Kreis Gotha Bürgermeister offen für AfD-Zusammenarbeit: Kritiker machen Befürchtungen öffentlich
Hauptinhalt
17. Juni 2023, 05:00 Uhr
Einwohner der Stadt Waltershausen im Kreis Gotha haben in einem offenen Brief ihren Bürgermeister Michael Brychcy kritisiert. Der CDU-Politiker hatte sich zuvor für eine politische Zusammenarbeit mit der AfD in Sachfragen ausgesprochen. Für seine Aussagen habe er allerdings auch viel Zuspruch erhalten, sagt Brychcy.
- Vergangene Woche sprach sich der CDU-Politiker Michael Brychcy für eine politische Zusammenarbeit mit der AfD aus
- Ein offener Brief hat nun 60 Erstunterzeichner und offenbar weitere anonyme Unterstützer
- Brychcy sagte, er wolle keine grundsätzliche politische Zusammenarbeit mit der AfD
- Brychcy gibt an, Zuspruch von Wählern anderer Parteien erhalten zu haben
Wegen seiner Aussagen über die AfD gibt es weiter Kritik am Waltershäuser Bürgermeister Michael Brychcy (CDU). Dutzende Menschen unterzeichneten einen offenen Brief und verlangen eine "baldige Richtigstellung" durch den CDU-Politiker. Das Schreiben liegt MDR THÜRINGEN vor. Darin heißt es, Brychcy solle sich "eindeutig gegen die AfD" positionieren und seinen "guten Ruf" nicht gefährden.
Es sei "erwiesenermaßen" das Ziel von Thüringens AfD-Chef Björn Höcke, die demokratische Grundordnung zu beseitigen und eine "am Nationalsozialismus orientierte Gewaltherrschaft" zu erwirken, heißt es im Brief. Brychcy verharmlose die Partei mit seinen Aussagen. Seit mehr als zwei Jahren stuft der Landesverfassungsschutz die Thüringer AfD als gesichert rechtsextremistisch ein.
Brychcy für politische Zusammenarbeit mit der AfD
Brychcy, der auch Präsident des Thüringer Gemeinde- und Städtebunds ist, hatte sich in der vergangenen Woche für eine politische Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen. In Sachfragen komme die Politik auf der Kommunal- und Landesebene im Osten sonst überhaupt nicht mehr voran, so der Bürgermeister. Nicht alle AfD-Mitglieder seien Faschisten. Er wolle aber nicht mit Rechtsradikalen reden.
Für seinen Vorschlag erntete Brychcy, der auch im Landespräsidium der Thüringer CDU ist, massiv Kritik aus anderen Landesparteien. Auch CDU-Landeschef Mario Voigt sagte, er schließe eine gemeinsame Arbeit mit der AfD weiter aus. Auch CDU-Bundeschef Friedrich Merz erklärte, eine Zusammenarbeit mit "solchen Leuten" sei für ihn "komplett unvorstellbar". Die Thüringer AfD selbst begrüßte den Vorstoß des Walterhäuser Bürgermeisters. Sie sei "seit Jahren" an einer Zusammenarbeit mit der Union interessiert.
Däberitz: Mitwirkende des Briefs wollen aus Angst nicht genannt werden
Ute Däberitz, Erstunterzeichnerin und Mitwirkende des offenen Briefs, sagte MDR THÜRINGEN am Freitag, Brychcys Worte hätte viele Menschen in Waltershausen schnell aufgerüttelt. Es habe sich zeitnah eine vielfältige Gruppe zusammengefunden, die mit dem Schreiben ihr Anliegen aus Walterhausen in die Öffentlichkeit bringen wollte. Viele Menschen hätten beim Verfassen des Briefes inhaltlich mitgewirkt.
Neben namentlichen 60 Erstunterzeichnern, so Däberitz, hätten zahlreiche Unterstützer ihren Namen nicht öffentlich nennen wollen. Däberitz, die Mitglied im Waltershäuser SPD-Ortsverein ist, sagte, einige Unternehmer aus dem Ort fürchteten, Kunden zu verlieren, wenn sie sich öffentlich gegen die AfD äußern. Ihrem Empfinden nach hätten viele Menschen aus verschiedenen Gründen Angst, in der Sache ihre Stimme zu erheben. Das empfinde sie als "erschreckend".
