Für sichere Geldscheine, Fahrkarten und Rezepte Virus-Schleuder Bargeld: Tschechische Experten präsentieren Anti-Covid-Papier
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11. Dezember 2020, 18:39 Uhr
Seit Beginn der Corona-Pandemie werden Kunden im Supermarkt gebeten, bevorzugt bargeldlos zu zahlen – nicht ohne Grund, denn das Coronavirus kann auf Papier bis zu 24 Stunden ansteckend bleiben. Allerdings folgen nach Angaben der Europäischen Zentralbank nur vier von zehn Menschen der Bitte, während der Pandemie Bargeld weniger oft zu benutzen. Doch schon bald muss man sich darüber vielleicht gar keinen Kopf mehr machen – ein Anti-Covid-Papier aus Tschechien könnte nämlich Abhilfe schaffen.
Entwickelt wurde das Anti-Covid-Papier gemeinsam von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und dem Papierproduzenten SPM – Security Paper Mill. Der Clou dabei: In das Papier sind Nanopartikel von Zink und Silber eingearbeitet, die Krankheitserreger außer Gefecht setzen. Innerhalb von zehn Minuten sind 70 Prozent der Coronaviren auf der Oberfläche dieses Spezialpapiers inaktiv, nach einer halben Stunde sind es 100 Prozent. Auch bei Bakterien tritt diese Wirkung ein, dort sogar viel schneller – innerhalb einer Minute sind sie zu 99 Prozent abgetötet, darunter auch die gefährlichen, multiresistenten Staphylokokken, die gegen zahlreiche Antibiotika unempfindlich sind.
Hinter der Entwicklung stand die Nachfrage aus Dritte-Welt-Ländern, die die Ausbreitung von Infektionskrankheiten über Geld, Fahrkarten und Ähnliches eindämmen wollten.
Dabei hatten die Forscher von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften zunächst nur Bakterien im Blick. Doch nach Ausbruch der Corona-Pandemie war ihnen klar: Sie müssen ihre Erfindung so modifizieren, dass sie auch gegen Viren hilft, insbesondere gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Diese Weiterentwicklung gelang ihnen innerhalb von nur vier Monaten, wobei sie ihr Papier noch vervollkommnen wollen: "Wir streben an, dass schon nach zehn Minuten 100 Prozent der Viren inaktiv sind", sagt Sobek.
Silber- und Zinksalze zerstören Corona-Viren
Welcher Wirkmechanismus den Krankheitserregern den Garaus macht, ist noch nicht genau erforscht. Die Wissenschaftler vermuten, dass komplexe enzymatische Prozesse durch Zink- und Silberionen verlangsamt werden. Auf der chemischen Ebene ist die richtige Zusammensetzung verschiedener Silber- und Zinksalze entscheidend – nicht jeder Cocktail bringt das gewünschte Ergebnis. Die Wirksamkeit der derzeitigen Mischung wurde in tschechischen Laboren bestätigt und wird nun noch zusätzlich in Deutschland getestet.
Das Anti-Covid-Papier wird nun von der tschechischen Firma SPM – Security Paper Mill produziert, die sich an dessen fünf Jahre dauernden Entwicklung beteiligt hat. Es ist eines der wenigen Unternehmen in Europa, die sich auf die Produktion von Hochsicherheitspapieren spezialisiert haben. Diese werden unter anderem für Reisepässe, fälschungssichere Fahrkarten, Scheckhefte, Briefmarken oder Tabaksteuermarken genutzt – also alles Dinge, die oft von Hand zu Hand weitergegeben werden, sagt Geschäftsführer Michael Broda. Die letzten Produktionstests für das Anti-Covid-Papier sind inzwischen abgeschlossen, Anfang Januar sollen erste Papierchargen an Kunden ausgeliefert werden. Wer die sind, darf Broda nicht verraten – nur soviel, dass es bereits Anfragen aus Deutschland, Russland und China gegeben hat. Eine "Vorstufe" des Papiers, die nur antibakteriell ist und noch keine "Anti-Virus-Funktion" hat, besteht in Afrika bereits den Praxistest.
