Ein Mann beobachtet ein brennendes Feld
Ein Mann beobachtet die Flammen im Biebrza-Nationalpark im Osten Polens. Bildrechte: imago images/Eastnews

Klimawandel Polen steht vor einem Dürresommer

29. April 2020, 05:00 Uhr

Eine Woche lang brannte Biebrza, der größte Nationalpark Polens. Es ist der dramatische Auftakt eines trockenen und heißen Sommers - und eines langfristigen Trends. Denn die Klimakrise droht, auch Polen hart zu treffen.

Tote Rehe liegen im Gras, verkohlte Flächen reichen bis an den Horizont: Die Fotos, die nach dem siebentägigen Brand im Nationalpark Biebrza im Osten Polens durchs Netz gehen, schockieren. Sie erinnern viele Nutzer an Bilder aus dem weit entfernten Australien, in dem monatelang und noch bis Mitte Februar Brände wüteten. Die Polen haben nicht damit gerechnet, dass sich die Klimakrise so früh und so dramatisch im eigenen Land zeigen wird. Mittlerweile sind die Feuer im Nationalpark gelöscht, doch die Bedrückung bleibt. Denn das war erst der dramatische Vogeschmack auf einen trockenen und heißen Sommer.

Ganz Nord- und Mitteleuropa wartet auf Regen, ausreichend nass ist es nur in Spanien, Italien und Südfrankreich. Polen leidet besonders stark unter dem Regenmangel. Schon das vergangene Jahr war zu trocken und entgegen der Prognosen blieb der Winter warm, es schneite nur in den Bergen. "Leider beobachten wir schon seit längerer Zeit, dass sich über Polen öfter als früher Hochdruckgebiete aufbauen", sagt Ewa Łapińska, Meteorologin am Institut für Meteorologie und Wasserwirtschaft (IMGW). "Tiefdruckgebiete, die normalerweise aus dem Westen Europas zu uns kommen, ziehen nach Norden und Süden ab und meiden uns."

Drei Feuerwehrmänner sitzen auf einem Feuerwehrauto
Eine Woche lang wüteten die Brände im polnischen Biebrza-Nationalpark und hinterließen verkohlte Landschaften. In diesem Jahr kamen sie viel zu früh und waren ungewöhnlich heftig. Bildrechte: imago images/Eastnews

Es müsste einen Monat lang regnen

Laut Prognosen des IMGW wird es in den nächsten drei Monaten nur vereinzelt regnen. Das reicht nicht aus, um das natürliche Wassersystem zu regenerieren. "Es müsste ordentlicher Regen fallen. Und wenn ich ordentlich sage, dann meine ich damit nicht viel Niederschlag an einem Tag, sondern über einen sehr langen Zeitraum hinweg, vielleicht einen Monat lang", sagt Pawel Rowiński, Hydrologe und Vizepräsident der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Der Experte bezeichnet die Situation als "ziemlich dramatisch". "Alle Daten zeigen, dass die Situation um einiges schlimmer ist, als vor einem Jahr." Und schon 2019 sorgte die Dürre für eine schlechte Ernte, in Skierniewice, einer Stadt nahe Warschau, lief zwei Tage lang kein Wasser aus der Leitung.

Dürren treten leise auf, sie fordern keine Opfer, sie produzieren zunächst keine medienwirksamen Bilder wie Brände es tun. Die Landwirte sind die ersten, die den Wassermangel spüren. Andrzej Kurtys, 56, ist Großbauer im nordpolnischen Budyń und fürchtet um seine Ernte. Insgesamt gehören zu seinem Betrieb 1950 Hektar Land, er beschäftigt 20 Mitarbeiter. Auf 70 bis 80 Prozent davon baut er Körnermais an. "Anders als zum Beispiel Roggen reagiert Mais sehr empfindlich auf Trockenheit", sagt er. "Roggen kann noch das Winterwasser nutzen, aber Mais benötigt zu kritischen Zeitpunkten im Juni, Juli, August Wasser."

Ernte in Gefahr

Kurtys durchschnittliche Maisernte liegt bei 7,5 bis 8 Tonnen Mais pro Hektar. Im vergangenen Jahr erntete er nur 5,3 Tonnen pro Hektar. Er befürchtet, dass die Erträge in diesem Jahr noch geringer ausfallen werden. "Ich muss die Investitionen durchziehen, für die ich bereits Verträge unterschrieben habe, aber neue Investitionen plane ich jetzt erstmal gar nicht", sagt er. Im vergangenen Jahr unterstützte die Regierung Landwirte wie ihn. Sie führte Krisenkredite und Dürre-Subventionen ein. Kurtys erhielt pro Hektar 300 Złoty (gut 70 Euro). "Wegen Corona und der folgenden Wirtschaftskrise rechne ich erstmal nicht mit staatlicher Unterstützung in diesem Jahr", sagt er.

Biebrzasümpfe im Biebrza-Tal
Sumpflandschaft im Biebrza-Nationalpark. Pawel Rowiński, Hydrologe und Vizepräsident der Polnischen Akademie der Wissenschaften, plädiert dafür, lokale Lösungen für den Wassermangel zu finden. Dafür müssten Moore wiederbelebt und natürliche Flussverläufe erhalten werden. Bildrechte: imago images/blickwinkel

Die Regierung will nun in ein besseres Wassermanagement investieren. "Laut Schätzungen können wir ungefähr 6,5 Prozent des Wassers im Land halten", sagt Hydrologe Rowiński. Zum Vergleich: Das ebenso trockene Spanien könne 40 Prozent seines Wassers halten. "Man kann große Speicher bauen, aber ich bevorzuge lokale Lösungen, viele kleine Weiher, die Wiederbelebung von Mooren, natürliche Flussverläufe", sagt Rowiński, "Unsere Städte müssten außerdem zu Schwämmen werden, statt - wie jetzt - aus Betonplatten zu bestehen, von denen das Wasser schnell abfließt." Doch solche Investitionen dauern Jahre.

Dürren als neue Realität

Dürren könnten zur Norm werden, nicht nur in Polen. Meteorologin Łapińska analysierte Daten der vergangenen 70 Jahre, der Trend - höhere Temperaturen, längere Wärmeperioden, weniger Niederschlag - halte seit etwa sieben Jahren an. Polen ist damit in gewisser Weise Vorreiter in der EU. Denn sinkt das Tempo der Erderwärmung nicht ab, werden Dürren im Großteil Europas bis zum Ende des Jahrhunderts häufiger auftreten. Sie könnten dann, so schätzen es Experten ein, in vielen EU-Ländern zur größten klimatischen Bedrohung werden.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Sachsenspiegel | 26. April 2020 | 19:00 Uhr

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