Eine weitere an dem Schreiben beteiligte Person sagte MDR THÜRINGEN, wegen Anfeindungen in sozialen Netzwerken nach Erscheinen des Schreibens wolle sie nicht weiter namentlich auftreten. Gesprächsversuche mehrerer Menschen in Waltershausen mit Brychcy seien "erfolglos" gewesen.
Auch deshalb sei der Entschluss gefasst worden, stattdessen gemeinschaftlich und öffentlich von Brychcy eine klare neue Positionierung zur AfD zu fordern. Brychcy sei seit 34 Jahren dafür bekannt, "mit allen zu reden". Er habe aber vor einiger Zeit die Bürgersprechstunde abgeschafft und so den Zugang zu Gesprächen mit ihm erschwert.
Brychcy schließt Zusammenarbeit mit Höcke-Fraktion aus
Brychcy sagte MDR THÜRINGEN, jeder, der ihn sprechen wolle, finde auch einen Zugang zu ihm, sei es auf der Straße oder nach Voranmeldung im Büro. Das sei seit Jahren bekannt. Der Vorwurf, er habe seine Sprechstunde abgeschafft, sei eine "böse Unterstellung". Sie finde regelmäßig im Abstand von mehreren Wochen, aber nicht zu einem festen Termin statt.
Auch die Unterzeichner des Briefes, der ihm vorliege, hätten demnach so das Gespräch mit ihm suchen können. Er kenne die Verfasser persönlich nicht. Auch auf dem Stadtfest an diesem Wochenende werde er vor Ort für Gespräche und Fragen zur Verfügung stehen.
Brychcy sagte MDR THÜRINGEN zum Inhalt des Briefs am Freitag, er habe vor einer Woche nicht von einer grundsätzlichen politischen Zusammenarbeit mit der AfD gesprochen. So schließe er politische Arbeit mit der Fraktion um Björn Höcke "kategorisch aus".
Der Bürgermeister bekräftigte erneut, er sei fest davon überzeugt, dass nicht alle in der AfD Faschisten seien. Es gebe in seinem Stadtrat "vernünftige Leute" bei der AfD, mit denen man arbeiten könne. Das sei in allen "Ostländern" so, wie er zuletzt im Bundeskanzleramt von Amtskollegen erfahren habe.
Brychcy berichtet von Zuspruch nach AfD-Aussage
Seine Kernaussage sei weiterhin, Politiker müssten mit den Menschen reden, um sie "zurückzuholen" statt nur von "Brandmauern" zu sprechen und Gespräche zu verweigern. Insbesondere der Austausch mit abgewanderten Wählern sei ihm wichtig. Er selbst habe nach seiner Aussage über die AfD viel Zuspruch und Zulauf auch von Wählern der SPD, CDU und Linken erhalten. Viele hätten ihm demnach gesagt, er solle sich "nicht unterkriegen" lassen. Brychcy sagte, er und seine Familie seien in der vergangenen Woche nach seinen Aussagen "gejagt worden". Er sei als Opfer ausgesucht und von allen Parteien öffentlich "verprügelt" worden.
Brychcy will in den Landtag
Brychcy hatte im April angekündigt, im nächsten Jahr nach dann 35 Jahren im Amt auf eine weitere Kandidatur als Bürgermeister zu verzichten. Er wolle aber als Abgeordneter in den Landtag einziehen und für seinen Wahlkreis kandidieren. MDR THÜRINGEN sagte er am Freitag, er wolle keine Wahlempfehlung für oder gegen einen Nachfolger aussprechen und sich in den Wahlkampf um den Bürgermeisterposten in Waltershausen "nicht einmischen".
Mit seiner geplanten Landtagskandidatur wolle er die Chance sichern, dass ein CDU-Mann die Wahl gewinne anstelle des AfD-Kandidaten. Wie sehr das im Widerspruch zu den Vorwürfen des offenen Briefes stehe, empfinde er als "bitter". Er traue sich den Wahlerfolg bei der Landtagswahl wegen seiner regionalen Bekanntheit zu. Auf das Amt des Landesvorsitzenden oder auch Regierungsämter hege er keine Ambitionen.
MDR (jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 16. Juni 2023 | 19:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/b1868e2f-3558-4ab1-ad28-5729ab0c1a6c was not found on this server.