Ukraine Warum man in Kiew Katzen mit Plastikflaschen "füttert"
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15. Dezember 2020, 10:41 Uhr
Durch Kiew streunen viele herrenlose Katzen und Hunde. Damit die nicht verhungern, hat die ukrainische Wohltätigkeitsinitiative Yapomoga einen Automaten konstruiert, der auf Knopfdruck einen Futternapf füllt. Bezahlt wird umweltfreundlich mit leeren Plastikflaschen. Vor allem bei Kindern kommt der Futterspender so gut an, dass die Automaten bald schon in der ganzen Ukraine stehen sollen.
Für streunende Katzen und Hunde ist es schwer, über den Winter zu kommen, weil sich weniger Fressbares als in den warmen Monaten findet. In Kiew ist das seit diesem Herbst ein wenig anders. Dort können sich die herrenlosen Haustiere nun mit Futter aus dem Automaten versorgen. Zahlen muss die Mahlzeit ein tierlieber Einwohner der ukrainischen Hauptstadt. Geld kostet das den Spender allerdings nicht. Der Futter-Automat verlangt Plastikflaschen. Pro eingeworfene Flasche füllt der Automat einen Futternapf aus Metall mit 20 Gramm Katzen- und Hundefutter. Wasser gibt es gratis. Und obwohl Katzen- und Hundefutter gemischt im Napf landet, wurden bislang keine Kämpfe zwischen Hunden und Katzen gemeldet. Die Tiere scheinen zu kooperieren. Morgens und abends wird der Futternapf gereinigt.
Ersonnen und umgesetzt hat die Erfindung, die weltweit Aufmerksamkeit erregt, die ukrainische Wohltätigkeitsinitiative Yapomoga. Die Organisation ist seit Jahren online aktiv. Der Tierfutter-Recycling- Automat, die sogenannte Yapomoga-Box, ist ihr erstes analoges Projekt.
Tierwohl und Umweltschutz
In der Ukraine leben nach Angaben des internationalen Monitoringprojekts Animal.id mindestens 50.000 herrenlose Tiere. Allein in Kiew gibt es rund 3.500 Straßenhunde. Das neue Projekt von Yapomoga will Tierwohl nun mit Umweltschutz verbinden. Aus gutem Grund. Denn anders als in Deutschland, ist die Recyclingquote von Plastikabfällen in der Ukraine ausgesprochen gering. Dort ist seit Januar 2018 eine Mülltrennung zwar verpflichtend vorgeschrieben. De facto landen jedoch die meisten Abfälle in derselben Tonne. Separate Behälter für Plastik, Papier, Glas, Bio- und Restmüll wie in der Bundesrepublik gibt es hierzulande so gut wie nicht. Um das Thema Mülltrennung und Recycling kümmern sich fast ausschließlich NGOs.
350 Kilo Plastikmüll
Die Yapomoga-Box scheint ein gangbarer Weg zu sein, Plastikmüll in beachtlichen Größenordnungen zu sammeln und zu recyclen. Schon im ersten Monat steckten tierliebe Kiewer gut 350 Kilogramm Plastik in den ersten Tierfutter-Automaten. Für Rufat Raimow, dem Gründer des Yapomoga-Projektes, ein Überraschungserfolg: "Unsere Erwartungen wurden um ein Vielfaches übertroffen", freut sich der 30-jährige gebürtige Aserbaidschaner. Raimow, der am Kiewer Institut für Internationale Beziehungen studiert hat, leitet sein eigenes IT-Unternehmen und beschäftigt sich in der Initiative Yapomoga regelmäßig mit Wohltätigkeitsprojekten. Er gewinnt Banken und Geschäfte als Partner für die Online-Plattform. Sie schütten an die Nutzer umsatzbasierte Boni aus, die dann in verschiedene Hilfsprojekte, vor allem in Sachen Tierwohl, investiert werden können. Auf diese Weise wird auch das Hunde- und Katzenfutter für die Yapomoga-Box finanziert.
Das Geld für die erste Yapomoga-Box habe man ebenfalls über die Plattform gesammelt, sagt Rufat Raimow. Der Automat an sich sei übrigens nicht wirklich seine Idee. Solche Recycling-Boxen gebe es in ganz Europa und auch in der Türkei. "Ich bin allerdings auf den Gedanken gekommen, Ökologie und den Schutz für herrenlose Tiere miteinander zu verbinden.
Hauptzielgruppe Kinder
Die Yapomoga-Box kommt bei den Kiewern gut an. Bei einer Bevölkerungsgruppe habe sie sich jedoch in kurzer Zeit zu einem regelrechten Kultobjekt entwickelt, sagt Rufat Raimow. Bei Kindern sei die Begeisterung so groß, "dass wir sie inzwischen als unsere Hauptzielgruppe betrachten." Dass die Tierfutter-Box eine so tolle Möglichkeit ist, den Kindern die Wichtigkeit von Ökologie und Tierschutz gleichzeitig näherzubringen, habe man gar nicht auf dem Schirm gehabt. Für die Kinder will Raimow die Yapomoga-Box weiterentwickeln. Auf einem Bildschirm sollen dann virtuelle Katzen und Hunde zum Fressnapf laufen.
In den kommenden Monaten sollen in Kiew bis zu zehn neue Tierfutter-Recycling-Stationen aufgestellt werden. Und irgendwann, so hofft Erfinder Raimow, sollen die Yapomoga-Boxen überall in der Ukraine stehen. Viele Kommunen haben bereits Interesse signalisiert.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 21. November 2020 | 06:00 Uhr