Der Redakteur | 12.06.2024 Quecksilber, Lappen und ein Zopf: Warum eine Südthüringer Kläranlage umgebaut werden muss
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12. Juni 2024, 13:19 Uhr
Die Meldung sorgte für Irritationen: Die Kläranlage an der Oberen Milz der Stadt Römhild im Kreis Hildburghausen muss umgebaut werden. Es sind Stoffe im Abwasser, die da nicht reingehören. Eine Verkettung unglücklicher Um- und Rückstände.
Die Toilette ist kein Mülleimer! Was Menschen mitunter gedankenlos unseren Abwassersystemen anvertrauen, das muss wieder raus, denn die Richtung ist klar: Es landet in der letzten Konsequenz in unseren Flüssen und auf unseren Feldern. Deshalb sollte die Klärung nicht unnötig erschwert werden. Wirklich erwünscht und zu gebrauchen ist eigentlich nur der biologische Anteil, der Rest muss raus.
Hohe Quecksilberwerte im Klärschlamm
Klärschlamm ist wertvoller Biodünger, jedoch nicht rund um Römhild im Kreis Hildburghausen. Die Quecksilberwerte im Klärschlamm sind höher als erlaubt. Das liegt aber nicht an einer besorgniserregenden Entwicklung in Römhild. Vor einigen Jahren wurde die Düngemittelverordnung angepasst, an giftigem Quecksilber darf nun nur noch ein Milligramm je Kilogramm Trockenmasse auf die Felder gelangen, vorher waren es 8 mg/kg. In Römhild liegt der Wert etwas über dem einen Milligramm, im Ergebnis darf der Klärschlamm nicht mehr auf die Felder gebracht werden.
Das Abwasser wird in Laboren regelmäßig überprüft und es ist uns seit drei Jahren nicht mehr möglich, den Schlamm der Landwirtschaft als Dünger zur Verfügung zu stellen.
Zweitbeste Entsorgungsmöglichkeit: die Müllverbrennung. Doch für diese muss der Schlamm getrocknet werden - und das ist auch der Grund für den Umbau der Kläranlage in Römhild. Bisher erledigte das ein externes Unternehmen, künftig soll das die Anlage selbst können. Es ist letztlich auch eine Kosten- und damit eine Gebührenfrage. Die relativ kleine Kläranlage in Römhild hat keine Möglichkeit, Klärschlamm alternativ in Faultürmen zu trocknen und damit zum Beispiel Biogas zu erzeugen.
Was nicht zur Kläranlage fließen sollte
Damit das Abwasser die Kläranlage überhaupt erreicht, muss es immer mal wieder gepumpt werden. Das würde auch sehr gut funktionieren, wenn nur wasserlösliche Stoffe enthalten wären. Toilettenpapier löst sich zum Beispiel auf, das ist also kein Problem, Feuchttücher tun dies nicht, es sei denn, es steht ausdrücklich auf der Packung. Wischlappen lösen sich übrigens auch nicht auf, die werden "gerne" beim Ausschütten des Wischeimers versenkt.
Wischlappen sind bei uns ein richtiger Pumpenkiller.
Dazu kommen die Haare zum Beispiel aus der Haarbürste, die regelmäßig über dem Klo entleert wird, genauso wie das angebrannte Fett aus der Pfanne. Beides sollte dringend unterlassen werden. Denn aus diesen Zutaten werden in der Kanalisation Zöpfe geformt, die irgendwann die Laufräder der Pumpen zum Stehen bringen.
Wenn sich in der Kläranlage kein Rad mehr dreht
Meistens ist es "nur" eine Notabschaltung, bevor die Pumpe blockiert und durchbrennt, aber trotzdem geht es aufs Material und im Endeffekt müssen Menschen in Handarbeit den Zopf entfernen - keine schöne Arbeit. Man sollte, um eine Vorstellung zu haben, nur an den Zopf im Siphon von Wasch- oder Duschbecken denken, nur eben in ganz groß! Und noch etwas verstärkt mitunter den Effekt, wenn zu wenig Wasser im System ist, weil es lange nicht geregnet hat: die Spartaste beim Spülen.
Bei zu wenig Wasser, wenn zum Beispiel der Regen fehlt, kommt es zur Verringerung der Fließgeschwindigkeit, zu Ablagerungen, Geruchsbildung und Korrosion.
Trotzdem will Ralf Strothteicher von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) nicht zur Wasserverschwendung aufrufen. Die Systeme müssten dann eben öfter gespült werden. Und zwar besonders dann, wenn es ein Trennsystem gibt, also Regenwasser und Abwasser in getrennten Leitungen laufen. An diesem Punkt ist man wieder beim Essen. Abgesehen von einer möglichen Rattenfütterung gammeln diese Essensreste da unten vor sich hin und sind mitverantwortlich dafür, dass es mitunter etwas strenger riecht aus den Kanalschächten.
Woher kommt das Quecksilber in Römhild?
Die genaue Herkunft ist unklar. Es kann aus Ablagerungen in den Rohren kommen, die sich durch große Regenmengen gelöst haben, es kann Fremdwasser sein, das durch Regen in die Abläufe gelangte, es kann aber auch von Medikamenten kommen. Auch Amalgamabscheider in Zahnarztpraxen könnten einen Beitrag leisten, wenn sie die ganz feinen Bestandteile nicht ausreichend zurückhalten.
Das sind alles nur Theorien, die wir in Fachkreisen diskutieren. Wahrscheinlich gibt es aber mehrere Ursachen, die zusammenwirken.
Wenn die vierte Reinigungsstufe kommt
Auch beim Reinigen des Abwassers gibt es technischen Fortschritt. Da eben nicht nur biologische Bestandteile im Abwasser sind, sondern auch Badreiniger, Medikamente oder auch chemische Cocktails. Da die weder auf die Felder noch in die Flüsse gehören, muss sich die Branche etwas einfallen lassen.
Treiber ist auch oft die Politik, die Maßstäbe setzt, also Grenzwerte und andere Vorgaben. Das, was derzeit als neue Vorgabe im Anflug ist, wird unseren Kläranlagen mittelfristig eine vierte Reinigungsstufe bescheren. Die drei Stufen davor laufen physikalisch (zum Beispiel Rechen) und chemisch ab und letztlich biologisch mit Hilfe von Bakterien, die übrigens richtig viel Sauerstoff brauchen und die Becken deshalb auch ordentlich Strom.
Das sind die sogenannten Belebungsbecken, wo Mikroorganismen zum Schadstoffabbau beitragen.
In Stufe vier werden dann Aktivkohlefilter und Ozonierung dafür sorgen, dass nicht nur chemische Stoffe, sondern zum Beispiel auch Hormone (Stichwort: Pille) aus dem Wasser entfernt werden, das dann wirklich bedenkenlos zurück in den natürlichen Wasserkreislauf gegeben werden kann. Denn eines darf man nicht vergessen: Am Ende fließt alles, was an Wasser am Ende aus der Klärung rauskommt, in Bäche und Flüsse, in denen Menschen endlich vielerorts wieder bedenkenlos baden und angeln können. Und es gelangt über die Flüsse auch ins Grundwasser, das als Trinkwasser wieder nach oben geholt wird.
MDR (thk)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 12. Juni 2024 | 16:40 Uhr
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