Parlamentswahl Đukanović: Der Herrscher von Montenegro

30. August 2020, 05:00 Uhr

In Montenegro wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Die kleine Adriarepublik wird seit 29 Jahren von Milo Đukanović wie ein Familienunternehmen regiert.

Milo Djukanovic
Länger im Amt als jeder andere Staatschef in Europa: Milo Đukanović Bildrechte: imago images/Xinhua

Bei der Wahl am Sonntag treten elf Listen und Koalitionen an. Die Opposition ist allerdings zerstritten. Die Parlamentswahl ist ein Plebiszit über Đukanović und seine als autoritär und korrupt empfundene Herrschaft. Bei der Parlamentswahl vor vier Jahren errang die Đukanović-Partei DPS 36 der 81 Mandate, zusammen mit kleineren Bündnispartnern reichte das für die Regierungsmehrheit.

Zündstoff Kirchenenteignung

Um die Jahreswende ließ Đukanović ein neues Kirchengesetz beschließen, das der aus Belgrad gesteuerten, einflussreichen Serbisch-Orthodoxen Kirche den Besitz an Immobilien und Kultstätten streitig machen könnte. Massive Proteste waren die Folge, die erst durch die Corona-Pandemie gestoppt wurden. Kritiker werfen Đukanović außerdem vor, unabhängige Medien zu gängeln, physischen Angriffen auf kritische Journalisten Vorschub zu leisten und die Wahlen durch manipulierte Wählerregister zu verfälschen.

Sanfter Händedruck, harte Politik

Der zwei Meter große Đukanović hat einen fast peinlich weichen Händedruck, doch der leise sprechende Politiker weiß zu überzeugen. Seine Gedankengänge sind stets logisch und er lässt sich nicht aus der Fassung bringen. Đukanović spricht keine Fremdsprachen, nur ein bisschen Italienisch, sagt man zumindest.

Doch Sprachkenntnisse hat er nicht gebraucht, um sein politisches Geschick in turbulenten Zeiten unter Beweis zu stellen. Als die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien 1991 im Krieg auseinanderfiel, blieb das slawisch-orthodoxe Montenegro als einzige Teilrepublik dem ebenso slawisch-orthodoxen Serbien treu. Mit dem damaligen Herrscher Serbiens Slobodan Milošević gründete Đukanović die Bundesrepublik Jugoslawien.

Bruch mit Milošević, Einführung der D-Mark

Früh erkannte er jedoch, dass die serbischen Feldzüge in Kroatien und Bosnien nichts Gutes bringen können. Đukanović hielt montenegrinische Truppen aus dem Krieg zurück, für ihren Einsatz in Kroatien zu Beginn des Krieges entschuldigte er sich später. 1997 brach er endgültig mit Milošević, dem "Schlächter des Balkans". Den alten Weggefährten bezeichnete Đukanović später als einen Mann, den die Zeit überrollt hätte. Das war damals nicht ungefährlich.

Der Westen unterstütze Đukanović. Als sich Montenegro auch von der jugoslawischen Währung Dinar befreien wollte, versorgte Deutschland 1999 in einer Nacht und Nebel-Aktion das ganze Land mit der Deutschen Mark, die zur offiziellen Währung wurde. 2002 übernahm Montenegro den Euro, obwohl das Land kein Teil der Eurozone ist.

Đukanović‘ politischer Ziehvater, Slobodan Milošević, wurde im Jahr 2000 in einem Volksaufstand zum Rücktritt gezwungen, wegen Kriegsverbrechen angeklagt und starb im Gefängnis des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien. Đukanović hingegen blieb an der Macht. 2006 trennte sich das Land endgültig von Serbien und wurde Selbstständig.

Liebäugeln mit Russland, Mitgliedschaft in der Nato

Kurzfristig flirtete Đukanović mit Russland. Er öffnete das Land für die Milliarden russischer Oligarchen. Man fragte nicht, woher das Geld stammte. Man nannte Montenegro damals die "Waschmaschine Europas": schmutziges Geld kam rein und konnte nach der "Reinigung" sauber in der EU investiert werden.

Wieder wurde es damals gefährlich für "Milo", wie man den Präsidenten in Montenegro jovial nennt. Anklagen wegen Zigaretten- und Waffenschmuggel sowie anderer undurchsichtiger Geschäfte mit der italienischen Maffia prasselten auf ihn ein. Auch die italienische Staatsanwaltschaft bereitete ein Verfahren gegen Đukanović vor.

Doch der vollführte wieder einen politischen Salto. Er brach nicht nur mit Wladimir Putin und führte Montenegro 2017 in die Nato, sondern schloss sich auch den Sanktionen des Westens gegen Russland an. Seitdem erwähnt in Brüssel niemand mehr Đukanović' angebliche Verbindungen zur Mafia. Das überlässt man der verzweifelten montenegrinischen Opposition.

(ai,vq,dpa)

Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell Radio | 16. Februar 2019 | 07:15 Uhr

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