Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo Die D-Mark auf dem Balkan
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24. April 2019, 12:20 Uhr
Seit den 1960er-Jahren brachten Gastarbeiter aus Deutschland die D-Mark mit auf den Balkan. Die Währung etablierte sich dort vor allem aufgrund ihrer Stabilität als Parallelwährung. In der Republik Montenegro und im Kosovo war die D-Mark von 1999 bis 2002 offizielles Zahlungsmittel. Bosnien-Herzegowina koppelte 1998 seine "Marka" an den D-Mark-Kurs.
Bosnien-Herzegowina - Bezahlen in Marka und Feninga
1998 führte Bosnien-Herzegowina die Konvertible Mark, die KM oder Marka, als einzige offizielle Währung ein und löste damit den Jugoslawischen Dinar ab. Eine Marka ist zudem unterteilt in das dem deutschen Ohr vertraut klingende 100 Feninga. "Marka" war ein neutraler Begriff für die neue Landeswährung, ohne unerwünschte politische Assoziationen und wurde von den ethnischen Bevölkerungsgruppen befürwortet.
De facto löste sie aber die Deutsche Mark ab, die damals im Alltag überwiegend verwendet wurde. Denn die Konvertible Mark wurde im Verhältnis 1:1 an den Wert der Deutschen Mark gekoppelt, um der Inflation entgegenzuwirken.
Doch die Marka, das "Spielgeld", wie sie spöttisch genannt wurde, hatte kaum Vertrauensvorschub. In den Jugoslawienkriegen waren Tausende auf der Flucht und trugen entsprechend ihr Hab und Gut immer bei sich. Und weil der Jugoslawische Dinar in den Krisenjahren stark an Wert verlor, trauten viele Menschen den Banken nicht mehr, sondern horteten die harte Deutsche Mark als "Matratzengeld". Besonders beliebt war der 1.000-DM-Schein, weil er platzsparend versteckt werden konnte.
2002 koppelte Bosnien-Herzegowina, obgleich außerhalb der Euro-Zone stehend, die Konvertible Mark im Kurs 1:1,95583 an den Euro. Der Umrechnungskurs entspricht somit exakt dem Kurs von Deutscher Mark zu Euro. Damit profitiert das Land von den stabilisierenden Effekten des Euro. Man kann also in Bosnien-Herzegowina sowohl mit Marka als auch mit D-Mark bezahlen - mit dem Resultat, dass man unter Umständen gemischtes Wechselgeld erhält.
Eine Besonderheit gibt es: Bis auf den 200 KM-Schein gibt es neben der Variante in lateinischer Schrift für die Föderation Bosnien und Herzegowina auch eine kyrillische Variante für die Republika Srpska (Serbische Republik). Auf den Scheinen sind jeweils ein prominenter Kroate bzw. ein prominenter Serbe abgebildet. Beide Varianten gelten indes uneingeschränkt im gesamten Land. Auf dem 200-Marka-Schein ist der Literaturnobelpreisträger Ivo Andric abgebildet, der in beiden Ländern gleichermaßen geachtet ist.
Bulgarien: stabiles Wechselkursverhältnis zum Euro
In den frühen 1990er-Jahren setzte in Bulgarien eine so starke Inflation ein, dass das Land 1999 seine Währung, den Lew, umstellte. Die Politik strich kurzerhand drei Nullen auf den Banknoten und band ihren Wert im Verhältnis 1:1 an die Deutsche Mark. Aus 1.000 Lewa wurde 1 Lew und der war 1 Deutsche Mark wert. Damit kettete Bulgarien seine Währung fest an eine ausländische Ankerwährung. Dieses "Currency Board" genannte Verfahren bedeutet faktisch den Verzicht auf eine eigene Geldpolitik. Die Geldmenge im Land wird nur soweit erhöht, wie Sicherheiten in der Ankerwährung bei der Notenbank hinterlegt werden, sie ist also zu 100 Prozent in einer Fremdwährung gedeckt. Christopher Blevins, Volkswirt bei der Deutsche Bank Research, wertet den Vorgang als Erfolg für den osteuropäischen Staat. "Die Inflation ist von mehr als 500 Prozent 1997 auf ein Prozent 1998 gedrückt worden", sagte er.
Bulgarien ist zwar Mitglied der EU, hat aber nicht den Euro als Währung. Dennoch ähnelt die 1-Lew-Münze der 1-Euro-Münze mit Messingrand und Kupfernickelkern sehr. Der Umrechnungskurs des Lew zum Euro entspricht aber genau dem der DM zum Euro. Dieser Kurs ist durch bulgarisches Gesetz festgelegt und ändert sich daher nicht. Es gilt somit stets die gesetzliche Umrechnung 1 Lew = rund 51 Cent und 1 Euro = 1,95 Lewa.
