Slowakei Wie Andy Warhols Pop Art in die slowakische Provinz kam
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26. August 2021, 15:48 Uhr
Im abgeschiedenen Osten der Slowakei steckt ein kleines Stück New York. Denn tief in der slowakischen Provinz steht das erste Andy-Warhol-Museum der Welt und lockt jährlich Zehntausende Besucher an. Einst hatten Andy Warhols Eltern ihr ärmliches Bauernleben in den Karpaten verlassen, um in den USA ihr Glück zu suchen. In New York wurde Warhol später zum Mega-Star. Und obwohl der Pop-Art-Künstler die Heimat seiner Eltern nie selbst gesehen hat, steckt doch etwas von ihr in seiner Kunst.
Der kleine Ort Medzilaborce weit im Osten der Slowakei hat bis auf eine Sache nichts Bemerkenswertes. In die Hügel der Karpaten nahe der Grenze zu Polen und der Ukraine kommen die wenigen Besucher sonst vor allem, weil sie Natur und Abgeschiedenheit suchen. Nach Medzilaborce aber zieht es Touristen aus aller Welt, um dem Star der amerikanischen Pop Art zu huldigen: Andy Warhol. Im 6.500-Einwohner-Ort ist Warhol ein Museum gewidmet, und zwar nicht irgendeins: "Es ist paradox, aber es ist so – wir sind weltweit die ersten. Das Museum ist 1991 entstanden, drei Jahre vor dem Wahrhol-Museum in Pittsburgh in den USA", erzählt der Direktor Martin Cubjak.
Warhol in der Heimat der Eltern lange unbekannt
Warhols Eltern zog es aus dem nahe Medzilaborce gelegenen Dorf Miková vor mehr als 100 Jahren über den Atlantik, um in den USA ihr Auskommen zu suchen. Heute ist im ehemaligen Kulturhaus von Medzilaborce Andy Warhols knallige Pop Art zu sehen, mit der er ab den 1960er-Jahren die New Yorker Kunstwelt auf den Kopf stellte: knallbunte Siebdrucke mit Porträts amerikanischer Stars. Aber auch Zeugnisse aus Warhols Leben zeigt die Ausstellung: Sein Taufhemdchen, sein Gebetsbuch sowie Fotos aus seiner Kindheit stehen für seine Herkunft aus einem religiösen Elternhaus. Sonnenbrille und Schlangenlederjacke erzählen von Warhol als Pop-Ikone in New York.
Seine Existenz hat das Museum dem lokalen Kunstkenner Michal Bycko und der Initiative von Warhols älteren Brüdern John und Paul zu verdanken. John Warhol besuchte nach Andys Tod 1987 die Heimat der Eltern, wo Bycko bereits Warhols Familiengeschichte rekonstruiert hatte. Kaum jemand dort in den Karpaten hatte damals eine Ahnung davon, dass der Pop-Art-Star Warhol seine Wurzeln im Osten der Slowakei hatte. In den USA wiederum hatte der Künstler seine Herkunft zeitlebens so geheim wie möglich gehalten.
Von den Städten in die Provinz und zurück
Als 1991 im neu gegründeten Museum die Ausstellung "Andy Warhol im Land seiner Eltern" eröffnet wurde, änderte sich das. Seitdem hat Medzilaborce viel auswärtigen Besuch bekommen. 2018 fanden immerhin 40.000 Kunstinteressierte den Weg dorthin, aber immer nur für kurze Ausflüge, erzählt Museumsleiter Martin Cubjak: "Die meisten Besucher kommen nur wegen des Museums hierher. Sonst gibt es hier auch nicht so viel zu sehen. Die Touristen drehen dann also wieder um und fahren zurück in die Städte. Vom Ende der Welt zurück an ihren Anfang."
Andy Warhols Vater Ondrej Varhola selbst legte mehrmals den Weg zwischen dem ärmlichen Dorf Miková am Rande des damaligen Österreich-Ungarn und dem amerikanischen Pittsburgh zurück. 1914 wanderte er endgültig in die Stahl-Metropole Pittsburgh aus, in der damals über 500.000 Mesnchen lebten. 1921 kam seine Frau Júlia nach, 1928 erblickte Warhol als jüngster von drei Söhnen der Familie in der neuen Heimat das Licht Welt.
Ikonen in der Kirche und in Warhols Kunst
Warhols Eltern waren Russinen, eine kleine Volksgruppe aus den Karpaten, deren Sprache dem Ukrainischen ähnelt. In den USA blieben die Russinen, wie viele Eingewanderte, meist unter sich. Mit ihrer Kirche hatten sie sich etwas Heimat mit nach Amerika gebracht und das Kind Andy begleitete seine Mutter oft zum griechisch-katholischen Gottestdienst.
Davon berichtet Warhols amerikanischer Weggefährte aus seiner New Yorker Zeit, Bob Colacello. In dessen Warhol-Biografie "Holy Terror" heißt es, während der Gottesdienste in Pittsburgh hätte der kleine Andy stundenlang den Ikonstas betrachtet. Von dieser Wand aus, die das Kirchenschiff vom Altarraum trennte, schauten mehr als ein Dutzend Ikonen auf das Kind herunter. Die Ähnlichkeit der Heiligenbilder und Warhols späteren Porträts sei verblüffend, ein Einfluss naheliegend, findet Colacello. Vor allem das Bunte und Einfache an Warhols unzähligen Siebdrucken von Marilyn Monroe, James Dean und Liz Taylor erinnere an die Ikonen.
Andy Warhol soll die Heimat seiner Eltern nie selbst gesehen haben. Gegenüber Journalisten in den USA soll er sich immer geweigert haben, etwas über seine Herkunft preiszugeben. "I come from nowhere" – "Ich komme von nirgendwo", soll seine Antwort auf die Frage danach gewesen sein. Museumsdirektor Cubjak in Medzilaborce ist heute überzeugt davon, dass man Andy Warhols Kunst nicht verstehen kann, wenn man dieses Nirgendwo im Osten der Slowakei nicht kennt.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN - Grenzgeschichten - Vom Balktikum ans Schwarze Meer | 24. August 2021 | 19:50 Uhr