Zum Filmstart Kostbare Fan-Kultur: Napoleons Hut und Stiefel in Gotha und Dresden bestaunen
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von Linda Schildbach, MDR KULTUR-Landeskorrespondentin für Thüringen
23. November 2023, 21:16 Uhr
Ein ganz Großer der Geschichte bekommt ein Hollywood-Makeover: Napoleon. Der gefeierte Regisseur Ridley Scott hat die Geschichte des selbsterklärten Kaisers aus Frankreich als Blockbuster neu verfilmt. Bis heute werden Erinnerungsstücke Napoleons für Millionen Euro versteigert. Dass der Fan-Kult um den Feldherren schon im 19. Jahrhundert begann, können Interessierte auch in Gotha und Dresden erfahren.
- Der Herzog von Gotha kaufte einen von Napoleons Hüten, der heute noch im Schloss Friedenstein zu sehen ist.
- Auch im Residenzschloss Dresden finden sich Stiefel, die Napoleon auf seinen Feldzügen trug.
- Diese Erinnerungsstücke zeugen von einem frühen Fan-Kult – der bis heute nachwirkt.
Auf den ersten Blick fast unscheinbar wirkt der schwarze Zweispitz in der dunkel ausgekleideten Vitrine im prachtvollen Nordflügel von Schloss Friedenstein in Gotha. Doch ein Original-Hut von Napoleon Bonaparte ist etwas ganz Besonderes: "Man schätzt, dass sich weltweit nur 19 dieser Art erhalten haben, die auf Auktionen Rekordpreise erzielen", erklärt der Direktor der Abteilung Wissenschaft und Sammlungen, Timo Trümper. Erst kürzlich, im November 2023, ist ein Exemplar im französischen Fontainebleau für 1,9 Millionen Euro versteigert worden. "Also das ist ein ganz besonderer Schatz", sagt Tümper.
Ein glühender Fan: August von Sachsen-Gotha-Altenburg
In der Geschichte von Schloss Friedenstein gibt es eine enge Verbundenheit mit dem französischen Kaiser. Einer der schillerndsten Herzöge im damaligen Deutschland, August von Sachsen-Gotha-Altenburg, war ein glühender Verehrer und Anhänger Napoleons. Bereits zu seiner Hochzeit 1802 zeigte der deutsche Adlige sich in Kleidern, die nach Napoleon geschneidert waren, erzählt Trümper. Damit unterschied er sich wesentlich vom Zeitgeist und der Einstellung anderer deutscher Fürsten.
August hielt selbst nach dem Einmarsch des französischen Feldherrn ins Deutsche Reich 1805 noch zu ihm. Hier wiederum erwies sich seine Verehrung als vorteilhaft. Sein Herzogtum musste keine Kriegskontribution an Napoleon zahlen.
Napoleon-Artefakte als lukratives Geschäft
Doch wie kam der heute so kostbare Hut Napoleons in den Besitz des Herzogs? Der Legende nach nächtigte der französische Feldherr im "Gasthaus zum Mohren". Dort soll ein Kammerdiener im Auftrag Augusts diese Memorabilia "organisiert" haben. "Bei diesem Kauf ging es um den Hut, um Stiefel und um Handschuhe Napoleons", so Trümper. "Dem Diener Napoleons wurde für diese Gaben, für diese Souvenir-Artikel eine kleine Goldschatulle gefüllt mit Golddukaten übergeben."
Ein lukratives und zu damaligen Zeiten kein seltenes Geschäft. Auch in der Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sei so über Umwegen eine Locke Bonapartes in die Sammlung gekommen. "Diese Locke soll auf dem Sterbebett Napoleons abgeschnitten worden sein von einem seiner Vertrauten. Der hat dann wahrscheinlich auch daraus ein Geschäft gemacht, würden wir mal vermuten", erzählt der Direktor des Grünen Gewölbes und der Rüstkammer in Dresden, Marius Winzeler. "Und diese Verehrerin, die diese Locke erhalten hat, hat dafür ein wunderbares kleines Medaillon herstellen lassen."
Stiefel in Dresden als Zeitzeugen der Geschichte
In der Rüstkammer in Dresden befindet sich auch ein Paar Stiefel: schlicht, aus dunkelbraunem Kalbsleder mit Tuch gefüttert. Napoleon trug sie am 27. August 1813 in der Schlacht bei Dresden. "Es hat so stark geregnet, dass diese Lederstiefel an den Beinen von Napoleon so festgezurrt waren, dass er hinten an dem einen Stiefel die Naht aufmachen musste, um sie wieder abzuziehen und das sieht man bis heute. Deswegen ist diese Geschichte sehr glaubhaft und plausibel", so Winzeler.
Heute dienen diese Objekte als Zeitzeugen der Geschichte und ziehen immer noch viel Publikum an. Es dürfte kein Zufall sein, dass man im Dresdner Residenzschloss derzeit einen Raum vorbereitet, wo die zahlreichen Napoleon-Erinnerungsstücke dauerhaft gezeigt werden sollen.
Auch in Gotha wird gerade das "maurische Zimmer" aufwendig restauriert. Dort hat Herzog August seiner Napoleon-Verehrung freien Lauf gelassen. An der Decke des Schlafgemachs sind Mond und Sonne mit Gesichtszügen zu sehen "und die Gesichtszüge können Sie mit Herzog August bei dem Mond und Napoleon Bonaparte bei der Sonne gleichsetzen, inklusive Sternzeichen der beiden", erläutert Timo Trümper.
Fan-Kult nutzte Napoleons Machtstellung
Man könne die Faszination und Sammelleidenschaft einiger Herrscher damals durchaus mit einem Fan-Kult vergleichen, findet der Direktor der Abteilung Wissenschaft und Sammlungen in Gotha. Trümper vermutet: Sie wollten dem großen Feldherrn dadurch nahe sein. Die Objekte oder Souvenirs fungierten wie Berührungsreliquien mit denen sich Herzöge oder Könige umgaben.
"Dieses Business konnte Napoleon nur Recht sein, weil er damit natürlich auch Politik machte. Es gab Grafiken von ihm, die ihm eben mit diesem Hut, den er so ab 1802 immer als Markenzeichen getragen hat." Und Napoleon hat stets mehrere Zweispitze auf seinen Reisen dabei. In den 15 Jahren seiner Herrschaft soll er rund 120 Hüte mit der charakteristischen Form besessen haben.
Redaktionelle Bearbeitung: tsa
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR Spezial | 23. November 2023 | 18:35 Uhr