Porträt Petr Pavel: Wer ist der neue tschechische Präsident?
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09. März 2023, 15:46 Uhr
Der neue tschechische Präsident Petr Pavel gilt als charismatische Führungspersönlichkeit mit einem noblen Auftreten. Der pensionierte General kann sich Wegbegleitern zufolge auch ohne Befehlston schnell Respekt verschaffen. Außerdem soll er äußerst zielstrebig sein. Politisch gilt er als westlich orientiert und pro-europäisch. In der Außenpolitik zeigt er klare Kante gegen Russlands Expansionsstreben und in der Innenpolitik gegen Populismus.
Auf seinen Wahlplakaten warb der neue tschechische Präsident Petr Pavel unter anderem mit der Losung "Erfahrener Diplomat und Kriegsheld". Zu sehen war neben einem großformatigen Porträt des pensionierten Generals auch ein militärischer Orden. Damit verwies er auf eine Episode aus seinem Einsatz bei der Friedensmission UNPROFOR während der Jugoslawienkriege 1993. Damals waren 53 französische Soldaten zwischen die Fronten geraten. Pavel eilte ihnen mit seiner kleinen Einheit freiwillig zu Hilfe und setzte dabei sein eigenes Leben aufs Spiel.
Während des Einsatzes hatten Serben versucht, Pavel und seine Soldaten als "lebendige Schutzschilde" zu missbrauchen, um hinter die kroatischen Linien zu gelangen. Sie hielten Pavel eine Waffe an den Kopf und zwangen ihn, mit dem Truppentransportpanzer auf die Kroaten zuzufahren. Am Ende gelang es Pavels Einheit trotzdem, die eingeschlossenen französischen Kameraden zu evakuieren. Dafür erhielt er den von Napoleon Bonaparte 1802 gestifteten Orden der Ehrenlegion, die höchste französische Auszeichnung.
Militär – Pavels Schule des Lebens
Die Begebenheit zeigt, wie prägend die Armee für Pavels Leben war. Dank ihr konnte er Erfahrungen sammeln und Einblicke gewinnen, die ihn schließlich auch in die Lage versetzten, für das Präsidentenamt zu kandidieren, wie er im Interview mit dem Tschechischen Rundfunk zugab: "Ob Grenzerfahrungen bei Militäreinsätzen oder Erfahrungen, die einen in königliche Paläste oder geheime Anlagen führen oder auch an Informationen kommen lassen, die ein Normalsterblicher für gewöhnlich nicht bekommt. Ich habe mich immer bemüht, die positiven Seiten [des Militärdienstes - Anm. d. Red.] zu sehen."
Geboren wurde Petr Pavel 1961 in Planá bei Mariánské Lázně (Marienbad) in Westböhmen. Sein beruflicher Werdegang war gewissermaßen vorgezeichnet – schon sein Vater war hochrangiger Offizier und schon als Teenager begann Pavel die Ausbildung am Militärgymnasium in Opava. Danach studierte er an der Militärhochschule des Heeres in Vyškov. Ab 1983 diente er bei den Fallschirmjägern im mährischen Prostějov und stieg später zum Kommandeur der Eliteeinheit auf. In dieser Zeit wurde er aber auch Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (1985-1989), was ihm jetzt im Wahlkampf viele vorhielten.
Partei-Mitgliedschaft und Agentenschule vor 1989
Rückblickend bereut Pavel seine Parteimitgliedschaft, erklärt sie mit Naivität und fehlendem Interesse an der Politik. Er habe sie als unabdingbare Bedingung für eine Offizierslaufbahn wahrgenommen. Dem Wochenblatt "Respekt" sagte Pavel dazu: "Die Alternative war, nicht bei den Falschirmjägern und damit nicht bei der Armee zu sein, das kam für mich aber nicht in Frage. Ein anderes Umfeld kannte ich nicht, in diesem Umfeld war ich aufgewachsen und erzogen worden." Im Tschechischen Rundfunk erklärte er: "Wir wussten, die Dinge waren gegeben und es macht keinen Sinn, sich damit irgendwie besonders zu beschäftigen."
