Ein Mann in Anzug steht vor verschiedenen Nationalflaggen an einem Redner*innenpult.
Nach zwei Mandaten tritt der rumäniendeutsche Präsident Klaus Iohannis nicht wieder an. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Präsidenschaftswahl Rumänien Warum die Rumänen von ihrem deutschstämmigen Präsidenten enttäuscht sind

24. November 2024, 15:14 Uhr

Rumänien ist am Sonntag aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen, doch möglicherweise wird die Entscheidung erst bei einer Stichwahl in zwei Wochen fallen. Nach zwei Mandaten darf der rumäniendeutsche Klaus Iohannis nicht mehr antreten. Viele, die ihn enthusiastisch gewählt hatten, sind inzwischen enttäuscht. Wer seine Nachfolge antritt, ist offen. Umfragen sagen einem rechtspopulistischen Kandidaten gute Chancen voraus.

"Verlässlich, ehrlich und skandalfrei", schrieb die "Bild"-Zeitung, als der Siebenbürger Sachse Klaus Iohannis vor zehn Jahren zum Präsidenten Rumäniens gewählt wurde. Iohannis gehört zur deutschsprachigen Minderheit im Land, die zwar mit 22.000 Menschen inzwischen verschwindend klein ist, ihr guter Ruf ist dagegen unverändert: Fleißig, diszipliniert und pünktlich seien die Deutschen, bekommt man in Rumänien häufig zu hören.

Der Wahlsieg des Rumäniendeutschen kam 2014 dennoch überraschend. Zwar genoss Iohannis den Ruf eines erfolgreichen Bürgermeisters – seine Heimatstadt Sibiu (dt. Hermannstadt) hatte es unter seiner Führung zur Europäischen Kulturhauptstadt gebracht, und bis heute gilt sie als attraktive Stadt für Unternehmer und Touristen. Im politischen Hauptstadt-Betrieb war der Siebenbürger Sachse Iohannis dagegen vor zehn Jahren ein Außenseiter. Ausgerechnet das bescherte dem Kandidaten der nationalliberalen Partei PNL in der Stichwahl einen beachtlichen Stimmenzuwachs vor allem bei den Exil-Rumänen, die hofften, Iohannis werde in der Heimat für frischen Wind sorgen.

Rumänischer Präsident Klaus Iohannis spricht vor EU-Parlament
Klaus Iohannis spricht vor dem EU-Parlament (2018). Bildrechte: Genevieve Engel/European Union 2018

Soziologe: "Vom eigenen Mythos verführen lassen"

Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag darf der 65-Jährige – nach zwei Mandaten – nicht mehr antreten. Er hätte bei der Abstimmung auch keine Chance mehr. Der einstige Enthusiasmus für Iohannis ist verpufft, seine Umfragewerte sind im Keller. Den Bukarester Soziologen Florin Poenaru verwundert der Stimmungswandel nicht: "Iohannis verkörperte die rumänische Sehnsucht nach deutschen Tugenden, nach einem westlichen Leben, nachdem wir hier immer streben. Wir haben uns von unserem eigenen Mythos verführen lassen."

Iohannis verkörperte die rumänische Sehnsucht nach deutschen Tugenden, nach einem westlichen Leben, nachdem wir hier immer streben.

Florin Poenaru, rumänischer Soziologe

Dass viele Rumänen hohe, teils zu hohe Erwartungen an ihren Präsidenten haben, liegt auch daran, dass sie ihn direkt wählen dürfen. In Straßenumfragen hört man häufig, dass er die Infrastruktur verbessern, mehr Jobs schaffen oder die Wirtschaft ankurbeln solle - alles Themen, für die Regierung und Parlament die Verantwortung haben, nicht aber der Präsident. Der bestimmt hingegen als Chef der Armee die Verteidigungspolitik maßgeblich mit. Außenpolitisch vertritt er das Land bei den Treffen des Europäischen Rates in Brüssel. Innenpolitisch hat er zwar das höchste Amt im Staat, aber nur wenig Macht. Er benennt den Premier, darf ihn aber nicht absetzen und das Parlament auch nur auflösen, wenn die Bildung einer Regierung mehrfach gescheitert ist.

Anhänger wollten einen hörbaren Präsidenten

"Die wichtigsten Instrumente eines rumänischen Präsidenten sind seine Glaubwürdigkeit und seine Autorität", meint Rechtsexpertin Laura Stefan vom Bukarester Think Tank "Expert Forum". Iohannis habe sie vor allem in den ersten Amtsjahren ins Spiel gebracht. So geschehen Anfang 2017. Unter dem Druck des Präsidenten und wochenlanger Straßenproteste nahm die damals regierende sozialdemokratische PSD eine umstrittene Eilverordnung zurück, die eine Begnadigung von zahlreichen korrupten Politikern vorsah. Auch im Anschluss blieb Iohannis ein unermüdlicher Gegenspieler der regierenden Sozialdemokraten, stilisierte sie zum Feindbild, was vielen seiner Anhänger gefiel.

