Covid-19 Warum vielen Ukrainern eine Impfung verweigert wird
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27. November 2021, 04:44 Uhr
Ein großer Teil der ukrainischen Impfnachweise könnte nach offiziellen Angaben gefälscht sein. Am Rande der bisher schwersten Covid-Welle wollen sich einige ungeimpfte Menschen, die über ein falsches Zertifikat verfügen, doch noch impfen lassen. Das dürfen sie allerdings nicht, denn in einer einheitlichen Datenbank werden sie bereits als geimpft geführt. Was nun?
Die Ukraine hat eine der niedrigsten Impfquoten in ganz Europa. Nur 23 Prozent der Einwohner sind derzeit doppelt geimpft. Dabei ist es für die Ukrainerinnen und Ukrainer anders als am Anfang des Jahres kein Problem mehr, auch an die Impfstoffe von Biontech/Pfizer oder Moderna zu kommen. Nun gelten seit einigen Wochen in den meisten Regionen des Landes 3G-ähnliche Regeln, was offenbar mehr Menschen dazu bewegt, sich doch noch immunisieren zu lassen.
Gutschein für Geimpfte
Der Regierung geht das allerdings nicht schnell genug. Deshalb will Präsident Wolodymyr Selenskyj ab Ende Dezember 1.000 Hrywnja, umgerechnet 35 Euro, einmalig an alle Geimpften zahlen. Allerdings nicht als Geld, sondern als Gutschein in einer Staatsdienstleistungs-App, der dann beispielsweise für Kino- oder Theaterbesuche benutzt werden kann. Dadurch will die Regierung gleichzeitig die besonders von der Pandemie betroffenen Wirtschaftsbereiche unterstützen.
Gefälschte Impfzertifikate werden zum Massenproblem
Eine heikle Frage ist allerdings, ob die ukrainische Impfstatistik überhaupt stimmt. Bereits vor einigen Wochen sorgte der Chef des Verbraucherschutzes von Kiew, Oleh Ruban, für Schlagzeilen als er das anzweifelte. Nach seinen Einschätzungen könnten bis zu zehn Prozent der Impfnachweise in der ukrainischen Hauptstadt gefälscht sein. Eine repräsentative Umfrage des Ukrainischen Zukunftsinstitutes kommt auf rund zehn Prozent Ukrainerinnen und Ukrainer, die jemanden kennen, der sich einen gefälschten Impfnachweis sicherte. Zudem spricht das ukrainische Gesundheitsministerium von mehr als 210.000 Meldungen über Fälschungen, die bereits bei der Behörde eingegangen seien.
Aus europäischer Sicht sind diese Schätzungen deswegen brisant, weil es überwiegend um die von der EU anerkannten Covid-Zertifikate handelt – anders als etwa in Russland, das grundsätzlich ähnliche Probleme hat, dessen Impfstoff Sputnik V aber in den meisten EU-Ländern nicht akzeptiert wird. Aus ukrainischer Sicht gibt es jedoch ein weiteres Problem: Seit Wochen erlebt die Ukraine ihre bisher schwerste Corona-Welle, die allerdings nun wieder etwas abflacht. Gleichzeitig wächst auch die Anzahl der Personen, die sich ein gefälschtes Zertifikat kauften und sich trotzdem doch noch impfen wollen.
"Covid-Amnestie" von Gesundheitsministerium und Polizei
Im Moment geht das allerdings nicht. Denn für Corona-Impfungen gibt es in der Ukraine eine einheitliche Datenbank. Wer dort registriert ist, darf nicht erneut geimpft werden. Das wird nun all jenen zum Verhängnis, die ihren Hausarzt bestochen haben, sie in die Datenbank einzutragen, obwohl sie nicht geimpft sind. Sie können sich, bei einem Sinneswandel, nicht impfen lassen. Das will das Gesundheitsministerium mit der sogenannten "Covid-Amnestie" ändern. Wer sich bei seinem Hausarzt meldet und erzählt, wo er das Zertifikat gekauft hat, darf trotzdem geimpft werden. Dann allerdings beginnt die Polizei zu ermitteln.
Zwischen dem Gesundheitsministerium und der Justiz gibt es allerdings noch Meinungsverschiedenheiten, ob alle Inhaberinnen und Inhaber gefälschter Impfnachweise am Ende straffrei bleiben – oder nur jene, die diese nicht benutzt haben. Wie das aber nachgewiesen werden soll, ist vollkommen unklar. In der Praxis werden die entsprechenden QR-Codes nur von der Polizei gescannt, was wiederum äußerst selten passiert. Klar ist aber, dass die Covid-Amnestie wohl noch vor Jahresende offiziell verabschiedet wird.
Anonymes Impfzentrum in Transkarpatien
Während an den letzten Details des sogenannten Amnestieprogramms noch gebastelt wird, gibt es bereits erste private Initiativen, die Leute mit gefälschten Impfzertifikaten zu einer Immunisierung verhelfen. So wurde im westukrainischen Transkarpatien ein anonymes Impfzentrum eröffnet, das neben Menschen, die ihren Impfstatus aus religiösen oder familiären Gründen nicht preisgeben möchte, auch Personen mit gekauften Impfnachweisen impft. Ganz im Sinne des Gesundheitsministeriums ist das nicht: Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko zufolge darf diese Prozedur keinesfalls anonym verlaufen, denn so würde sie das Ziel verfehlen, korrupten Ärzten auf die Spur zu kommen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 04. November 2021 | 17:45 Uhr