Ostern im Osten Ostern auf dem Friedhof in Russland
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09. April 2020, 14:05 Uhr
Es gab Zeiten in Russland, da konnten religiöse Feste und Bräuche nur in der Familie oder in kleinen Zirkeln unter Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit begangen werden. Diese Zeit begann 1917, als nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution der Atheismus zur Staatsdoktrin erklärt wurde.
Ostern, das wichtigste Fest der orthodoxen Christen, war eines dieser Ereignisse, die der Staatsmacht nicht so recht passten. Es war nicht direkt verboten, Ostern zu feiern, es gab Gottesdienste in den Kirchen und die Familien kamen selbstverständlich am Ostersonntag zusammen, im offiziellen Leben des Landes spielte das Fest aber keine Rolle. Das änderte sich erst Mitte der 1980er-Jahre, als Michail Gorbatschow Perestroika und Glasnost propagierte, und vollends dann nach dem Zerfall des kommunistischen Riesenreichs.
Stundenlanger Gottesdienst
Der Gottesdienst am Abend des Karsamstags ist der wichtigste des ganzen Jahres. Er beginnt um 23 Uhr. Genau um Mitternacht tritt der Geistliche mit einer großen Kerze in der Hand vor die dichtgedrängt stehenden Gläubigen und spricht die Worte, auf die alle gewartet haben: "Christus ist auferstanden". Die Menschen antworten im Chor: "Fürwahr, er ist auferstanden". Darauf geht der Pope mit langsamen Schritten zum Kirchenportal. Nun beginnt der Kreuzgang, symbolisierend den Weg der Jünger, die dem auferstandenen Christus einst entgegengingen. Gemeinsam mit den Gläubigen geht der Geistliche einmal um die Kirche - entgegen dem Uhrzeigersinn. Nach dem Kreuzgang wird der Gottesdienst fortgesetzt - bis gegen drei oder vier Uhr am Morgen.
Feiern auf dem Friedhof
Ostersonntag pilgern Millionen Russen auf die Friedhöfe. Sie haben Osterbrote, Ostereier und Wodka dabei und feiern an den Gräbern ihrer Angehörigen heiter und ausgelassen - schließlich ist Ostern das Fest der Auferstehung und nicht das des Todes. Die Familienfeste am Ostersonntag auf den Friedhöfen sind ein Relikt aus Sowjettagen: Wer sich nicht traute, in die Kirche zu gehen oder sich als "Atheist" verstand, ging auf den Friedhof, um an den Gräbern seiner verstorbenen Angehörigen das Osterfest zu feiern.
Im Lauf der Jahre entwickelte sich daraus eine Art Ritual, das sich bis heute erhalten hat. Die kommunalen Behörden, wie etwa in Moskau, haben sich auf die Pilgerzüge mittlerweile eingestellt und richten alljährlich am Ostersonntag zusätzliche Buslinien zu den Friedhöfen ein.
Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell auch im: TV | 14.04.2012 | 22:50 Uhr