Lokalpolitik Ortsteilbürgermeister in Zella/Rhön: Nicht kandidiert, aber doch gewählt
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22. Juli 2023, 15:23 Uhr
Ehrenamtlicher Bürgermeister - dieses Amt hatte Marcel Schumann in Zella/Rhön im Wartburgkreis vor sechs Jahren übernommen und gern ausgeübt. Vieles konnte er gemeinsam mit den Vereinen im Ort bewegen, auch nachdem sich Zella der Gemeinde Dermbach angeschlossen hatte. Trotzdem trat Schumann im Juni nicht wieder als Ortsteilbürgermeister an. Er findet, dieses Ehrenamt werde nicht ausreichend gewürdigt. Die Zellaer haben ihn trotzdem gewählt.
Nach der Wahl hatte sich Marcel Schumann ein paar Tage Bedenkzeit mit der Familie genommen. Die Wahlbeteiligung war niedrig, aber fast alle, die abstimmten, hatten Schumann vorgeschlagen. Nun macht es der 44-jährige wieder. Im Grund ist er auch gern Ortsteilbürgermeister, sagt er. Bei ihm laufe vieles zusammen, er koordiniert, gleicht aus: "Ich versuche auch, ganz gut zwischen Jung und Alt und zwischen den Vereinen zu vermitteln. Ich denke, das ist unser Trumpf, dass wir das sind, nicht nur ich alleine. Das ist auch der Grund gewesen, dass jetzt noch einmal fortzuführen."
Propstei-Sanierung als Großaufgabe
Sechs Jahre war er zunächst Bürgermeister, dann, nach der Eingemeindung nach Dermbach im Jahr 2019, Ortsteilbürgermeister von Zella/Rhön. Der beschauliche Ort mit knapp 500 Einwohnern liegt leicht erhöht über dem Feldatal, markant die Silhouette mit der eindrucksvollen barocken Propstei, Sitz der Thüringer Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön.
Die Sanierung der Propstei ist seit rund zehn Jahren ein Dauerprojekt. Schumann ist froh, dass inzwischen im letzten Schritt die Fassade saniert wird. Alle Hausaufgaben seien in der Vergangenheit gemacht worden, oft seien sie in Weimar und Erfurt gewesen, um Fördermittel zu beantragen.
Spielplatz und 24-Stunden-Laden
Als Beleg für die erfolgreiche Zusammenarbeit im Ort nennt Schumann den großen Spielplatz gleich neben der Propstei. Eine Spielplatzinitiative hat ihn vorangebracht, 2.500 ehrenamtliche Stunden stecken in der Anlage. Sehr engagiert hat sich Schumann gemeinsam mit seinem Amtskollegen Markus Gerstung aus dem Nachbarort Brunnhartshausen für einen 24-Stunden-Laden im Ort.
Gemeinsam setzten sie sich für ein Genossenschaftsmodell ein, den "Tante-Enso-Laden" eines Bremer Startups. Die notwendigen Anteile wurden verkauft, der Laden schnell gebaut und im vergangenen Jahr eröffnet.
Kritik an der Aufwandsentschädigung
Auch als Bürgermeister eines Ortsteils lässt sich also etwas bewegen - das erlebt Marcel Schumann jeden Tag, und er vermittelt durchaus den Eindruck, dass er das gerne tut: mit Menschen reden, Dinge voranbringen. Aber warum nur ist er nicht wieder angetreten? Es sind die Rahmenbedingungen, sagt er. Vor allem die Aufwandsentschädigung, die für das Ehrenamt gezahlt wird.
Als ehrenamtlicher Bürgermeister der selbständigen Gemeinde Zella/Rhön bekam er 500 Euro monatlich. Dank einer Übergangsregelung wurde dieser Betrag bis zum Ende seiner Amtszeit weiterbezahlt, auch nach der Eingemeindung nach Dermbach. Künftig aber bekommt er den niedrigeren Satz für Ortsteilbürgermeister, das sind 260 Euro, also etwa die Hälfte. Seinen Aufwand schätzt Schumann auf 40 bis 60 Stunden im Monat.
Ich konnte früher immer sagen: das sind 6.000 Euro im Jahr, damit kann man einen sehr guten Familienurlaub machen. Mit der Hälfte, da muss ich sagen, das reicht es noch nicht mal für einen Wochenurlaub mit der Familie.
