Ukraine | Russland Ukraine und Russland streiten ums Essen: Wem gehört der Borschtsch?

14. November 2020, 08:17 Uhr

Nach politischen Fehden streiten die Ukraine und Russland jetzt auch darüber, wer den Bortschsch erfunden hat. Für die Ukrainer ist klar: Borschtsch ist ukrainisch. Das Land will den Eintopf deshalb von der UNESCO als immaterielles Erbe der Ukraine anerkennen lassen. Unser Ostblogger Denis Trubestkoy über einen bizarren Streit.

Mann vor Flagge
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Borschtsch
Das Objekt der ukrainisch-russischen Fehde: die traditionelle osteuropäische Suppe Borschtsch Bildrechte: imago images / agefotostock

Ich persönlich konnte dem Borschtsch, der mit roter Bete zubereitet wird, meist nicht so viel abgewinnen. Soljanka ist für mich immer die bessere Wahl. Für viele Ukrainer ist der Borschtsch jedoch eine gastronomische Institution, ohne die etwa eine perfekte Ehe kaum funktionieren kann. Umso größer war die Empörung, als Russlands offizieller Twitter-Account das Gericht im letzten Jahr für sich beanspruchte. "Borschtsch ist eine der bekanntesten Speisen Russlands", hieß es dort im Mai 2019.

Die Ukraine beansprucht den Borschtsch für sich

Dieser Tweet gilt nun als Auftakt der "Gastro-Fedhe" zwischen Kiew und Moskau, die an Fahrt gewinnt. Denn die Ukraine nimmt die Sache inzwischen ernst und will verhindern, dass der Borschtsch zur russischen Küche gezählt wird. Um das zu erreichen, will das Kulturministerium in Kiew Borschtsch mit Hilfe des Parlaments als immaterielles Kulturerbe der Ukraine bei der UNESCO anerkennen lassen. Der erste Schritt ist bereits getan: Seit Oktober gehört die Suppe offiziell zum ukrainischen Kulturerbe. Einen Antrag an die UNESCO will man im März 2021 einreichen.

Der ukrainische Starkoch Ievgen Klopotenko mit Borschtsch
Brachte die Debatte um die Herkunft des Borschtsch ins Rollen: der ukrainische Star-Koch Jewhen Klopotenko Bildrechte: www.facebook.com/evgeniy.klopotenko

Auf der Suche nach dem wahren Borschtsch

Angestoßen hatte die Initiative der ukrainische Star-Koch Jewhen Klopotenko. Er hatte die NGO "Institut der ukrainischen Kultur" gegründet und im letzten Jahr Freiwillige losgeschickt, um Rezepte in der gesamten Ukraine zu sammeln. Deren Ergebnisse waren selbst für Klopotenko und sein Team oft überraschend. So war man in einer Gegend an der Grenze zu Belarus auf einen Großvater gestoßen, bei dem der Borschtsch zwar klassisch auf der Rote-Bete-Brühe mit Sauerkraut basiert, dann aber mit einem Schuss Honig gewürzt wird. In Lwiw peppt man das traditionelle Essen neuerdings mit Whisky auf, und im nordwestlichen Wolhynien wird der Borschtsch mit dem Blut eines frisch geschlachteten Ebers verfeinert. Ähnlich einzigartige Rezepte gäbe es nahezu in jeder Region des Landes.

"Wir müssen unseren Borschtsch verteidigen“

"Im Ausland sagen die Russen stets, dass Borschtsch eine russische Suppe ist. Wir müssen Borschtsch verteidigen, weil es nicht um das Essen, sondern um die kulturelle Identität der Nation geht", begründet Klopotenko sein Vorgehen auf Facebook, wo er ebenso wie auf seinem Youtube-Account Rezepte postet und vor laufender Kamera Borschtsch kocht.