Kurz vor der Samtenen Revolution von 1989 wurde Pavel auf eine Schule des Militärgeheimdienstes geschickt. Er sollte dort zu einem Agenten ausgebildet werden, der bei Bedarf hinter die feindlichen Linien – gemeint sind damit Nato-Staaten, also die heutigen Verbündeten – eindringt und dort den Gegner "liquidieren" kann. Dabei kamen ihm auch seine guten Englischkenntnisse zugute. Ehemalige Kameraden berichten, Pavel hatte noch bei den Fallschirmjägern immer Zettel mit englischen Vokabeln in seinen Uniformtaschen, nutzte jede freie Minute zum Lernen und wurde deswegen sogar belächelt. Bis heute soll er regelmäßig die Kindle-Ausgabe des britischen Wochenblatts "The Economist" lesen.
Petr Pavels Aufstieg nach 1989
Nach der Samtenen Revolution sorgten die guten Englischkentnisse, über die damals nur wenige verfügten, für einen weiteren Karriereschub: Pavel wurde im tschechischen Generalstab eingesetzt, wo er in den 1990er-Jahren verschiedene Posten durchlief und zu Lehrgängen in Großbritannien und den USA geschickt. Seit der kurzen Zwischenepisode im ehemaligen Jugoslawien war er kein gewöhnlicher Soldat, der "im Schlamm robbt", sondern eher ein "Militärdiplomat", wie der tschechische Journalist und Verteidigungsexperte Jan Gazdík im "Podcast 5:59" der Webplattform "Seznam Zprávy" sagte. Kontakte aus der Jugoslawien-Mission und von den ausländischen Lehrgängen halfen ihm auf dem Weg nach oben.
Diplomatie-Schule bei der Nato
Einen weiteren Karriereschub bildete für Pavel der tschechische Nato-Beitritt im Jahr 1999. Im folgenden Jahrzehnt nahm er verschiedene Funktionen als Vertreter und Verbindungsoffizier der tschechischen Armee bei ausländischen Staaten und bei der Nato wahr. In den Jahren 2012 bis 2015 war er Chef des Generalstabs der tschechischen Armee, anschließend bis 2018 Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, der höchsten militärischen Position im westlichen Verteidigungsbündnis. Pavel war der erste Militär aus einem ehemaligen Warschauer-Pakt-Staat, der sie innehatte.
Es war eine äußerst wertvolle Erfahrung für den künftigen Präsidenten. "Es handelt sich um eine sehr bedeutende diplomatische Funktion, bei der der Amtsträger vor allem als Mediator agiert und versucht – vereinfacht gesagt – einen Konsens zu finden und eine gemeinsame Entscheidung herbeizuführen", erläutert Verteidigungsexperte Gazdík. "Es ist eine äußerst gute Schule. Eine derart umfangreiche diplomatische und Verhandlungspraxis hat wohl kein anderer unter den tschechischen Politikern, Soldaten und Diplomaten."
Politische Positionen von Petr Pavel
Als seine Prioritäten betrachtet Petr Pavel eine aktive Außenpolitik, Energie-Unabhängigkeit (weshalb er die Einstufung von Atomenergie als grüne Energiequelle begrüßt), eine innovative Wirtschaft mit einer höheren Wertschöpfung, eine gesunde Umwelt sowie Bildung. Er wolle zudem ein Präsident sein, der Streitigkeiten schlichte und würde kein Veto gegen die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare einlegen. Er ist für die Einführung des Euro, würde aber nicht auf ein konkretes Datum drängen. Dies sei "besser für unsere Menschen und unsere Wirtschaft", schrieb er in einem Faltblatt im Vorfeld des zweiten Wahlgangs, räumte aber gleichzeitig ein: "Die Einführung des Euro steht nicht auf der Tagesordnung und es ist nicht der Präsident, der darüber entscheidet."