Innovatives Anti-Covid-Papier für Banknoten und Wertpapiere
Versuche mit viruzidem und antibakteriellem Papier hat es zwar schon früher gegeben – allerdings mit Substanzen, die nur oberflächlich aufgetragen werden, berichtet Broda. Diese Technologie hat eine Reihe von Nachteilen: Die Wirkung setzt relativ langsam ein, außerdem ist es nicht möglich, hochwertige Drucke auf solchen Papieren herzustellen oder raffinierte Sicherheitsmerkmale anzubringen, die für Banknoten, Wertpapieren und Checks unumgänglich sind.
Das Entwicklungsteam ging nun einen anderen Weg: Hier werden die bereits erwähnten Zink- und Silbersalze direkt in das Papier eingebracht, und zwar an mehreren Stellen im Produktionsprozess. Dadurch ist das Endprodukt gleichmäßig mit dem "Wirkstoff" durchsetzt, der nicht mehr mit der obersten Papierschicht abgerubbelt werden kann, was beim Hantieren mit Banknoten sonst zwangsläufig passieren würde. Gerade das mache das Anti-Covid-Papier einzigartig, so Broda.
Silber und Zink bleiben da drin, die Wirkung verflüchtigt sich nicht, sie bleibt 10-20 Jahre über die Lebensdauer des Dokuments erhalten. Das ist die große Innovation, die uns gelungen ist.
Das Anti-Covid-Papier eignet sich gleichermaßen für Laser- und Tintenstrahldrucker, fürs Schreiben von Hand und für den Offsetdruck. Es könnte in der Verwaltung und im Gesundheitswesen, etwa für Rezepte, genutzt werden, so Broda.
Bargeld-Zahlungen in der Pandemie könnten sicherer werden
Auch dass Geldscheine darauf gedruckt werden, hält Broda für sehr wahrscheinlich: "Wir haben zwar nicht die Technologie, um Banknoten selbst herzustellen, das müssten wir in Kooperation mit einem Partner machen, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Banknoten aus unserem Papier produziert werden."
Sogar der Einsatz als Lebensmittelverpackung wäre denkbar, ergänzt Wissenschaftler Sobek: "Nanokomplexe, die wir entwickelt haben, sind gesundheitlich unbedenklich und sicher. Sie sind nicht löslich, so dass sie nicht in die Produkte übergehen. Für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie wären allerdings weitere Tests und Genehmigungen der zuständigen Behörden nötig – das stand für uns vorerst nicht im Vordergrund."
Mit der Entwicklung des Anti-Covid-Papiers gemeinsam mit der Tschechischen Akademie der Wissenschaften wurde vor fünf Jahren begonnen. SPM investierte knapp eine Million Euro, eine weitere knappe Million steuerte der tschechische Staat bei. Setzt sich die Erfindung durch, könnte das eine kleine Revolution bedeuten. Zahlen mit Bargeld oder mit Karte – darüber müsste sich auch in Pandemiezeiten niemand mehr Gedanken machen. Wichtig, denn momentan können sich viele Menschen ein Leben ohne Bargeld nach wie vor nicht vorstellen.
Die Entwicklung des Anti-Covid-Papiers
Das Anti-Covid-Papier wurde gemeinsam vom Institut für Chemische Prozesse der Wissenschaftsakademie und der Aktiengesellschaft SPM – Security Paper Mill entwickelt.
Die Firma SPM – Security Paper Mill mit Sitz in Prag, wurde 1997 gegründet. Produziert wird mit 70 Mitarbeitern in der Kleinstadt Štětí an der Elbe. Rund 95 Prozent der Produktion werden exportiert: nach Afrika, Asien, Russland und in den Mittleren Osten.
Das Anti-Covid-Papier ist übrigens nicht die einzige Innovation der Firma SPM, die eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung besitzt. In der Vergangenheit hat sie zum Beispiel für einen großen Technologiekonzern ein Spezialpapier mit Stahlfasern entwickelt, das für den Druck von Geheimunterlagen genutzt wird – versucht jemand solche Dokumente hinauszuschmuggeln, fällt das an der Metallschranke am Ausgang auf.
Das Institut für Chemische Prozesse mit Sitz in Prag ist eine Einrichtung der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik. Es forscht unter anderem auf den Gebieten Umwelttechnik, Biotechnologie, neue Materialien und Chemietechnik.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 08. Januar 2021 | 17:45 Uhr