Fehlende Wertschätzung
Das ist für ihn nicht unwichtig, weil die Familie mitziehen muss. Marcel Schumann ist selbständig, arbeitet seit einem Jahr als Taxiunternehmer. Da ist freie Zeit ohnehin knapp. Und es geht ihm gar nicht nur um sich, sondern um alle, die sich ehrenamtlich als Ortsteilbürgermeister engagieren.
Wenig Anerkennung und Wertschätzung für viel Aufwand - das macht ihm Sorgen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das in 20 Jahren noch so viele antun. Zumindest nicht mit diesem Engagement, was man leisten müsste, um etwas voranzutreiben."
Zuspruch bei Einwohnern
"Gut, dass Du es wieder machst", ruft eine ältere Frau Marcel Schumann im Vorbeigehen zu. Ein Ortsteilbürgermeister sei für Zella sehr wichtig, sagt sie auf Nachfrage, "hat man wenigstens jemanden im Ort, den man ansprechen kann." Auch eine andere bestätigt: "Wir sind sehr froh darüber, und vor allem, dass er das wieder ist!" Es sei doch alles gut gelaufen in der letzten Zeit, sagt sie noch und nennt als Beispiel den neuen Laden.
Ortsteilrat unterstützt
Der Ortsteilrat habe Marcel Schumann "bekniet, dass er das nochmal machen soll", sagt Mitglied Peter Reiser. "Es gibt sehr viele, da braucht er nur anzurufen, dann stehen sie auf der Matte, ganz egal, ob Spielplatzinitiative, Sportplatz, Feuerwehr." Mit weniger Aufwand ginge es vielleicht auf, sagt er, "aber das liegt nicht in der Natur von Marcel". Schumann sei als "Häuptling vornedran" wichtig, meint auch Daniel Kling, der vor einigen Jahren aus Erfurt in seinen Heimatort zurückgezogen ist. "Er kann alle mitnehmen und bekommt die Vereine unter einen Hut."
Entlastung für den Bürgermeister
Auch der hauptamtliche Bürgermeister von Dermbach, Thomas Hugk (CDU), weiß die Arbeit der acht Ortsteilbürgermeister zu schätzen. Alleine käme er gar nicht regelmäßig in alle rund 20 Orte, die mittlerweile zu Dermbach gehören. "Vor Ort ist der Ortteilbürgermeister der erste Ansprechpartner. Natürlich auch bei Geburtstagen und Feiern. Das nimmt mir schon mal Arbeit weg. Und er ist für mich der Partner, der dann sagt: da liegt etwas quer." Und wie sieht er die Aufwandsentschädigung? Das Geld für die hauptamtlichen Bürgermeister sei erhöht worden, sagt Hugk, und das sei "auch für die ehrenamtlichen berechtigt".
Mehr Geld wäre möglich
Die rechtliche Grundlage gibt das her: Ortsteilbürgermeister dürfen laut Gesetz nicht mehr als 45 Prozent des Höchstbetrags für ehrenamtliche Bürgermeister bekommen. Dieser Höchstbetrag ist seit 2021 - wie die Bezüge der Landtagsabgeordneten - an die Preisentwicklung gekoppelt. Für Orte bis 500 Einwohner steigt das Maximum für Ortsteilbürgermeister im kommenden Jahr auf rund 337 Euro. Ob das ausgeschöpft wird, darüber entscheidet der jeweilige Gemeinderat.
Großstrukturen als Herausforderung
Bei immer größeren Gemeinden mit vielen Ortsteilen werden engagierte Ortsteilbürgermeister vermutlich noch wichtiger. Der Thüringer Gemeinde- und Städtebund sieht in den Großstrukturen eine grundsätzliche Herausforderung.
Das Land müsse bei seinen Zuweisungen an die Gemeinden künftig den Faktor Fläche stärker gewichten, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Markus Steinmeier, und das mit zusätzlichen Geld finanzieren. "Dann können größere Verwaltungseinheiten ihre Stärken auch voll ausspielen." Dann ließe sich auch leichter mehr Geld für ehrenamtliche Ortsteilbürgermeister ausgeben.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 22. Juli 2023 | 19:00 Uhr
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