Wartburgkreis Historischer Gasthaus-Tanzsaal in Schweina ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht
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25. März 2023, 13:15 Uhr
Es ist der schönste Saal im Ort - doch kaum jemand kennt ihn: 70 Jahre lang war der große Tanz- und Theatersaal des "Gasthauses zur Sonne" in Schweina im Wartburgkreis öffentlich nicht zugänglich. Jetzt hat ein Privatmann das Gebäude gekauft und den Saal liebevoll restauriert. Eine Zeitreise in die Gründerjahre Anfang des 20. Jahrhunderts, als es im Ort schnell bergauf ging. Der neue Besitzer will den Raum nun öffentlich nutzen.
- Schon als Kind war der neue Eigentümer vom Gasthof-Saal fasziniert
- Theater im Gasthof sollte reiche Kurgäste aus Bad Liebenstein anlocken
- Kommunalpolitiker sind froh über die Wiederbelebung der "Sonne"
Ein schmucker Fachwerkbau mitten im Ort, rot-braun gestrichen. "Gasthaus zur Sonne" steht am gedrungenen Turm-Erker. Doch seit 2009 wird hier kein Bier mehr ausgeschenkt. Die letzten Wirtsleute, Fritz und Hildegard Sippel, betrieben die Wirtschaft seit 1968. Zu DDR-Zeiten soll sie täglich gut besucht gewesen sein. Allerdings bekamen die Besucher nur die beiden Gasträume zu sehen. Der große Saal nebenan blieb stets verschlossen - und das schon seit 1952, weiß der neue Besitzer zu berichten.
Ein Leben lang nicht losgelassen
Jörg Pfannstiel, der in der Region drei Lebensmittelmärkte betreibt, hat sich als Fünfjähriger in den Saal verguckt. Er ging mit seiner Großmutter häufig an dem Haus vorbei. Eines Tages stand eine Tür offen und er durfte hineinschauen. "Da habe ich diese Decke gesehen und das hat mich geflasht", sagt er. Diese Decke, prächtig mit Stuck verziert, in Gelb, Grün, Rosa und Blau gestrichen, mit abgerundetem Übergang zu den Wänden. "Das hat mich mein Leben lang nicht losgelassen", sagt Pfannstiel. Deshalb hat er das Gasthaus vor zweieinhalb Jahren erworben, als es zum Verkauf stand.
Stuck, Engel, Bühne
Seither hat er mit Hilfe von einheimischen Firmen viel vorangebracht. Das Ergebnis präsentiert er nun Landrat Reinhard Krebs (CDU) und Bürgermeister Michael Brodführer (CDU). "Ein Schmuckstück, wirklich", sagt der Landrat erstaunt, als er in den Saal tritt. Denn es ist nicht nur "diese Decke": Der Saal hat eine Bühne, die eines Theaters würdig wäre - mit zwei gemalten und einem echten Vorhang und einem Bühnenbild auf der Rückwand. Sie ist mit Stuck umrahmt. Oben sitzen musizierende Engel, in der Mitte eine Lyra.
Reiche Kurgäste nach Schweina locken
Mit diesem Saal sollte Schweina Anfang des 20. Jahrhundert der benachbarten Kurstadt Bad Liebenstein Konkurrenz machen, sagt Jörg Pfannstiel, der sich mit der Geschichte des Hauses befasst hat. Die damaligen Wirtsleute sollten auf Wunsch der Gemeinde zu ihrem Gasthaus mit Fleischerei einen repräsentativen Tanzsaal bauen, "um die Adeligen und Reichen, die in Liebenstein damals zur Kur waren, auch nach Schweina zu locken". Denn das Dorf war durch die Ansiedlung von Industriebetrieben kräftig gewachsen und strebte nach oben.
Souffleuse im Schlachthaus
Dass es mit dem Theater ernst gemeint war, zeigt auch der Souffleurskasten, der im Bühnenboden eingelassen ist. Originell der Zugang: Er führte durch die Fleischerei des Gasthauses, die direkt unter der Bühne lag. Dort liegen heute noch Gerätschaften für die Hausschlachtung, im hinteren Raum steht der Wurstkessel.
