Fußball Sheriff Tiraspol aus Transnistrien: Sensationelle Siege in der Champions League
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21. Oktober 2021, 11:45 Uhr
Zum ersten Mal hat sich ein Verein aus der moldauischen Liga für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert und dabei sofort für Furore gesorgt, als die Mannschaft von Sheriff Tiraspol im September Real Madrid bezwang. Sheriff ist in der Hauptstadt Transnistriens beheimatet, einem international nicht anerkannten Defacto-Regime, das durch Abspaltung von der Republik Moldau entstanden ist. Sheriffs Erfolge lassen die Menschen aus Moldau und Transnistrien wieder näher zusammenrücken.
Natürlich hatte kaum ein Fußballexperte damit gerechnet, dass die Fußballer von Sheriff Tiraspol auch nur die geringste Chance hätten, ein einziges Spiel in ihrer Champions League-Gruppe zu gewinnen. Zu übermächtig schienen die Gegner aus Madrid, Mailand und Donezk. Die meisten Experten wussten selbst noch nicht einmal, wo Tiraspol überhaupt liegt. Dirk Kuyt, ehemaliger niederländischer Weltklassespieler, ließ sich gar zu der Aussage hinreißen, dass Mannschaften wie Sheriff Tiraspol in der Champions League nichts zu suchen hätten.
Sheriff Tiraspol besiegt Real Madrid
Mitte September aber überraschten die namenlosen Kicker aus der Republik Transnistrien die europäische Fußballwelt: Sheriff gewann nach einem überaus soliden Spiel hochverdient gegen die ukrainische Spitzenmannschaft Schachtar Donezk. Zwei Wochen später dann die eigentliche Sensation. Im legendären Stadion Santiago Bernabeu errang Sheriff Tiraspol einen nie für möglich gehaltenen Sieg über das Starensemble von Real Madrid.
Der Sheriff von Transnistrien: Viktor Gusan
Auch wenn sich das Budget von Sheriff Tiraspol im internationalen Vergleich eher bescheiden ausnimmt, so verfügt der Verein doch über eine für die Region ausgezeichnete Finanzkraft. Der Klub soll über ein Kapital von etwa 13 Millionen Euro verfügen und ihm gehören eine kleine Fußballakademie und durchaus moderne Sportstätten. Generalsponsor des Teams ist die gleichnamige Holding, zu der heute mehr als 50 transnistrische Unternehmen gehören. 1993 gründete der Polizist Viktor Gușan eine Tankstellenkette und gab ihr den Namen "Sheriff". Heute ist das Unternehmen das größte Transnistriens und Gusan verfügt selbstverständlich auch über ausgezeichnete Verbindungen zur politischen Elite des Landes. 1997 gründete Gușan den Fußballverein "Sheriff". "Jeder Oligarch im Osten muss sich auch für die Gesellschaft engagieren", sagte er damals. Über Viktor Gușan ist ansonsten fast nichts bekannt. Er gibt keine Interviews und tritt nicht in der Öffentlichkeit auf.
Fußballer aus aller Welt spielen bei Sheriff Tiraspol
Sheriff Tiraspol spielt seit seiner Gründung in der moldauischen Liga und gewinnt seit 2001 beinahe ununterbrochen die Meisterschaft. Die Spieler stammen seither fast alle aus dem Ausland. Auf der Gehaltsliste des Vereins stehen heute 27 Spieler aus immerhin 18 Ländern: Brasilien, Bosnien, Kolumbien, Griechenland, Ghana, Malawi, Luxemburg und der Elfenbeinküste. An der Qualifikation für die Champions League war der Verein freilich bislang stets gescheitert.
Gemischte Gefühle in Moldau
Der Erfolg des Klubs aus Transnistrien hat bei den moldauischen Fußballfans indes geteilte Reaktionen ausgelöst. Einige sagen, dass es unangebracht sei, Sheriff zu unterstützen, da das Unternehmen mit der Republik Moldau nichts zu tun habe. Sheriff zu unterstützen, bedeute im Grunde nichts anderes, als ein Loblied auf den Oligarchen Gusan zu singen. Andere Fans hingegen erwarten außergewöhnliche Fußballfeste, wenn europäische Spitzenteams in Tiraspol ihre Aufwartung machen. Sie freuen sich, dass eine Mannschaft aus der Republik Moldau solch große Erfolge verbuchen kann, auch wenn Tiraspol, nach Lesart der Transnistrier, die Hauptstadt eines eigenständigen Landes ist.
Transnistrien: Von keinem Staat der Welt anerkannt
Die Republik Transnistrien, die vollständig auf dem Gebiet der Republik Moldau liegt, wurde 1990 in den Turbulenzen, die der Untergang der Sowjetunion verursachte, gegründet, indem es sich nach einem kriegrischen Konflikt von Moldau abspaltete. Das kleine Land mit seinen etwa 500.000 Einwohnern verfügt seither über eine eigene Regierung, Währung, Verwaltung und sogar über Streitkräfte. Bislang erkennt allerdings kein Land der Welt und keine internationale Organisation Transnistrien als souveränen Staat an. De jure gehört Transnisrien noch immer zur Republik Moldau. In der Hauptstadt Transnistriens sind mittlerweile selbst diejenigen, die sich nicht sonderlich für Fußball interessieren, begeistert. "Wir wohnen in der Stadt, die Real Madrid besiegt hat", sagen sie stolz.
Sheriff Tiraspol verbindet Transnistrien und Moldau
Die Teilnahme von Sheriff Tiraspol an der Champions League ist jedenfalls ein historisches Ereignis, von dem sowohl Transnistrien als auch Moldau profitieren. Jedes Spiel, das Sheriff beim prestigeträchtigsten europäischen Fußballturnier absolviert, spült erhebliche finanzielle Mittel ins Land, die auch für die Entwicklung des Jugendfußball eingesetzt werden sollen. Aber noch viel wichtiger ist die Tatsache, dass viele Moldauer, die noch nie in Transnistrien waren, jetzt unbedingt einmal hinfahren wollen. Auf diese Weise helfen die erfolgreichen Spiele von Sheriff Tiraspol, die Menschen beider Länder einander näherzubringen.
Als am Dienstag Sheriff Tiraspol gegen Inter Mailand spielte, drückten jedenfalls Fußballfans an beiden Ufern des Grenzflusses Dnister gemeinsam dem Außenseiter, der bislang die gesamte Fußballwelt überraschte, die Daumen. Es half allerdings nichts: Mailand gewann 3:1.
Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell Fernsehen | 29. September 2021 | 19:30 Uhr