
Bad Liebenstein "Die Klinik ist mein Zuhause": Wie ausländische Ärzte Thüringens größte Reha-Klinik am Laufen halten
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14. März 2025, 13:21 Uhr
Die Hälfte der Ärzte in Thüringens größter Rehaklinik in Bad Liebenstein kommt aus dem Ausland. Ohne sie gehe es nicht, sagt die Klinikleitung. Doch wie geht es den Fachkräften dort? Und was tut die Klinik für sie?
Die m&i Fachklinik ist mit 451 Betten die größte Reha-Klinik Thüringens. Neurologie, Geriatrie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Innere Medizin und Kardiologie - dazu eine Akutstation mit Patienten, die in der Frührehabilitation beatmet werden müssen. 530 Menschen aus 30 Nationen beschäftige die Klinik, sagt Personalleiterin Nicolle Römhild. Darunter sind 46 Ärzte.
Von ihnen kommt fast die Hälfte - 48 Prozent - aus dem Ausland. "Wir haben überhaupt keine negativen Erfahrungen gemacht", sagt Personalleiterin Römhild. "Egal aus welchen Heimatländern sie zu uns kommen: Sie integrieren sich sehr gut bei uns im Haus."
Wir brauchen einfach die ausländischen Ärzte.
Ringen um die Fachkräfte in Thüringen
Es sei schwierig geworden, deutsche Ärzte auf dem Arbeitsmarkt anzuwerben, sagt Römhild. "Wir brauchen einfach die ausländischen Ärzte". Das liege auch an den eingeschränkten Weiterbildungsmöglichkeiten für medizinischen Nachwuchs an einer Reha-Klinik, erklärt der kaufmännische Direktor Rolf-Peter Hoehle.
Wer Facharzt werden will, gehe lieber an größere Akutkrankenhäuser, um die notwendigen Zeiten dort an einem Stück zu absolvieren. Das betreffe inzwischen aber auch junge Ärzte aus dem Ausland - auch sie hätten den Wunsch, Facharzt zu werden.
Drei statt 18 Monaten: Unnötige Hürden für ausländische Mediziner abgebaut
Thüringen habe es ausländischen Medizinern - und damit auch den Kliniken - lange schwer gemacht, sagt Hoehle. "Dort wurden unnötige Hürden aufgebaut und Prozesse so lange verzögert, bis die ausländischen Ärzte sich andere Bundesländer in Deutschland gesucht haben, wo es schneller ging." Das habe sich mittlerweile geändert.
Wenn es früher vom Vorstellungsgespräch bis zum Dienstantritt bis zu 18 Monate dauerte, kann das heute in der Regel in zwei bis drei Monaten geschafft werden. Nach der Fachsprachenprüfung erhalten die ausländischen Ärzte die Berufserlaubnis und können dann die Kenntnisprüfung absolvieren, die der deutschen Approbation entspricht.
Auch der Wohnungsmarkt diktiert die Zukunft einer Klinik.
Klinik kauft und mietet Wohnungen für neue Mitarbeiter
Die Klinik investiert viel in ihre Mitarbeiter aus dem Ausland. Als größtes Problem gilt inzwischen Wohnraum. "Wir merken jetzt: Auch der Wohnungsmarkt diktiert die Zukunft einer Klinik", sagt Rolf-Peter Hoehle.
So hat die Klinik 25 Wohnungen für Mitarbeitende angemietet. Außerdem hat sie zwei Gebäude in Bad Liebenstein gekauft, in denen weitere 18 neue Wohnungen entstehen. Die müssen möbliert werden, sagt Personalleiterin Nicolle Römhild: "Wir ebnen ihnen erstmal den Weg, wenn sie hierher kommen mit ihrem Koffer - mehr haben sie in der Regel nicht dabei."
Integrationsteam, Sprachlehrer und Schulungen zum Gesundheitssystem
Ein Integrationsteam der Klinik unterstützt die weiteren Schritte: Hilfe bei Anträgen, bei der Arbeit, aber auch bei Alltagsfragen: Wie finde ich einen Arzt - und wo kann ich was einkaufen?
Dreimal in der Woche ist eine Sprachlehrerin an der Klinik. Auch für das hiesige Gesundheitssystem gibt es Schulungen. "Wenn Sie einen Deutschen fragen, der kann Ihnen das deutsche Gesundheitssystem nicht erklären", sagt Hoehle. "Aber der ausländische Arzt, der soll es können."
Wenn das nicht funktioniert mit dem Familiennachzug, gehen sie zurück.
Hilfe brauchen die neuen Kolleginnen und Kollegen auch beim Familiennachzug. Ganz wichtig, sagt der kaufmännische Direktor: "Wenn die Familie hier integriert wird mit Kindern in Kindergarten und Schule, dann bleiben sie uns auch als Arbeitskräfte erhalten. Wenn das mit dem Familiennachzug nicht funktioniert, gehen sie zurück - und wir haben viel Kraft, viel Zeit und viel Geld investiert."
Man verliere ohnehin viele ausländische Fachkräfte an Großstädte wie Hamburg und Berlin, sagt Nicolle Römhild. "Die bleiben nicht im ländlichen Raum und wir fangen wieder von vorne an. Das ist schon manchmal frustrierend."
