontinentalen KI-Aktionsplan, vorgestellt hatte, kommentierte Verbandschef Jörg Bienert, die europäische KI-Branche brauche keine weiteren Ankündigungen bereits bekannter Maßnahmen und kleinteiliger Einzelstrategien. Nötig seien funktionierende Förder- und Vergabeverfahren, die mit der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung Schritt halten könnten.
Milliarden für Infrastruktur
Diese Entwicklung aber hat in den vergangenen Jahren woanders auf der Welt stattgefunden, nämlich ganz überwiegend in den USA und in China. Jetzt will die EU Milliarden von Euro in Infrastruktur stecken, in die Entwicklung von Chips, in Supercomputer, in Cloud-Dienste. Bereiche also, in denen Deutschland und Europa bislang ziemlich blank sind. Das sagt Feiyu Xu, eine führende KI-Expertin: "Was das Öko-System angeht, wir sind am Ende der Wertschöpfungskette und decken nicht alles ab. Unsere digitale Infrastruktur ist nicht vollständig. Das ist die große Herausforderung."
Bedeutet: So gut wie alles, was auf unserem Kontinent mit KI zu tun hat, ist ohne die großen Konzerne in den USA nicht denkbar. Zu nennen sind da die sogenannten Hyperscaler, also die Clouddienste vor allem von Amazon, Microsoft und Google. Die sind in der Lage, je nach Bedarf enorme Mengen an Rechen-, Speicher- oder Netzwerkressourcen zur Verfügung zu stellen.
Europa soll unabhängiger werden
Xu macht sich schon lange dafür stark, dass sich Europa hier unabhängiger macht. Die Ereignisse um die neue Trump-Regierung würden zeigen, dass Europa viel unabhängiger werden müsse, auch im Verteidigungsbereich. Man könne ja nicht die Hyperscaler in den USA nehmen für unsere digitale Infrastruktur, warnt Xu: "Wenn die von heute auf morgen abschalten, sind wir verloren. Wir brauchen die digitale Infrastruktur, den gesamten Stack, um uns unabhängig, konkurrenzfähig und sicher zu machen. Es geht ums Überleben."
Supercomputing-Infrastruktur stärken
Die EU hat den Handlungsbedarf erkannt und will die KI- und Supercomputing-Infrastruktur in Europa stärken. So soll etwa ein Netzwerk von KI-Fabriken entstehen, die beste Voraussetzungen für das Training von künstlicher Intelligenz bieten. Eine davon entsteht im Forschungszentrum Jülich, wo man sich außerdem große Chancen ausrechnet, bald zu einer europäischen Gigafabrik zu werden. Fünf solcher Gigafabriken mit noch mehr Rechen- und Speicherkapazitäten will die EU an den Start bringen.
In Jülich hatte eine Forschungsgruppe zuletzt ein deutsch-europäisches KI-Sprachmodell trainiert. Open GPT-X heißt das Projekt, das Chat GPT und Deepseek Konkurrenz machen soll. Europäische Konkurrenz, denn das Sprachmodell ist nicht nur mit Englisch, sondern mit allen 24 Amtssprachen der EU trainiert worden.
Technologische Souveränität auch für Diversity
Einer der Verantwortlichen ist Christoph Schmidt vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme. Mit Blick auf die Angebote aus den USA sagt er: "Wichtig in den Modellen sind ja auch kulturelle und ethische Aspekte. Wir sehen jetzt zum Beispiel, dass in den USA komplett 'Diversity' aufgelöst und aufgerollt wird. Und dann ist die Frage für uns als EU: Möchten wir das so?"
Wenn Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion im amerikanischen Kulturraum an Bedeutung verlieren, tragen die Sprachmodelle das aus Sicht von Schmidt auch zu uns nach Europa: "Und deswegen finde ich, dass dieses Thema 'Technologische Souveränität' viel, viel wichtiger wird, auf dem deutschen Level, aber auch auf dem europäischen Level. Wir brauchen ein eigenes Standbein, um Modelle zu haben, die zum Beispiel unseren Guidelines und unseren Standards entsprechen."
Noch ein weiter Weg
Bis die EU und Deutschland so weit sind, ist es aber noch ein weiter Weg. Nach Auffassung der KI-Expertin Xu ist es aber ein Weg, der sich lohnt: "Ich denke, es ist nie zu spät." Wenn man sehe, wie es China in den vergangenen 20 Jahren geschafft habe, Nummer 2 in der KI zu werden. Deutschland sei ja führend in KI-Forschung und Innovationen, in der Robotik gewesen. "Es ist nie zu spät. Nur: Wir brauchen eine Industriepolitik für eine holistische KI- und Digital-Infrastruktur, wir brauchen gemeinsamen Anstrengungen. Und dann: Arbeiten und Talente anziehen – und Talent belohnen."
MDR (dni)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 10. April 2025 | 12:24 Uhr