Quotenregelung Polens Regierung verordnet Radiosendern mehr einheimische Musik
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30. März 2021, 07:08 Uhr
In Polen sollen nach dem Willen der PiS-Partei Radiosender demnächst noch mehr polnische Songs spielen. Auf 49 Prozent soll die Quote erhöht werden. Das wäre die höchste Quote für einheimische Musik in ganz Europa. Bei Sendern und Medienexperten kommt der Vorstoß nicht gut an. Sie kritisieren ihn als politisch motiviert.
Ein neues Gesetz soll polnische Radiosender dazu verpflichten, mindestens 49 Prozent polnischsprachige Musik zu senden. Das wäre die höchste Quote für einheimische Musik in ganz Europa. Der Vorschlag der national-konservativen PiS-Partei sorgt bei den Radiosendern für Entrüstung. Viele sehen ihre Existenz bedroht und befürchten einen Exodus zu Diensten wie Spotify und Co. Experten vermuten, dass es bei dem Vorschlag eigentlich um etwas ganz anderes geht.
Schon jetzt gibt es in Polen eine Radioquote für polnische Musik, sie liegt allerdings bei 33 Prozent. Die Regierung argumentiert, dass die neue Regelung polnische Künstler stärken und ihnen mehr Raum in polnischen Radioprogrammen einräumen soll. Doch in den Sendern regt sich heftiger Widerstand.
Radiosender fürchten um ihr Geschäft
Mitte Februar schlossen sich mehr als 200 Radiostationen in Polen, fast 70 Prozent aller Radiosender des Landes, zusammen, um gegen die geplante neue Vorgabe zu protestieren - kleine Lokalsender genauso wie landesweite Radiosender. In einem gemeinsamen Brief an das Kulturministerium und die Kanzlei des Ministerpräsidenten sprachen sie sich gegen die Erhöhung der Radioquote aus. Die Rede ist von "katastrophalen Auswirkungen für den polnischen Rundfunk." Für Spartensender, die sich auf eine bestimmte Musikrichtung spezialisieren, könnte die Regelung sogar das Aus bedeuten, befürchten sie. Aus Sicht der Sender würden von dem Vorschlag vor allem ausländische Streaming-Plattformen wie Spotify oder Apple Music profitieren, bei denen eine solche Regelung dann nicht gelten würde. Bereits jetzt sei es für die Radiosender schwierig, mit diesen Unternehmen mitzuhalten.
Markt nicht groß genug
Aber auch Experten schlagen Alarm. Wiesław Godzic ist Kultur- und Medienwissenschaftler an der Universität in Breslau. Er ist Experte für Popkultur und audiovisuelle Medien. Für ihn ist es keine Überraschung, dass die Radiosender so geschlossen und schnell auf das geplante Gesetz reagiert haben: "Die Radiosender sind gegen das Gesetz, weil sie sehen, wie die Situation auf dem Markt ist." Der Markt richte sich nach dem Hörer und für noch mehr polnische Musik sieht er keinen Platz in den Programmen. Der polnische Musikmarkt sei schlicht zu klein und "wenn die Quote erhöht wird, wird die Qualität leiden. Wir werden nicht so viel wertvolle Musik finden. So viele Repräsentanten hat die polnische Musik nicht", erzählt er im Gespräch.
Radioquoten sind nicht neu
Die Radioquoten zur Förderung heimischer Musik sind kein neues Instrument. Es gibt sie in vielen Ländern Europas - wenngleich die Interessen und Ziele sicherlich verschieden sind und waren. So gab es in der DDR eine Quote von 60 Prozent für Musik aus einheimischer Produktion. Und auch Frankreich führte 1994 eine Quote für einheimische Songs ein, um die damals stark geschwächte französische Musikindustrie vor dem Untergang zu retten. Bis heute müssen die Radiosender mindestens 40 Prozent französischsprachige Musik im Programm unterbringen. Obwohl die Quote auch in Frankreich anfangs heftig kritisiert worden war, galt sie schon kurze Zeit später als großer Erfolg. Viele sehen in ihr den Grundstein für eine neue Generation französischer Künstler. Im Unterschied zum polnischen Musikmarkt ist der französische jedoch deutlich größer, da die Sprache von viel mehr Menschen gesprochen wird. Wiesław Godzic, der Kultur- und Medienwissenschaftler von der Universität in Breslau, bezweifelt daher, dass eine ähnlich positive Entwicklung wie in Frankreich auch in Polen eintreten würde.
Vorwurf der Politisierung
Die Erhöhung der Quote hält Godzic vor allem für einen politisch motivierten Vorschlag, der in erster Linie nichts mit der Förderung der polnischen Kultur zu tun hat. "Ich sehe darin nur einen weiteren Mosaik-Stein einer Strategie, dass alles national und patriotisch sein soll." Die Regierungspartei PiS sei fasziniert von der "nationalen Idee". "Sie müssen aufhören vorzutäuschen, dass sie besser als die Hörer selbst wissen, was diese wollen."
Dass der Quoten-Vorschlag künftig helfen könnte, polnische Musik präsenter zu machen, glaubt Godzic nicht: "Der Markt funktioniert so nicht. Der Markt muss erst einmal Interesse haben, und da ist es völlig egal, ob es polnische, französische oder englische Musik ist, sie muss gut sein." Der Markt denke nicht national, sondern ästhetisch. Auch die Sender argumentieren, dass die geplante Quote den betroffenen Künstlern gar nicht helfen würde. Sie fürchten, dass sie durch die Quote Hörer verlieren und damit auch Werbeeinnahmen. Und dann müssten sich viele wohl aus Konzert-Kooperationen mit polnischen Künstlern zurückziehen.
Bisher weit entfernt von 49 Prozent
Nach aktuellen Zahlen des Nationalen Rundfunkrats KRRiT sendeten die polnischen Radiosender im Jahr 2019 40,4 Prozent polnische Musik. Die kommerziellen landesweiten Hörfunkwellen RMF FM und Radio Zet kamen jedoch nur auf einen Anteil von 34,5 Prozent. Die Jugendprogramme RMF Maxxx und Radio Eska lagen mit 36,5 Prozent und 37,3 Prozent etwas darüber. Den höchsten Anteil von polnischer Musik hatten die öffentlich-rechtlichen Programme von Polskie Radio mit 44,3 Prozent. Merkwürdig finden viele Experten auch die Tatsache, dass sich die Quote nur auf polnischsprachige Musik bezieht. Ausschlaggebend für die Anrechnung auf die Quote ist also allein die Sprache des Textes. So kommt es zu dem Paradox, dass die Lieder mancher polnischer Künstler nicht auf die Quote angerechnet werden können, wenn sie auf Englisch gesungen werden. Regelmäßig werden zudem Lieder aus anderen Sprachen ins Polnische übersetzt, um sie unter die Regelung fallen zu lassen. Eine andere Strategie, die viele Radiosender anwenden, ist zudem, viel polnische Musik nachts zu "versenden".
Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell Radio | 03. April 2021 | 07:15 Uhr