Ein Präsident im Amt muss in Rumänien parteilos sein und darf auch keine Parteipolitik betreiben. Strikt daran gehalten hat sich seit 1989 allerdings keiner der Staatschefs, auch Iohannis nicht. In seiner zweiten Amtszeit ab 2019 hatte er seine frühere nationalliberale PNL an der Regierungsseite – in einer Koalition mit dem liberalen Reformbündnis USR. Das war eine gute Voraussetzung für den Siebenbürger Sachsen, seine Pläne von einem modernen Staat auf den Weg zu bringen. Rechtsexpertin Laura Stefan hoffte damals, dass der Anti-Korruptionskampf wieder auf Kurs gebracht wird, wie es der Staatschef vor seiner zweiten Amtszeit versprochen hatte. "Das Thema ist leider auf der Strecke geblieben. Iohannis hat sich in seinen Präsidentenpalast zurückgezogen, als ob er seine Ruhe haben wollte."

Klaus Iohannis (l), Staatspräsident von Rumänien, steht neben Laura Kövesi, damals Chefin der Antikorruptionseinheit der Staatsanwalt (DNA).
Klaus Iohannis und die damalige Leiterin der rumänischen Antikorruptionsbehörde Laura Kövesi (2017). Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland und Österreich. | Vadim Ghirda

Rumänische Presse nannte ihn "ahnungslos" und "bequem"

In der Tat gilt der Deutschstämmige, der fließend mehrere Sprachen spricht, in seiner Heimat nicht als Kommunikationstalent. Er wirkt zugeknöpft, vielen erscheint er als arrogant und meidet den Medienrummel. In den letzten Jahren hatte er nicht einmal mehr einen Pressesprecher im Präsidentenamt. "Es war ein schweigsamer und damit extrem abwesender Präsident", meint Soziologe Florin Poenaru. Je wortkarger sich Iohannis gab, desto mehr übernahm die Presse die Deutungshoheit über sein Schweigen. Er sei vermutlich "ahnungslos", "bequem", "gleichgültig" oder eine Mischung aus allem, hieß es in Kommentaren. In der Kritik stand er auch wegen kostspieliger Auslandsreisen. Der Dekan der Politikwissenschaften der SNSPA-Hochschule in Bukarest ist als einer der wenigen in diesen Tagen voller Lob für den scheidenden Staatschef: "Klaus Iohannis hat den Rechtsstaat verteidigt und vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges für Stabilität gesorgt." Spätestens im nächsten Jahr, meint Pirvulescu, würden seine Landsleute merken, "was sie an Iohannis hatten".

Anhänger sehen in Allianz mit PSD Wortbruch

Für viel Enttäuschung sorgte der Siebenbürger Sachse im Jahr 2021 mit seinen Vermittlungen für eine neue Regierung. Die PNL-USR-Koalition war inmitten der Corona-Pandemie an Führungs-Streitigkeiten auseinandergebrochen. Die Liberalen gingen daraufhin ausgerechnet mit ihrem größten politischen Gegner, der PSD, ein Regierungsbündnis ein. Als Drahtzieher für die Zweier-Koalition gilt Iohannis. Viele seiner Anhänger empfanden das nicht nur als Wort- sondern auch als Vertrauensbruch, weil der Präsident jahrelang Stimmung gegen die sozialdemokratische PSD gemacht hatte. Die Koalition führt Rumänien nun in die Wahlen. Sie hat immerhin drei Jahre gehalten – wenn auch mit vielen Konflikten.

Klaus Iohannis kommt beim ersten Wahlgang vom 10. November aus Wahlkabine.
Klaus Iohannis bei der Präsidentenwahl 2019. Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland und Österreich. | Vadim Ghirda

Breites Kandidatenspektrum bei Präsidentenwahl

Am Sonntag konkurrieren bei der Präsidentschaftswahl insgesamt 13 Kandidaten um die Nachfolge von Iohannis. In den Umfragen führt derzeit Premierminister und gleichzeitiger Parteichef der sozialdemokratischen PSD, Marcel Ciolacu. Auch ein Rechtspopulist, eine frühere Journalistin, ein ehemaliger Vize-Generalsekretär der Nato und ein Vertreter der ungarischen Minderheit treten an. Wahlforscher erwarten, dass kein Kandidat die absolute Mehrheit bekommen und es in zwei Wochen zu einer Stichwahl kommen wird.

MDR (usc)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 24. November 2024 | 19:30 Uhr

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