Im einstigen Schlachtraum öffnet Jörg Pfannstiel eine Holztür in Fensterhöhe. Dahinter verborgen, wie ein kleiner Wandschrank, der Souffleurskasten. Wer immer den Schauspielern beim Text helfen wollte, musste vorher durch die Fleischerei, etwas klettern - und schlank sein.
Nur Radballer und Turner hatten Zugang
Doch eine lange Theater- oder Tanzgeschichte hat der Saal nicht erlebt: "Durch die beiden Weltkriege ist es nicht so gekommen, wie sie gedacht haben", sagt Pfannstiel. Und in der DDR-Zeit wollten die damaligen Wirtsleute verhindern, dass der große Saal politisch genutzt wird. Deshalb hielten sie ihn geschlossen, nutzten ihn als Lager. Die einzigen, die rein regelmäßig hineindurften, waren Schweinaer Sportler, Radballer und Turner. Ihre Spuren sieht man noch im Holzboden: Pfannstiel deutet auf handtellergroße Metallplatten: "Dort war mal eine Reckstange verankert."
Alt - aber frisch gewaschen
Allein hätte Jörg Pfannstiel die Sanierung nicht geschafft. Er hat seine Ersparnisse in die "Sonne" gesteckt, aber auch 50.000 Euro Fördermittel über das Leader-Programm der EU bekommen. Den Stuck ließ er reinigen und ergänzen, Risse in den Wänden schließen, alles neu in den alten Farben streichen. Der mottenzerfressene Vorhang wurde kunstvoll neu zusammengesetzt. Die alten Fenster sind aufgearbeitet, für Wärme sorgen vier Düsen an der Rückwand, die Heißluft in den Raum blasen - produziert von einer Wärmepumpe. Es gibt neue Toiletten. Alles besorgten heimische Firmen. Der Saal wirkt alt, aber wie frisch gewaschen.
Für Kinder und Kindeskinder erhalten
Behutsam saniert wurden auch die Gasträume, die noch den Charme der 1950/60er-Jahre ausstrahlen - mit den alten Skattischen, wo das Bier unter der Tischplatte abgestellt wurde, originalen Deckenlampen und hellblauen Fliesen. Jörg Pfannstiel will das Ensemble künftig öffentlich zugänglich machen, bei Veranstaltungen, Firmenmeetings, für Theaterstücke und Schulaufführungen. Er kann sich auch Führungen vorstellen. "Ich möchte einfach, dass das erhalten bleibt, dass unsere Kinder und Kindeskinder das kennenlernen können und dürfen."
Ein Glücksfall für den Ort
Die offizielle Eröffnung am Ostersonntag wird ein Caterer übernehmen. Der Landrat hat auch schon eine Idee: zusammen mit der neuen Kulturmanagerin des Wartburgkreises, Gloria Dittmar, schlägt er vor, die nächste Kulturkonferenz hier abzuhalten. "Im Wartburgkreis geht die Sonne auf", sagt Krebs. Bürgermeister Brodführer hofft auf einen "Begegnungsort" für den Ortsteil, "wo sich Leute treffen, auch gesellig sein und feiern können. Das trägt natürlich auch zum Zusammenhalt bei." Ortsteilbürgermeister Thomas Mieling spricht vom schönsten Saal in Schweina: "Es ist ja ein Glückfall, dass dieser Saal aus dem Dornröschenschlaf erweckt worden ist. Er soll das Leben im Ort bereichern, hier soll der neue kulturelle Treff von Schweina sein."
Schweina als Gründerort
Dazu passt, dass gerade einiges in Bewegung ist im Ort: Im Sommer soll eine Stiftung für den einstigen Großbetrieb "Pfeifen und Holz" gegründet werden, der das Industriequartier wiederbeleben und an die einstige Bedeutung von Schweina als Gründerort anknüpfen soll. Gleichzeitig soll dies verbunden werden mit den anderen aufstrebenden Bausteinen im Ort: mit der Kinder- und Jugendkunstschule des Wartburgkreises, dem historischen Gasthof Krone, der seit Jahren von freiwilligen Helfern ehrenamtlich saniert wird - und eben dem Gasthaus Sonne mit Saal, der jetzt aus der Vergessenheit auftaucht.
MDR (rub/dr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 25. März 2023 | 18:00 Uhr
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