Organhandel Niere gegen Geld - Alltag in Rumänien?
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29. November 2019, 16:04 Uhr
In Rumänien warten 5000 Patienten auf ein Spenderorgan. 2018 gab es jedoch gerade einmal 65 Spender. Teil des Problems ist illegaler Handel mit Organen. Gegen einen landesweit bekannten Transplantations-Arzt wird seit 2017 ermittelt. Er soll Organe nach Zahlung von Schmiergeldern transplantiert haben. Wann es einen Prozess geben wird, ist offen, inzwischen operiert der Arzt in seiner Privatklinik weiter.
Darius hat mit seinen zehn Jahren die Statur eines Sechsjährigen. Seit seiner Geburt leidet er an einer Nierenschwäche und deshalb ist auch seine körperliche Entwicklung beeinträchtigt. Auch sein Herz ist zu klein. Er galt damit als nicht operierbar. Deshalb nimmt Darius seit kurzem Wachstumshormone, um endlich zu einer Transplantation zugelassen werden zu können.
Doch womöglich hätte er schon als ganz kleines Kind operiert werden können - davon ist seine Mutter Elena überzeugt. Damals, vor acht Jahren, hatte sie sich an den landesweit bekannten Transplantationsarzt Mihai L. gewandt: "Eineinhalb Jahre war Darius, da wollte Professor L. 3000 Euro für die Behandlung. Aber wo hätten wir das Geld hernehmen sollen." Und nur, wenn sie das Geld gezahlt hätten, so meint Mutter Elena, hätte der Professor Darius damals auf die Transplantationsliste gesetzt.
Fehlende Kriterien und Misstrauen
Rumänien ist nicht Teil von Eurotransplant. Diese Organisation mit Sitz in den Niederlanden vermittelt heute Organspenden in acht Ländern. Neben den Benelux-Ländern, Deutschland und Österreich sind auch Slowenien, Kroatien und Ungarn Teil des Netzwerkes. Rumänien allerdings hat zu wenige Organspender und zu wenig Transplantations-Operationen, um dort Mitglied zu werden. Im Vergleich zu einigen hundert Organtransplantationen in der Vergangenheit, werden inzwischen nur noch einige Dutzend pro Jahr durchgeführt, heißt es bei Radio Romania International im Dezember 2018.
Außerdem gibt es noch immer keine landesweite Warteliste für Patienten. Bisher führt jede Transplantationsklinik ihre eigene Warteliste. Und auch allgemeingültige Kriterien für Transplantationen gibt es in Rumänien bislang nicht. Das bestätigte die im Frühjahr abgesetzte Chefin der Nationalen Transplantationsbehörde Ana Baculea in einem Interview vom Sommer. All diese Skandale, wie Organe vergeben worden, haben die Rumänen zutiefst misstrauisch gemacht. Im vergangenen Jahr, so berichten mehrere rumänische Medien übereinstimmend, soll es nur 65 Spender gegeben haben, auf mehr als 5000 wartende Patienten.
Per Schmiergeld auf die Transplantationsliste
Dazu kommt, dass im wissenschaftlichen Rat der Nationalen Transplantationsbehörde genau jene Chefs der regionalen Transplantationzentren saßen, die alles daran gesetzt haben, dass es keine Regeln gibt - damit sie auch für ihr Arbeiten nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Das sagte der frühere Gesundheitsminister Vlad Voiculescu im März dieses Jahres in einem Fernsehinterview. Wer also in Rumänien eine Transplantation benötigt, so der Vorwurf von Betroffenen, der braucht Geld: um einerseits auf die entsprechende Liste zu gelangen und andererseits, um die Operation bezahlen zu können.
Immer wieder taucht im Zusammenhang mit Unklarheiten bei Transplantationen der Name von Professor Mihai L. auf, dem ehemaligen Chef des Kreiskrankenhauses von Cluj-Napoca, im Nordwesten Rumäniens. Er soll sich bei Organtransplantationen bereichert haben. Der heutige Chef des Krankenhauses, Silviu Moga, erinnert sich: "Die Regel war, dass es keine Regeln gab. Medizinische Faktoren waren egal. Transplantiert wurde nach anderen Kriterien. Wir haben alle weggeschaut und uns so zu Komplizen gemacht." Der Mediziner erinnert sich an einen Fall aus dem Jahr 2010, damals wurden die beiden Nieren einer 16-Jährigen einem Politiker transplantiert. "Das war medizinisch und ethisch falsch. Mit diesen beiden Nieren hätten zwei Kinder gerettet werden können."
Weitere Vorwürfe an Professor Mihai L.
Die rumänische Behörde zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens DIICOT ermittelt gegen Professor Mihai L. wegen Veruntreuung. Der einstige Chef des Kreiskrankenhauses Cluj soll diesem einen Schaden von rund 1,1 Millionen Euro zugefügt haben. So wird L. beschuldigt, dass er Apparaturen, die das Kreiskrankenhaus angeschafft hatte, einfach in seine Privatklinik transferiert habe. Auch wird ihm vorgeworfen, den Patienten gesagt zu haben, dass dem staatlichen Krankenhaus die nötigen Apparaturen fehlten, und sie zu ihm in seine Privatklinik zur Operation kommen müssten. Der Arzt bestreitet bisher jeden Vorwurf.
Eine Operation in einer Privatklinik ist für die Patienten allerdings in der Regel auch eine privat zu finanzierende Angelegenheit. Für die Privatklinik allerdings gibt es bspw. für eine Operation obendrauf noch Geld von der Nationalen Krankenkasse. Im September 2017 durchsuchte eine Spezialeinheit die Wohngebäude des Professors und stellte 600.000 Euro in bar sowie diverse Wertgegenstände sicher. Die ersten Anzeigen gegen Mihai L. liegen inzwischen 15 Jahre zurück. Bis ein Gericht über seinen Fall entscheidet, darf der Arzt weiterpraktizieren.
Eine Niere für Darius?
Rund 4000 Patienten warten in Rumänien auf eine Nierentransplantation. Der zehnjährige Darius ist einer von ihnen. Durch die Spezialbehandlung mit Wachstumshormonen, finanziert übrigens durch einen gemeinnützigen Verein, hoffen alle, dass er bald wächst und fit für eine Operation wird. Doch noch prägen die zweistündigen Fahrten zur Dialyse in Cluj den Alltag.
Gemeinsam mit seinem besten Freund hat Darius aber schon Pläne für die Zukunft geschmiedet: "Ich und er haben uns entschieden, einen Bauernhof zu gründen und zusammen zu leben", sagt Darius. "Und dort wollen wir dann Fußball spielen und solche Sachen, Quad fahren und Motorrad…" Seit einigen Tagen weiß Darius, dass er es auf die Transplantationsliste geschafft hat.
(hd, rj, amue/transsilvaniareporter, digi24.ro, mediazece.ro, diicot)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Heute im Osten - Reportage: Darius kämpft um sein Leben! | 30. November 2019 | 18:00 Uhr