Viktor Orban, Premierminister von Ungarn, auf dem NATO-Gipfel in Vilnius, Litauen.
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Verteidigung Ungarn in der Nato: Treuer Verbündeter oder Wackelkandidat?

06. April 2024, 14:14 Uhr

Die Verzögerung des schwedischen Nato-Beitritts durch Ungarn hat für Aufsehen gesorgt. Die Beziehungen Ungarns zur führenden Nato-Macht, den USA, sind auf einem Tiefpunkt, und regierungsnahe Medien schlagen immer wieder scharfe Töne gegenüber der Allianz an. Auch wenn sich die Regierung zurückhaltender gibt und nach wie vor die Bedeutung der Nato-Mitgliedschaft für Ungarn betont, fragen sich viele im Westen: Ist auf den Verbündeten Ungarn im Fall des Falls wirklich Verlass?

Porträt Kornelia Kiss
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Monatelang war die Frage, wann Ungarn den Beitritt Schwedens zur Nato ratifizieren wird, ein heißes Thema in der internationalen Öffentlichkeit. Das ungarische Parlament war Ende Februar das letzte, das den schwedischen Beitritt ratifiziert hat. In dieser Angelegenheit wurde Ungarn sogar von der Türkei überholt, die lange Zeit als größter Bremser galt.

Ungarns lang anhaltende Blockadehaltung

Dies sei "äußerst" unangenehm, schätzte Tamás Varga Csiki vom Institut für Strategie- und Verteidigungsstudien der Nationalen Universität für den öffentlichen Dienst in Budapest, gegenüber der ungarischen Redaktion von Radio Free Europe ein.

Die Kanonierin Vera Rolander ist eine von 24 schwedischen Soldaten aus zwei CB90-Kampfbataillonen des Stockholmer Amphibienregiments, die zur Militärübung Nordic Response in Alta gereist sind, nachdem Schweden am Vortag der NATO beigetreten war.
Der Beitritt Schwedens eröffnet der Nato neue strategische Möglichkeitgen – davon profitiere indirekt auch Ungarn, räumten selbst regierungsnahe Medien ein. Bildrechte: IMAGO / NTB

Viele äußerten sich in der Öffentlichkeit ähnlich dazu und behaupteten, dass der Streit um den Nato-Beitritt Schwedens den Beziehungen Ungarns zur seinen Alliierten massiv schaden könnte. Selbst Analysten und Meinungsmacher, die ein relativ freundliches Verhältnis zur Regierung haben, wie der ehemalige liberale Politiker Gábor Fodor oder der ehemalige Diplomat Gergely Prőhle, Staatssekretär in einer früheren Fidesz-Regierung, sahen die Haltung der Regierung als potenziell schädlich an.

Doch während die Streitpunkte zwischen der Türkei und Schweden in der Öffentlichkeit bekannt waren, war der Grund für die Verzögerung im Falle Ungarns unklar – und ist es immer noch. Die Regierungspartei verwies vor allem auf die Kritik an Ungarn in der schwedischen Presse und Politik und forderte "Respekt" gegenüber Ungarn ein, während regierungsnahe Medien und der Außenminister Ungarns, Péter Szijjártó, auch auf den ihrer Meinung nach von den USA auf Ungarn ausgeübten Druck zur Ratifizierung verwiesen.

Viktor Orbán und Ulf Kristersson, Ministerpräsidenten Ungarn und Schweden auf einer Pressekonferenz
Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson musste bei einem Staatsbesuch in Ungarn um eine Ratifizierung des Nato-Beitritts seines Landes werben. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Beziehungen zu den USA erreichen Tiefpunkt

Die Beziehungen Ungarns zur führenden Nato-Macht, den USA, sind äußerst angespannt. Ministerpräsident Viktor Orbán besuchte kürzlich die USA, hat aber keine Regierungsvertreter getroffen. Stattdessen besuchte er den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und sagte danach in einem Interview mit dem ungarischen Staatsfernsehen, dass die ungarisch-amerikanischen Beziehungen schlecht seien und seiner Ansicht nach nur durch einen Regierungswechsel in den USA verbessert werden könnten.

Die Erklärungen der ungarischen Regierung zur Nato sind allerdings zurückhaltend: Regierungsvertreter, darunter Viktor Orbán, betonen weiterhin, dass die Allianz wichtig für Ungarn sei.  Nach dem Besuch des schwedischen Ministerpräsidenten bezeichnete die regierungsnahe Tageszeitung "Magyar Nemzet" die Beziehungen bereits als fruchtbar. "Durch den Beitritt Schwedens zur Nato ist der Handlungsspielraum des Bündnisses vermutlich größer geworden, so hilft dies auch uns", so die Schlussfolgerung.

