Ukraine Russlands Krieg gegen Instagram
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24. März 2022, 17:00 Uhr
Seit Montag ist Instagram in Russland verboten. Wegen "extremistischer Aktivitäten", begründete ein russisches Gericht. Tatsächlich geht es Moskau wohl um die Informationshoheit zum Krieg gegen die Ukraine. Viele Russinnen und Russen nutzen die Plattform trotz des Verbots aber weiter.
Widerstand im Netz
Seit gut einer Woche ist Instagram in Russland gesperrt, am Montag, den 21. März stufte ein russisches Gericht die Plattform dann auch noch als "extremistisch" ein und verbot sie. Damit reagiert das offizielle Moskau auf die Entscheidung der Muttergesellschaft "Meta", angeblich Aufrufe zur Gewalt gegen russische Truppen in der Ukraine zuzulassen. Das Aus also für die derzeit angesagteste social media-Plattform in Russland. Doch die Realität zeigt: Viele Russinnen und Russen nutzen die Plattform trotz des Verbots weiter.
"Verliert mich nicht, ich bin hier!"
Einen Tag vor der Sperrung von Instagram in Russland war der Newsfeed voll von QR-Codes und Links, die zu Telegram-Kanälen führen. "Verliert mich nicht, ich bin hier", hieß es unter zahlreichen Postings. Telegram erlebte einen sensationellen Andrang: Innerhalb von wenigen Tagen wuchs die Nutzerzahl in Russland von 35 auf 47 Millionen. Tags darauf war Instagram in Russland offiziell gesperrt. Und doch waren alle noch da. Es fühlte sich ein bisschen so an, als hätte man sich lange von jemandem verabschiedet, um dann festzustellen, dass diese Person in dieselbe Richtung geht. Selbst die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa postete weiter Beiträge bei Instagram, als wäre nichts passiert. Und das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte dort noch vor ein paar Tagen einen neuen Beitrag.
Der Trick mit den VPN-Verbindungen
Das Instagram-Aus war für kaum jemanden eine Überraschung. Nach der Facebook-Sperre war es ohnehin klar, dass die Tage von Instagram in Russland gezählt sind. Deshalb hatten viele Nutzer vorgesorgt und gleich mehrere VPN-Apps heruntergeladen, Apps mit denen man ein virtuelles privates Netzwerk aufbauen kann, um so die Sperren zu umgehen. In meinem Freundeskreis hatten einige gleich drei bis fünf solche Apps parat. Kurz vor dem "Insta-Aus" verbreiteten Nutzer Hinweise, welche VPN-Dienste am billigsten und schnellsten sind und wie man sie installiert. Die Zahl der Downloads von VPN-Diensten hatte sich Anfang März in Russland laut Medienberichten mehr als verzehnfacht. Offenbar wollen viel Russinnen und Russen Instagram und Facebook nicht widerstandslos aufgeben. Interessant ist dabei, dass der Staat sie dazu bislang nicht zwingt: Gleich mehrere russische Politiker haben betont, dass niemand bestraft wird, wenn er oder sie Facebook und Instagram über ein virtuelles privates Netzwerk weiterhin nutzt.
Abo-Rückgang bei Blogs
Trotzdem melden einige russische Bloggerinnen und Blogger einen starken Rückgang ihrer Abo-Zahlen. Es könnte daran liegen, dass noch nicht alle Nutzer mit VPNs zurechtkommen. Auch ich habe viel Zeit und Energie gebraucht, um einen passenden VPN-Dienst zu finden. Bei manchen war die Internetverbindung auf dem Handy plötzlich weg, andere funktionierten gar nicht oder waren viel zu teuer. Eine große Panik unter den Userinnen und Usern blieb jedenfalls aus. Bei manchen war sogar eine gewisse Schadenfreude zu beobachten. "Keine nackten Hinterteile von billigen Insta-Models mit gekauften Followern mehr! Nun müssen sie endlich einen richtigen Job finden", frohlockten sie. Viele sahen die Sache aber ganz anders. Es gehe hier um weit mehr als um nackte Körperteile oder aufgespritzte Lippen von "Influencerinnen". Das Verbot treffe kleine Unternehmen und Selbständige hart. Fotografinnen, Designer, Juristinnen, Visagisten und viele andere sprachen ihre Kundinnen und Kunden bisher hauptsächlich über Instagram an.
Verdienstausfälle und gedrückte Stimmung
Laut einer Arbeitsgruppe des russischen Parlaments, die sich mit Blogs und Social Media beschäftigt, soll die Instagram-Sperre etwa zwei Drittel der russischen Community um eine wichtige Einkommensquelle gebracht haben. Auch russische Stars haben in den letzten Jahren dank Instagram gut verdient: Die Sängerin Olga Busowa machte 2021 laut dem Werbe-Analysten ADinBlog 55 Millionen Rubel, damals rund 700.000 Euro mit Insta. Eine Bekannte, die Zimmerpflanzen über Instagram verkauft, klagt, durch das Instagram-Aus gingen die Klickzahlen in ihrem Online-Laden stark zurück. Dabei habe nicht so sehr das Verbot ihre Verkaufszahlen gedrückt. "Viele nutzen die ja Plattform weiter", erzählt sie. Vielmehr liege es an der allgemeinen Niedergeschlagenheit: Ihre Mannschaft und sie könnten vor dem Hintergrund des Kriegs kaum Kraft für interessante Beiträge in den sozialen Netzwerken aufbringen. Wegen der Angst vor einer schweren Wirtschaftskrise hätten Pflanzen momentan bei vielen Russinnen und Russen keine Priorität. Einen Umzug auf russische Plattformen zieht meine Bekannte aber nicht in Erwägung. "Ich arbeite ganz bestimmt bei Instagram weiter. Es ist weiter die perfekte Plattform für uns". Zwar müsse sie auf Werbung teilweise verzichten, weil diese als Finanzierung einer "extremistischen Aktivität" gewertet werden könnte. "Ich glaube aber trotzdem an interessante Inhalte und Mund-zu-Mund-Propaganda."
Abschottung à la China?
Wird Russland sich nun vom weltweiten Internet so abschotten wie China? Viele halten das für unwahrscheinlich. Denn China hatte an seiner "Großen Firewall" jahrzehntelang gearbeitet und dabei eine eigene technologische Basis entwickelt. Russland hat dagegen bislang auf westliche Technik gesetzt. Das Land kann seinen Bürgern derzeit keine Plattformen anbieten, die mit Instagram mithalten könnten. Viele Russen fragen sich aber, ob die blockierten US-Plattformen je wieder entsperrt werden. Sie befürchten, dass der Staat dies nicht mehr zulässt, um russische Plattformen zu fördern. Andere geben zu bedenken, dass Russland sich selbst die Möglichkeit genommen habe, in dieser schwierigen Zeit die eigene Sichtweise zu vermitteln. Nun könne man dem "westlichen Narrativ", dass von vielen als "russlandfeindlich" empfunden wird, auf diesen Plattformen nichts mehr entgegensetzen.
Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell TV | 22. März 2022 | 17:45 Uhr