Karlovy Vary
Karlsbad (Karlovy Vary) war lange Zeit ein Mekka russischer Kurgäste. Doch ihre Zahl nahm schon seit der russischen Krim-Annexion kontinuierlich ab. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges bleiben sie komplett weg. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Tschechische Kurstadt in der Krise Ukrainischer Makler verkauft russische Immobilien in Karlsbad

23. August 2022, 05:37 Uhr

Viele Jahre lief es für Karlsbad prächtig. Wohlhabende Russen pumpten Geld in den böhmischen Kurort. Seit dem Überfall auf die Ukraine bleiben die Russen weg. Ausgerechnet ein ukrainische Makler verkauft nun auch ihre Häuser.

Ein riesiges Himmelbett aus Eiche, goldene Statuen, ein pompöses Wandgemälde: Der russische Eigentümer einer Karlsbader Wohnung liebte mondäne Ausstattung. Doch nun will er verkaufen, "so schnell wie möglich", erzählt Makler Alexandr Mizjuk. Die Sanktionen erschweren russischen Bürgern den Weg nach Europa. Viele waren durch die Corona-Pandemie schon seit drei Jahren nicht mehr in Karlsbad, und nun haben sie wegen des Ukraine-Kriegs Angst, möglicherweise alles zu verlieren. Der Eigentümer der Himmelbettwohnung, ein Geschäftsmann aus Moskau, hatte eigentlich 300.000 Euro investiert, ist aber bereit, seine Immobilie für 280.000 Euro zu verkaufen.

Ukrainischer Makler verkauft russische Wohnungen

20 Prozent aller Immobilien in Karlsbad (tschechisch Karlovy Vary) könnten Russen gehören, schätzt Mizjuk. Von den rund 20.000 Wohnungen und Häusern in der Stadt wären das einige Tausend. Viele von ihnen stehen zum Verkauf. Mizjuks Terminkalender ist voll. Zwei bis acht Wohnungen verkauft er pro Woche, vor allem an ausländische Investoren. Mizjuk ist Ukrainer, spricht aber auch perfekt Tschechisch und Russisch. Seit 2004 lebt der Makler schon in Karlsbad. "Viele Jahre lief das Immobiliengeschäft mit den Russen gut", erzählt er. "Wenn Russen eine Wohnung gefällt, dann kaufen sie schnell und spontan und fragen nicht soviel nach wie zum Beispiel Deutsche oder Tschechen."

Alexandr Mizjuk, Immobilienmakler aus Karlsbad, verkauft Immobilien von Russen, die sich aus der Stadt zurückziehen
Der Ukrainer Alexandr Mizjuk verkauft die Wohnungen reicher Russen in Karlsbad. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Doch jetzt erhalten die russischen Eigentümer keine Touristenvisa mehr für Tschechien. Der Verkauf ihrer Immobilien läuft über eine Vollmacht. "Dadurch nehmen die Eigentümer hohe Verluste in Kauf. Manche Immobilien verkaufe ich samt Luxuslimousine", so Mizjuk. Viele seiner Kunden machten sich Sorgen, ob das Geld überhaupt noch auf ihrem Konto ankomme. "Es gibt noch Banken, über die wir den Verkaufserlös auf Konten nach Russland schicken können. Dort wird das Geld in Rubel konvertiert", erzählt der Makler. Auch er habe Verwandte und Freunde in der Ukraine. In dem Geschäft mit den Russen sehe er dennoch kein Problem. "Das sind für mich einfach nur Menschen, die Karlsbad schätzten. Den Krieg führen vor allem die Politiker." Außerdem spende er einen Teil seiner Gewinne für sein Heimatland. "Wir haben eine Liste mit Oligarchen, die von den Sanktionen direkt betroffen sind. Mit denen arbeiten wir natürlich nicht zusammen", fügt er hinzu.

Karlsbads russisches Image

Karlsbad und die Russen, das war lange eine Liebesgeschichte. 1711 besuchte Zar Peter der Große die Stadt und kam ein Jahr später noch einmal zur Kur. Ihm folgten russische Adlige und Künstler, genauso wie Berühmtheiten aus ganz Europa. Im Ostblock war Karlsbad ein beliebter Treffpunkt der sowjetischen Eliten und ihrer Familien. In der Stadt an der Eger zu kuren und zu flanieren, war ein Ritual, das nach der Wende die neuen russischen Reichen fortsetzten. Viele von ihnen kauften Wohnungen, investierten in Hotels und sanierten die marode Altbausubstanz. Karlsbad blühte durch das russische Geld auf. Aber die Stadt ließ sich dadurch auch vereinnahmen, glaubt die Karlsbader Oberbürgermeisterin Andrea Pfeffer Ferklová: "Wir haben uns zu sehr auf die Russen konzentriert. Und haben Touristen aus anderen Ländern Europas vergessen. Das muss sich ändern!"

