Adventszeit Sind polnische Weihnachtsmärkte inzwischen besser als deutsche?
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09. Dezember 2023, 05:00 Uhr
Angeblich schmeckt ein Schmalzbrot dort so gut wie Kaviar und der galizische Glühwein, bei rieselnden Schneeflocken getrunken, soll ein Genuss für sich sein. Die Rede ist von den polnischen Weihnachtsmärkten, die in den vergangenen Jahren in den internationalen Rankings sehr stark nach oben geklettert sind. Sie sollen besser sein als die deutschen – dabei ist die Weihnachtsmarkttradition in Polen noch recht jung.
Ob von dem amerikanischen TV-Sender CNN, Tripadvisor, dem britischen Weihnachtsbaumpotentat "Christmas Tree World" oder der Tageszeitung "The Times" erstellt: In den meisten Rankings stehen die Weihnachtsmärkte in Krakau und Breslau weit oben – in der Regel sind sie höher platziert als Weihnachtsmärkte in Deutschland. Die beiden etwa 300 Kilometer voneinander entfernten südpolnischen Städte, die für Citybreak-Liebhaber auch so schon sehr attraktiv sind, werden damit nun auch zu Pflichtstationen auf der winterlichen Reisekarte.
Dabei sind Weihnachtsmärkte eine relativ junge Erscheinung in dem Land östlich der Oder und Neiße. Lange Zeit kannten die Polen diese Tradition vor allem von ihren Reisen nach Deutschland oder Tschechien, und als vor etwa 20 bis 30 Jahren die ersten Weihnachtsmärkte in Polen stattfanden, standen die deutschen Vorbilder Pate und galten als das Maß der Dinge. Doch inzwischen hat der Schüler offenbar den Meister übertroffen.
Weihnachtsmarkt in Krakau – historische Kulisse
Der Krakauer Hauptmarkt, mit 40.000 Quadratmetern Fläche einer der größten mittelalterlichen Marktplätzte Europas, scheint wie geschaffen für eine solche Veranstaltung. Die prachtvollen historischen Tuchhallen, einst das Statussymbol der Krakauer Kaufleute, und die schmucke Marienkirche bilden die perfekte Kulisse. In diesem Jahr bieten dort fast 100 Austeller aus Polen und dem nahen Ausland ihre Produkte an.
Dariusz Michalak, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft "Artim", die den Krakauer Weihnachtsmarkt organisiert, unterstreicht, dass es dabei aber um viel mehr gehe als nur um den Verkauf. "Unser Weihnachtsmarkt ist zugleich ein Kulturevent. Auf der Bühne gibt es laufend Auftritte von Musik-, Gesangsgruppen und Chören. Einmalig ist zudem der Umzug bunter Folkloregruppen aus der ganzen Region Kleinpolen. Meine Kollegen und ich besuchen regelmäßig Weihnachtsmärkte in Deutschland, Tschechien, Österreich und der Slowakei. Und eines kann ich sagen: So schön wie der in Krakau ist keiner", lobt Michalak sein eigenes Produkt.
Die Weihnachtszeit ist in Krakau mit einer interessanten lokalen Tradition verbunden. Seit dem 19. Jahrhundert werden dort von Handwerkern und Hobbybastlern sogenannte Krakauer Weihnachtskrippen angefertigt – tragbare, bunte Krippen aus Pappe und Aluminiumfolie, deren Form an bekannte Bauwerke der Stadt erinnert, meist an die gotische Marienkirche. Im Dezember oder Januar werden sie dem breiten Publikum präsentiert, und oft finden diese Schauen am Hauptmarkt statt.
Weihnachtsmarkt in Breslau – Zwerge als Leitmotiv
Bei Breslau kann in Bezug auf Weihnachtsmärkte eigentlich nicht von einer jungen Tradition gesprochen werden. Denn in dieser Stadt, die bis 1945 innerhalb der Grenzen Deutschlands lag, kannte man sie bereits im 16. Jahrhundert. Nach einer mehrere Jahrzehnte dauernden Unterbrechung wurde diese Tradition in den frühen 2000er Jahren wiederbelebt. An die historischen Weihnachtsmärkte wird heute nicht direkt angeknüpft, vorhanden ist dagegen ein klarer Bezug auf die jüngste Vergangenheit – in Form von Zwergen, die als Deko über den ganzen Weihnachtsmarkt verteilt sind. Zwerge sind inzwischen aus dem Breslauer Stadtbild nicht mehr wegzudenken: Viele kleine Zwergfiguren sind das ganze Jahr über an verschiedenen Orten in der Breslauer Altstadt aufgestellt, und im Advent tauchen sie eben auch auf dem Weihnachtsmarkt auf.
Sie erinnern an die sogenannte "Orange Alternative". Diese informelle Bewegung nahm in den 1980er Jahren mit ihren Zwergen-Graffitis und -happenings das kommunistische Regime auf die Schippe, als Protestform. "Jetzt sind die Zwerge bei uns die Hüter der Weihnachtsatmosphäre", scherzt Paulina Krupińska von der Kunst-Agentur "Pianoforte", die seit mehreren Jahren den Weihnachtsmarkt organisiert. Die Zwergenfiguren und -dekorationen seien unter den Gästen beliebte Selfie-Motive, genau so beliebt wie die stiefelförmigen Becher, in denen an einigen Ständen Glühwein serviert wird – eine klare Anspielung auf das Schuhwerk der Zwerge.