Tunesierin mit anstrengendem Start
Kraft und Zeit investieren aber auch die Ärzte aus dem Ausland. Imene Sammari aus Tunesien kam 2016 nach Bad Liebenstein und hat damals lange auf ihre Berufserlaubnis warten müssen. "Die Behörde in Weimar war schlimm", sagt sie. Immer wieder seien ihr neue Steine in den Weg gelegt worden.
Die Behörde in Weimar war schlimm.
Für die Klinik dagegen hat die Oberärztin nur Lob: "Ich habe hier offene Türen gefunden, Unterstützung nicht nur für die Stelle, auch für anderes. Die waren sehr menschlich mit uns." Personalleiterin Nicolle Römhild habe "einen großen Platz in ihrem Herzen", die Klinik sei ihr Zuhause.
Auch Sammaris Mann ist nachgekommen. Das Ehepaar wohnt in Bad Liebenstein. Während sie ihren Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin in der Reha-Klinik machen kann, ist ihr Mann nach Schmalkalden gewechselt. Er will Facharzt für Innere Medizin werden.
Kollege schätzt Deutschland als Medizinstandort
Auch Agron Destani aus dem Kosovo hat seine Frau nach Bad Liebenstein nachgeholt - sie ist Krankenschwester, er Arzt - beide arbeiten in der m&i-Fachklinik. Destani hat Ende August 2023 mit der Arbeit begonnen. Warum er zum Arbeiten nach Deutschland wollte?
Er schätze die hohe medizinische Qualität, sagt der 32-Jährige, die modernen Behandlungsmöglichkeiten und die gute ärztliche Weiterbildung. Die Kollegen hätten ihn sehr unterstützt, erzählt er, und den Einstieg erleichtert.
Sprache ist größe Hürde
Die größten Hürden? "Am schwierigsten ist die Sprache, die größte Barriere, und natürlich ist das Arbeitssystem hier in Deutschland ganz anders." Dass Patienten einen deutschen Arzt verlangt hätten, weil sie sich nicht verstanden fühlten - das hat Agron Destani bisher nicht erlebt. Zum Glück, sagt er.
Mit der Zeit ist die Sprache immer besser geworden, sagt er. Darauf legt die Klinik großen Wert, sagt Direktor Hoehle. Die Patienten würden regelmäßig dazu befragt.
Als Ausländer sind wir nicht akzeptiert. Es sind nur einige, die uns als erstes als Menschen sehen, als Leute, die gebraucht werden.
Die deutsche Sprache war Imene Sammari nicht unvertraut. Sie hatte Deutsch in Tunesien als zweite Fremdsprache gelernt. Die Patienten hätten selten Probleme mit einer ausländischen Ärztin, hat sie festgestellt. Eher kämen Vorbehalte von den Angehörigen. Was sie schmerzt, ist die allgemeine Ausländerfeindlichkeit, die ihr begegnet:
"Als Ausländer sind wir nicht akzeptiert. Ich bin zwar inzwischen Deutsche, aber das bleibt. Es sind nur einige, die uns als erstes als Menschen sehen, als Leute, die gebraucht werden. Aber die anderen, die wollen uns einfach nicht haben. Und das sieht man an jeder Ecke, beim Einkaufen, beim Spazieren, egal wo."
Bad Liebenstein ist neues Zuhause
Die Abneigung tue weh, sagt Sammari, weil es nicht leicht ist, gut Deutsch zu sprechen und sich in eine fremde Gesellschaft zu integrieren. Aber sie sei eine, die nicht aufgebe. In der Klinik fühle sie sich wohl, werde akzeptiert. Schon nach zwei Wochen in Tunesien habe sie Heimweh nach Bad Liebenstein, erzählt die Ärztin und lacht.
Auch Agron Destani hat den Wechsel nach Deutschland bisher nicht bereut. "Alles, was ich wollte, habe ich in diesem Land gefunden." Die Reha-Klinik in Bad Liebenstein wird er allerdings in absehbarer Zeit wieder verlassen müssen - "leider", sagt er: Destani will Facharzt für Kardiologie werden.
Reha-Klinik bleibt auf ausländische Fachkräfte angewiesen
Die Klinik werde weiter auf ausländische Fachkräfte angewiesen sein, künftig wohl auch verstärkt bei der Pflege, sagt Rolf-Peter Hoehle. "Wir werden uns alle darauf einstellen müssen, dass in diesem Fall die Welt doch sehr vielfältig ist."
Einen Weg, den über die Jahre gestiegenen Bedarf an Ärzten zu senken, könnte er sich allerdings schon vorstellen: Man müsste die Mediziner von einem Teil ihrer Dokumentationspflichten entlasten, schlägt Hoehle vor.
Der überbordende bürokratische Aufwand halte Ärzte von den Patienten fern. "Das bindet Arbeitskraft, macht aber auch den Arzt in seiner Fachlichkeit unzufrieden. Er ist ja Arzt geworden, weil er den Patienten helfen will und nicht, weil er Schreibtischarbeit machen will."
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 14. März 2025 | 18:00 Uhr
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