Eine Touristin knips in Karlsbad ein Foto
Bildrechte: imago images/Satura

Der Anteil der russischen Kurgäste betrug früher 70 Prozent. Sie blieben oft drei Wochen und gaben ihr Geld freigiebig aus in den edlen Boutiquen und Juwelierläden. Jetzt, während des Ukraine-Krieges, seien die Karlsbader Hotels nur noch zu 30-40 Prozent belegt und viele Läden mussten schon schließen, erzählt Jan Kronika, der Vorsitzende des Karlsbader Hotel- und Gaststättenverbandes. Ernst fügt er hinzu: "Die Auswirkungen des Krieges sind für uns enorm, weil sich insgesamt viele Kunden zurückgezogen haben und die meisten nur übers Wochenende bleiben. Das ist schlimmer als die Corona-Pandemie. Denn in der Pandemie wussten wir, dass die Schließungen innerhalb von ein bis drei Monaten enden. Aber bei einem Krieg weiß niemand, wie lange er dauern wird."

Karlsbad muss sich neu erfinden

Jeden Morgen geht die Ärztin Milada Sárová zu den Karlsbader Quellen, trinkt aus einem langschnäbeligen Becher das bis zu 70 Grad heiße Thermalwasser, das aus 2.000 Metern Tiefe emporsprudelt. Die 72-Jährige schwört auf dessen Heilwirkung, weil darin "60 lebenswichtige Mineralien" enthalten seien, mit denen sie schon vielen Menschen helfen konnte, vor allem bei Beschwerden des Magen-Darm-Traktes oder des Bewegungsapparates. Ihr Hotel "Prezident", das sie vor 15 Jahren zusammen mit ihrem Sohn gebaut und für das sie einen Millionenkredit aufgenommen hat, bietet auf einer ganzen Etage medizinische Anwendungen an: Trinkkuren, Sauerstofftherapie, Ernährungsberatung, Moorbäder, Massagen. Doch die Wochenendtouristen, die zur Zeit die Mehrheit der Gäste in Karlsbad bilden, reichten nicht, um die Kosten für die 50 Mitarbeiter zu decken, erzählt Sárová. Einige Hotels in Toplagen hätten schon schließen müssen.

Milada Sárová, Kurärztin und Hotelbesitzerin aus Karlsbad
Die Ärztin Milada Sárová betreibt mit ihrem Sohn ein Kurhotel in Karlsbad. Doch ohne russische Gäste ist das Geschäft kaum rentabel. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Ärztin hofft nun auf die große Kampagne der Kurstadt. Karlsbads Stadtverwaltung will mit Werbung auf seinen "Imagewechsel" aufmerksam machen und vor allem in Deutschland neue Kurgäste gewinnen. Karlsbad gehöre schließlich seit einem Jahr zum UNESCO-Weltkulturerbe, schwärmt Oberbürgermeisterin Andrea Pfeffer Ferklová. "Wir tun viel dafür, dass die Deutschen wiederkommen. Sie sind nicht weit weg. Sie sind unsere Nachbarn." Viele Hotels investieren in Wellness-Bereiche, die lieben deutsche Gäste. Die Preise sind durch das Ausbleiben der russischen Kurgäste im Vergleich zu früher viel günstiger und nun auch mit Franzensbad und Marienbad vergleichbar. Kuranwendungen kosten bis zu einem Drittel weniger als in deutschen Bädern.

Außerdem hofft Karlsbad auf mehr Kurgäste aus Tschechien und der Slowakei, die nun, nachdem die Russen nicht mehr da sind, ihre berühmte Kurstadt wiederentdecken. Zahlen des Karlsbader Tourismusverbandes stimmen hoffnungsvoll: 2021 besuchten 37 Prozent mehr Tschechen und 31 Prozent mehr Slowaken als im Jahr davor die Stadt. Außerdem vergibt die tschechische Regierung Gutscheine an medizinisches Personal aus Krankenhäusern für Kurangebote.

An einen Neubeginn mit russischen Gästen nach dem Ukraine-Krieg glaubt in Karlsbad unterdessen zurzeit kaum jemand. "Ja, wir müssen uns neu erfinden", sagt Oberbürgermeisterin Ferklová. "Wir müssen Gäste aus unserem Land, aber auch aus ganz Europa offensiv auf uns aufmerksam machen."

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 02. August 2022 | 20:15 Uhr

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