Worin besteht die Eigenart des Breslauer Weihnachtsmarktes? "Unter anderem darin, dass er nicht nur an einem Ort stattfindet", erklärt Krupińska. "Das ganze Herz der Stadt verwandelt sich Ende November für mehrere Wochen in einen Weihnachtsmarkt. Außerhalb des Marktplatzes findet man auch an einem weiteren altstädtischen Platz und in zwei autofreien Straßen bunte Verkaufsstände". In diesem Jahr sind es über 200 – wahrscheinlich der polnische Rekord.
Krupińska betont, dass die Gäste vor allem das loben, was man weder sehen noch hören kann, nämlich das Ambiente. Auf dem Breslauer Weihnachtsmarkt fühle man sich einfach wohl, so die weit verbreitete Meinung. Geworben wird für ihn als Ort der Begegnung. Und er bietet tatsächlich mehrere Gelegenheiten dazu. Menschen treffen sich nicht nur an den Verkaufsständen, sondern auch an eigens zu diesem Zweck gebauten, an mehreren Orten aufgestellten Holzhütten, in denen Besucher diverse Attraktionen erwarten. Einige dieser Hütten haben sogar Aussichtsterrassen, von denen man den meist von Tausenden Menschen gefüllten Hauptmarkt bestaunen kann.
Trümpfe der Polen: kulinarische Vielfalt, zivile Preise
Was sind aber die Trümpfe der polnischen Weihnachtsmärkte? Die malerischen Kulissen sind nur einer der Gründe, weshalb die Märkte in internationalen Rankings punkten. Hervorzuheben sind auch die gute Qualität und die Vielfalt der angebotenen Waren. Die Besucher können nicht nur kulinarische Erzeugnisse aus Polen genießen, denn die Aussteller kommen auch aus der Slowakei, Litauen oder Ungarn. Vor allem bei Gästen aus Westeuropa vermitteln deren Produkte einen gewissen Hauch von Exotik.
Ein Argument sind überdies die im EU-Vergleich erschwinglichen Preise – nicht nur der angebotenen Waren, sondern auch der Übernachtungen in der Stadt. Ein weiterer Faktor ist das Gefühl der Sicherheit. Polen ist schließlich ein Land, das von Terroranschlägen bisher nicht betroffen war. Und was sich nicht zuletzt stark auf die Atmosphäre auswirkt, ist die Tatsache, dass man die Weihnachtsmärkte in Krakau und Breslau – anders als in vielen anderen Regionen Europas – oft noch bei echtem Winterwetter erleben kann.
Die besten Weihnachtsmärkte in Polen
Krakau (Kraków): Der Krakauer Weihnachtsmarkt gilt als der älteste in Polen. Auffällig ist sein international geprägtes kulinarisches Angebot – neben polnischen Speisen werden auch Leckerbissen aus Deutschland, Litauen, der Slowakei, der Ukraine und den Niederlanden angeboten.
Breslau (Wrocław): Wahrzeichen des Breslauer Weihnachtsmarktes, der vor der historischen Kulisse des gotischen Rathauses stattfindet, ist eine riesige Weihnachtspyramide. Der Markt wartet mit vielen Attraktionen für Kinder auf, darunter ein Märchenhain, ein Winterlabyrinth und ein Karussell. Außerdem gibt es für die kleinen Weihnachtsmarktbesucher Workshops, bei denen sie lernen, Weihnachtskugeln zu bemalen. Für viel Spaß sorgen außerdem Events wie die "Renntier- und Elfenparade" und die "Begrüßung des Weihnachtsmanns".
Danzig (Gdańsk): Ein wahrer Geheimtipp ist auch der Danziger Weihnachtsmarkt, der wie in Breslau und Krakau vor einer prachtvollen historischen Kulisse stattfindet. Eine originelle Attraktion ist ein VR-Flugsimulator, in dem man in die Haut des Weihnachtsmanns schlüpfen und mit seinen Schlitten rund um den Globus und sogar ins Weltall fliegen kann. Kultstatus genießt schon seit Jahren ein sprechender Elch. Die "Engelsmühle", die auf dem Weihnachtsmarkt steht, ist eine originelle Verbindung aus einer Weihnachtspyramide und einer Krippe. Für Unterhaltung sorgen außerdem ein Riesenrad, ein Karussell, eine Weihnachtsmannwerkstatt, ein riesiger Adventskallender, an dem jeden Tag feierlich ein Türchen geöffnet wird, sowie regelmäßige bunte Paraden.
Posen (Poznań): Der Posener Weihnachtsmarkt wartet mit vielen Events wie vorweihnachtliches Kindertheater oder Treffen mit Märchenfiguren auf. Jeden Donnerstag gibt es die "Christmas Silent Disco" mit Kopfhörermusik. An Charitytagen werden Spenden für verschiedene gemeinnützige Einrichtungen aus der Region gesammelt. Den Abschluss des Weihnachtsmarktes bildet ein Neujahrskonzert am 5. Januar.
Bromberg (Bydgoszcz): Der Weihnachtsmarkt in Bromberg punktet vor allem mit reichlich Live-Musik. Die Stadt gehört dem UNESCO-Netzwerk der Kreativstädte im Bereich Musik an, und das schlägt sich auch hier nieder – das Weihnachtsmarktprogramm kündigt 130 Konzerte an. Außerdem ist es einer von ganz wenigen Weihnachtsmärkten, die (teilweise) auf einer Brücke stattfinden.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Mensch Nachbar schaut über Grenzen | 26. November 2023 | 18:00 Uhr