Klare Kante gegen Russland
In Bezug auf die russische Aggression gegen die Ukraine vertritt Pavel die Ansicht, dass der Westen schon nach der Krim-Annexion und der Abspaltung des Donbas entschiedener hätte reagieren sollen. Unter bestimmten Umständen wäre er mit einem Einsatz von Nato-Soldaten zum Schutz humanitärer Korridore in der Ukraine und mit einer Flugverbotszone einverstanden. Er sei froh, dass Tschechien sich nicht von Russland habe einschüchtern lassen und weiter die Ukraine unterstütze. Eine Zurückhaltung des Westens in dieser Frage könne Russland als Schwäche deuten.
"Heute ist es absolut klar, dass Russland in Bezug auf Europa nicht das erreicht hat, was es erreichen wollte – also Energielieferungen als Waffe nutzbar zu machen und Europa zu Zugeständnissen zu zwingen, gegebenenfalls sogar zu einer Kapitulation, was die Unterstützung der Ukraine betrifft", sagte er der Zeitung E15.
Was ist Petr Pavel für ein Mensch?
Wegbegleiter beschreiben Petr Pavel als charismatisch – seine Soldaten würden heute noch für ihn die Hand ins Feuer legen. Seine ehemaligen Untergebenen erinnern sich, dass er niemals die Stimme erhob, niemanden bloßstellte oder beschimpfte – sie berichten vielmehr von einem geradezu noblen Auftreten. Trotzdem habe Pavel nie Probleme gehabt, sich Respekt zu verschaffen. Für viele, die an den scharfen Kasernenhofton und die in den sozialistischen Streitkräften übliche Schikane gewöhnt waren, war seine ausgeglichene und ruhige Art eine Offenbarung. Pavel sei aufmerksam, zuhörend, nachdenklich, gerecht und fähig gewesen – und habe als Chef im Generalstab einen kooperativen Führungsstil gepflegt.
Die Ruhe und Ausgeglichenheit, von der viele aus der Kasernenzeit berichten, legt er heute auch im Umgang mit den Medien an den Tag. Bei Gesprächen mit Journalisten fürchtet er keine unbequemen Fragen, sondern geht geduldig, sogar mehrmals darauf ein. Er soll zudem schnell analysieren können, um eine fundierte, durchdachte Antwort zu geben. Ohne Ausschweifungen könne er sachlich und korrekt, gleichzeitig auch für die breite Öffentlichkeit verständlich komplexe Sachverhalte schildern.
Zielstrebig und karrierebewusst
Ein weiteres hervorstechendes Charaktermerkmal Pavels soll seine enorme Zielstrebigkeit sein. Ein ehemaliger Kamerad erinnerte sich an folgende Anekdote aus Pavels frühen Jahren: Als ein Soldat bei einem schwierigen Computerspiel bestimmte Rekorde brach, habe sich Pavel stundenlang ebenfalls an das Spiel gesetzt, bis er ihn übertrumpft hat. Pavel selbst sagte über sich, es habe ihm schon immer Spaß gemacht, "große Ziele zu erreichen", weil ihm das ein Gefühl von Befriedigung verschaffte, etwas zu erreichen, "was nicht jeder schafft". Auch deshalb habe er sich für den äußerst harten Dienst bei den Fallschirmjägern und später beim Militärgeheimdienst entschieden.
Nach Einschätzung des Wochenblatts "Respekt" ist Pavel zudem sehr karrierebewusst. So mutig und entschlossen er im Kriegseinsatz handelte, bis hin zum Einsatz des eigenen Lebens, so vorsichtig sei er manchmal gewesen, als es darum ging, sich mit mächtigen Widersachern aus der Politik anzulegen. Um sein Fortkommen nicht aufs Spiel zu setzen, habe er bestimmte Korruptionspraktiken in der Armee nicht sonderlich bekämpft, die ihn in Konflikt mit Vorgesetzten hätten bringen können, urteilt das Blatt. Pavel erklärt seine Zurückhaltung mit häufigen Auslandsaufenthalten in der fraglichen Zeit. Er selbst war nach allen verfügbaren Informationen zudem in keines der fragwürdigen Geschäfte persönlich verwickelt.
Pavel zum zweiten Mal verheiratet. Aus der ersten, geschiedenen Ehe stammen zwei Söhne. Seine zweite Frau ist Soldatin im Rang eines Oberstleutnants.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 28. Januar 2023 | 19:30 Uhr