Vierjähriges Verfahren Polnischer TV-Sender wegen Hetzbotschaft verurteilt
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20. Februar 2021, 11:30 Uhr
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Polen – TVP – ist nach dem Mord am Danziger Bürgermeister Paweł Adamowicz für seine Berichterstattung scharf kritisiert worden. Ein Warschauer Berufungsgericht verurteilte einen TVP-Bericht jetzt als "rassistisch" und "fremdenfeindlich". Der Sender, der aus Sicht vieler Polen ein Sprachrohr der Regierungspartei PiS geworden ist, muss nun umgerechnet 11.000 Euro an eine Hilfsorganstation für Einwanderer zahlen und sich bei der Stadt Danzig entschuldigen.
Es ist das Ende eines vier Jahre langen Prozesses. Im Zentrum des Gerichtsurteils steht der ehemalige Danziger Bürgermeister Paweł Adamowicz und die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks TVP über ihn.
Adamowicz wurde am 13. Januar 2019 bei einer Benefizveranstaltung von einem Täter auf der Bühne mit einem Messer niedergestochen und starb am Tag darauf im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Adamowicz war ein scharfer Kritiker der Regierungspartei PiS und setzte sich für Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte ein. In den Wochen und Monaten nach dem Attentat richtete sich die Wut eines Teils der Bevölkerung auch gegen den Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Witwe des verstorbenen Paweł Adamowicz gab TVP in einem Interview sogar eine Mitschuld am Tod ihres Mannes. Einer der Beiträge, die TVP damals über ihn sendete, war nun Gegenstand einer Verhandlung an einem Warschauer Gericht.
Sender verfälschte Bericht zu Adamowicz
Adamowicz hatte 2016 den Danziger "Rat der Immigranten" gegründet, der aus Bürgern der Stadt mit verschiedenen Nationalitäten besteht und die Vielfalt in der Stadtpolitik sicherstellen soll. TVP produzierte darüber einen knapp einminütigen TV-Spot, der kurz vor der bekannten Sendung "Minęła 20" auf dem Kanal TVP Info gesendet wurde und auch über die Social-Media Plattformen Facebook und Twitter verbreitet wurde. In dem Clip waren Bilder von wütenden, aggressiven Flüchtlingen zu sehen, untermalt mit bedrohlich wirkender Musik.
Begleitet wurde der Ausschnitt von dem Text: "Der Präsident von Danzig lädt Zuwanderer in seine Stadt ein. Er behauptet, dass er auf diese Weise die Ehre Polens in den Augen Europas und der Welt rettet." Zudem wurden Aussagen von Adamowicz aus dem Kontext gerissen und in den Beitrag eingebaut. Beim Zuschauer wurde so der Eindruck erweckt, Paweł Adamowicz wolle unkontrolliert Flüchtlinge nach Danzig kommen lassen. Das Video wurde binnen kurzer Zeit hunderttausendfach im Netz abgerufen. Der Sender TVP zog den Beitrag später wegen "handwerklicher Mängel" zurück.
Klage gegen TVP
Der Rechtsstreit um diesen Beitrag zog sich über vier Jahre hin. Eingeleitet hatte das Verfahren gegen TVP im Auftrag der Stadt Danzig noch Adamowicz selbst. Bereits im Januar 2020 kam ein Gericht in Warschau zu dem Urteil, dass TVP gegen das Gesetz verstoßen habe. Der Sender legte dagegen jedoch Berufung ein. Das Verfahren landete vor dem Berufungsgericht in Warschau.
Schwere Vorwürfe gegen den Sender
Das nun gesprochene Urteil ist rechtskräftig und kritisiert die Berichterstattung von TVP scharf: Das von TVP präsentierte Material habe einen "sehr einseitigen und selektiven Charakter" gehabt, erläuterte die Richterin Małgorzata Kuracka vom Berufungsgericht Warschau in der Urteilsbegründung. Den Richtern zufolge sei der Beitrag "rassistisch" und "fremdenfeindlich" gewesen. Das Material sei in inakzeptabler Weise erstellt worden und entspreche nicht der Ernsthaftigkeit und dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Die Persönlichkeitsrechte der Stadt Danzig seien verletzt worden. TVP muss sich nun öffentlich bei der Stadt Danzig entschuldigen. Dazu muss der Sender auf seinen Facebook- und Twitter-Kanälen eine Entschuldigung veröffentlichen und diese auch in der Sendung "Minęła 20" vortragen. Zudem muss die Entschuldigung auch auf der Website von TVP Info gut sichtbar platziert werden. TVP darf den festgelegten Entschuldigungstext ebenso nicht verändern. Dieser Aufforderung kam der Sender nun nach:
Zudem muss TVP 50.000 Złoty (rund 11.000 Euro) an das Danziger "Zentrum zur Unterstützung für Immigranten" zahlen. Das Ziel dieser Organisation ist die Unterstützung, Integration und Betreuung von Migranten in Danzig.
Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Die Kritik an TVP ist nicht neu: Seit der Umstrukturierung des Senders durch die Regierungspartei PiS wird dem Sender immer wieder vorgeworfen, Tatsachen zu verfälschen und unausgewogen zu berichten. Bereits kurz nach ihrem Antritt brachte die PiS Ende 2015 ein neues Mediengesetz durch das Parlament, dass ihr weitreichenden Zugriff auf die öffentlich-rechtlichen Medien ermöglichte. Der von der PiS neu eingesetzte Direktor Jacek Kurski ist ein enger Freund des Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński.
In den öffentlich-rechtlichen Medien setzte kurze Zeit später eine Entlassungswelle ein: Zahlreiche prominente Journalisten wurden entlassen oder kündigten aus Protest. Die Opposition und zahlreiche Demonstranten protestierten damals vor der Sendezentrale in Warschau und forderten unter Schlagworten wie "Nie oglądam TVPiS" ("Ich schaue TVPiS nicht") zum Boykott der TVP-Sender auf. Seitdem verzeichnen die öffentlich-rechtlichen Programme einen deutlichen Zuschauerrückgang und mehrere Studien haben gezeigt, dass sich das Programm von TVP zu einem einseitigen Programm zugunsten der PiS-Partei entwickelt hat.
(Volker Queck)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. März 2019 | 20:15 Uhr