Viktor Orbán auf Staatsbesuch bei Donald Trump in den USA (2019)
2019: Viktor Orbán beim Treffen mit US-Präsident Donald Trump. Ungarns Regierungschef macht kein Hehl daraus, dass er sich eine Rückkehr Trumps ins Weiße Haus wünscht. Bildrechte: IMAGO/Newscom World

Harsche Nato-Kritik in regierungsnahen Medien

Die Zeitung "Magyar Nemzet", die als Sprachrohr der Regierung betrachtet wird, ist dem Nordatlantikbündnis gegenüber nicht immer so freundlich eingestellt. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat sie immer wieder Meinungen veröffentlicht, die die Nato sehr schlecht dastehen ließen. 

"Die Haupttätigkeit [der Nato] ist eindeutig die Förderung der globalen wirtschaftlichen und politischen Interessen der USA. […] Dies zeigt sich unter anderem in der aggressiven Ostexpansion nach 1990, die euphemistisch als 'Erweiterung' bezeichnet wird", schrieb die gleiche Zeitung vor einem Jahr in einem Kommentar. Ungarn sei der Nato vor 25 Jahren im Rahmen dieser "aggressiven Ostexpansion" beigetreten. Und manchmal wird auch die Nato-Mitgliedschaft Ungarns selbst infrage gestellt: "Wenn wir so weitermachen, werden wir langsam soweit kommen, dass die Nato-Mitgliedschaft mit mehr Gefahren verbunden ist, als sie Sicherheitsgarantien bietet", schrieb ein anderer Publizist im März dieses Jahres.

US-Präsident Joe Biden nimmt am NATO-Gipfel in Vilnius teil.
2023: US-Präsident Joe Biden beim Nato-Gipfel in Vilnius – nach Ansicht einiger ungarischer Journalisten dient das Bündnis v.a. dazu, US-Interessen durchzusetzen. Bildrechte: IMAGO/UPI Photo

Zwar gibt es keine direkten Beweise dafür, dass hinter den scharfen Meinungsartikeln die Regierung steht, doch zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass die staatlichen und regierungsnahen Medien bestimmte Botschaften, die geeignet sind, Antipathie oder Sympathie gegenüber bestimmten Ländern oder Bündnissystemen wie der Europäischen Union oder der Nato zu erzeugen, systematisch wiederholen.

Russland zum Beispiel wird von den staatlichen und regierungsnahen Medien seit Jahren durchweg positiv oder zumindest neutral dargestellt, während der Westen, insbesondere die Europäische Union und die von den Demokraten geführten USA, in einem negativen Licht erscheinen.

Neue Fronten im Osten, unsichere Verbündete wie Ungarn sowie Nato-Skepsis in den USA – ist auf die Nato noch Verlass und kann sich Europa im Zwiefelsfall selbst verteidigen? Mit diesen Fragen befasst sich die Doku "Nato – Wer wird Europa beschützen?" Folgen Sie bitte dem Link unten, um die Doku in der ARD-Mediathek zu sehen.

Beeinflusst die Anti-Nato-Kampagne die Bevölkerung?

Frühere Forschungen haben gezeigt, dass sich die öffentliche Meinung langfristig entsprechend dieser Botschaften ändert: Die Sympathie für Russland stieg, die Sympathie für den Westen sank. Auch eine Analyse der Denkfabrik Globsec aus dem Jahr 2023 bestätigt dies: Die ungarische Öffentlichkeit schreibt Russland in einem deutlich geringeren Maße die Verantwortung für den Krieg zu als die Öffentlichkeit in anderen Ländern der Region. Deutlich weniger Menschen halten Russland zudem für eine Gefahr. Der Analyse zufolge tragen die anhaltende Kampagne der Regierung und die "staatlich kontrollierten Medien" wesentlich zu diesem Ergebnis bei.

Laut einer im März 2023 durchgeführten repräsentativen Umfrage von Globsec vertraut jedoch eine große Mehrheit der ungarischen Wähler der Nato: 89 Prozent der Befragten in Ungarn sagten, dass sie auch heute dem Nordatlantischen Bündnis beitreten würden.

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Dieses Thema im Programm: Das Erste | NATO – wer wird Europa schützen? | 03. April 2024 | 22:50 Uhr

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