Deutsche Mark in Montenegro
Montenegro hatte die D-Mark im Jahr 1999, nach den Jugoslawienkriegen, als Parallelwährung zum inflationären Jugoslawischen Dinar eingeführt. Da die ehemalige jugoslawische Teilrepublik bis 2006 kein eigenständiger Staat war, sondern juristisch zu Serbien gehörte und Serbien mit dem Dinar handelte, war es Montenegro nicht erlaubt, den Dinar im eigenen Land fest an die D-Mark zu koppeln.
Daher führte das Land am 12. November 2000 per Gesetz die Deutsche Mark ein - mit Duldung der Deutschen Bundesbank. Ein weltweit einmaliger Vorgang. Damit wurde die D-Mark erstmals außerhalb der Bundesrepublik als Währung gültig. Dieser wirtschaftliche Schritt wurde international als erstes konkretes Zeichen in Richtung einer politischen Trennung von Serbien gewertet.
Die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank (EZB) nannten die Währungsumstellung Montenegros "eine einseitige Angelegenheit". Organisatorische Unterstützung seitens der EZB und der Bundesbank gab es nicht, ebenso wenig übernahmen sie Verpflichtungen. Schließlich sei die D-Mark eine frei konvertierbare Währung. Sie könne daher unbeschränkt ein- und ausgeführt werden. Fremdgeld durfte indes nicht in das Land eingeführt werden. Nur die im Alltag befindlichen Geldbestände durften, so wie auch im Kosovo, weiterhin im Umlauf sein.
Montenegrinische Geschäftsbanken konnten sich also in Frankfurt nicht einfach "frisches Geld" besorgen. Damit drohten dem Euro-Raum keine zusätzlichen Inflationsgefahren. Allerdings tauschte die Bundesbank größere D-Mark-Banknoten wie den 1.000-DM-Schein, gegen Münzen ein.
Die Vorteile der Angleichung an die Deutsche Mark für das Balkan-Land erklärt Dr. Dietrich Hartenstein, Leiter der Abteilung für internationale Währungsfragen der Bundesbank: "Durch Anbindung an eine starke Währung werden schwächere Volkswirtschaften gezwungen, sich entsprechend ökonomisch auszurichten".
Die Einführung des Euro wurde in Montenegro konsequent vollzogen, da die Deutsche Mark in Deutschland ersetzt und somit zwangsläufig auch in Montenegro aus dem Verkehr gezogen wurde. Da Montenegro aber kein Mitglied der EU ist und somit auch nicht zur Europäischen Währungsgemeinschaft gehört, ist es dem Land untersagt, selbst den Euro mit länderspezifischem Design herzustellen. Er muss per Schiff oder Flugzeug ins Land gebracht werden.
Der Kosovo - Fluchtwährung vor der Inflation
Seit den 1990er-Jahren erhofften sich die Kosovaren von der Deutschen Mark diejenige Stabilität, die ihnen der inflationsgeplagte Jugoslawische Dinar nicht länger bieten konnte. Der Wechselkurs lag zuletzt bei 16:1. 1999 wurde der Dinar dann aus dem Verkehr gezogen, als die neue Verwaltung der Vereinten Nationen die Deutsche Mark zur offiziellen Währung des Kosovo erklärte. Problem: Es durfte nur dasjenige Geld gehandelt werden, das ohnehin als Bargeld im Umlauf war. Seitdem stellte der Mangel an Pfennig-Münzen die Menschen beim Einkaufen vor schwierige Aufgaben. Weil Münzen im Wert von weniger als 50 Pfennig knapp waren, gaben die Händler statt Wechselgeld häufig Kaugummi oder Schokolade heraus.
Es mehrten sich zudem die Falschgeldvorfälle. Gefälscht werde alles vom Fünf-Mark-Stück bis zum 500-Mark-Schein, sagte Ralf Reitemeier, Manager bei der ersten Privatbank im Kosovo, der Enterprise Bank.
Mit der Einführung des Euro in Deutschland im Jahr 2002 hielt er auch im Kosovo Einzug. Die Verwaltung der UN verschickte Briefe an die Familien im Kosovo in der Hoffnung, dass diese ihre gehorteten D-Mark-Bestände bei den Banken einzahlen, dort also Konten eröffnen und so automatisch umtauschen. Die erste lizensierte Bank des Kosovo wurde erst im Januar 2000 eröffnet. Mangelndes Vertrauen in das Bankensystem gibt es auch hier, gehortet wurde die stabile harte D-Mark zu Hause. In serbischen Enklaven des Kosovo kann aber auch weiterhin mit Serbischem Dinar bezahlt werden.
Dieses Thema im Programm: MDR ZEITREISE | 28. Juni 2020 | 22:10 Uhr