Herkunft nicht lückenlos geklärt

Die Frage nach der Herkunft des Borschtsch ist tatsächlich nicht vollständig geklärt. Kulturhistoriker gehen davon aus, dass die Speise noch in der Kiewer Rus, einem Reich, aus dem die heutigen Staaten Ukraine, Russland und Belarus hervorgegangen sind, im Mittelalter erfunden wurde. Den Ukrainern zufolge wurde der Borschtsch erstmals 1718 im ostukrainische Charkiw erwähnt.

Die These, dass es sich beim Borschtsch um eine originär ukrainische Speise handelt, wird zusätzlich dadurch gestützt, dass Borschtsch selbst in der russischen oder sowjetischen Literatur als ukrainisch bezeichnet wird. "Eine Suppe auf Basis von Rüben mit verschiedenen Zusatzzutaten existiert in ganz Europa, jedes Land hält sie für sein eigenes Gericht", hält die russische Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta dagegen. "Die Ukraine sucht lediglich einen Grund für einen neuen Skandal."

Borschtsch
Original ukrainischer Borschtsch: der ukrainische Star-Koch Jewhen Klopotenko postet auf seinem Facebookaccount unermüdlich Bilder der Suppe Bildrechte: www.facebook.com/evgeniy.klopotenko

Russischer Borschtsch ist etwas anders

Auch in Russland existieren zweifellos Hunderte von regionalen Borschtsch-Rezepten, dabei wird Borschtsch im Nachbarland oft anders als in der Ukraine ohne Speck und Kartoffeln gekocht. Die verwandte Kohlsuppe Schtschi wird dagegen eindeutig Russland zugeordnet. Ob die genaue Herkunft des Borschtsch jemals festgestellt wird, ist ohnehin unwahrscheinlich. Der Ukraine geht es jedenfalls vor allem darum, dass die Suppe im Ausland nicht mehr als ausschließlich russisch gilt.

Persönlich habe ich viele Arten des Borschtsch probiert und würde trotz meiner geringen Begeisterung für das Gericht die lokale Kiewer Variante mit Pilzen empfehlen.
Dafür müssen 60 bis 65 Gramm eingeweichte Pilze zusammen mit Lobeerblättern 15 Minuten in einem Liter Salzwasser gekocht werden. Anschließend kocht man 300 Gramm gewürfelte Kartoffeln und 300 Gramm Kraut 15 Minuten in der Pilzbrühe. Danach werden eine Karotte, eine Zwiebel und 100 Gramm Rote Bete hinzugefügt und eine halbe Stunde gekocht. Verfeindert wird der Bortschtsch je nach Geschmack mit bis zu 200 Gramm Butter, Petersilie, Rote-Bete-Saft und Tomatenmark. Zwar bin ich kein Vegetarier, so schmeckt mir die Suppe aber tatsächlich am besten.

Dieses Thema im Programm: MDR um vier | 13. Februar 2019 | 16:00 Uhr

Ein Angebot von

Mehr aus Land und Leute

Mehr aus Osteuropa

Nachrichten

Ein russischer Soldat feuert eine drahtgesteuerte Panzerabwehrrakete 9M113 Konkurs an einem ungenannten Ort ab. mit Video
Ein russischer Soldat feuert eine drahtgesteuerte Panzerabwehrrakete 9M113 Konkurs an einem ungenannten Ort ab. Bildrechte: picture alliance/dpa/Russian Defense Ministry Press /AP | Uncredited

Nachrichten

Sergej Lawrow, Außenminister von Russland, reagiert während eines Treffens mit dem Schweizer Präsidenten Cassis am Rande des Gipfeltreffens zwischen den USA und Russland. mit Audio
Sergej Lawrow, Außenminister von Russland, reagiert während eines Treffens mit dem Schweizer Präsidenten Cassis am Rande des Gipfeltreffens zwischen den USA und Russland. Bildrechte: picture alliance/dpa/KEYSTONE | Jean-Christophe Bott