Ausbringung von Biokohle
Versuchsweise Düngung von Phosphat aus Klärschlamm-Biokohle mit betriebsüblicher Technik im Havelland/Brandenburg. Bildrechte: Universität Rostock/Peter Leinweber

Rostocker Forschungen und Tests in Sachsen Recycling-Dünger aus Klärschlamm und Tierknochen

23. Juni 2021, 17:18 Uhr

Klärschlamm und Tierknochen enthalten viel Phosphor. Wegen hoher Schadstoffe sind sie aber als Dünger ungeeignet. Es sei denn, man veredelt sie zu Kohle, wie in einer Kläranlage im sächsischen Niederfrohna. Rostocker Forscher entwickeln aus der dort entstehenden Biokohle sowie aus Knochenkohle einen super Recycling-Dünger.

Das Element Phosphor ist für das Leben auf der Erde von elementarer Bedeutung. Pflanzen, Tiere und Menschen können ohne diesen Baustein des Lebens nicht sein. Entsprechend groß ist die Bedeutung von Phosphor als Dünger in der modernen Landwirtschaft. Doch die weltweiten Phosphor-Vorräte sind begrenzt. Sie reichen unterschiedlichen Schätzungen zufolge nur noch für einige Jahrzehnte, allerhöchstens für ein paar Jahrhunderte.

Abfallprodukte voller Phosphor

Prof. Dr. Peter Leinweber
Prof. Dr. Peter Leinweber entwickelt mit seinem Team Recycling-Dünger aus Bio- und Knochenkohle. Bildrechte: Universität Rostock/Julia Tetzke

Andererseits produziert unsere menschliche Gesellschaft gewaltige Mengen organischer Abfallprodukte, die von Phosphor nur so strotzen. Diese können jedoch wegen der in ihnen enthaltenen Schadstoffe nicht so ohne weiteres als Dünger eingesetzt werden.

Der Rostocker Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Peter Leinweber ist dennoch überzeugt: "Die Zukunft für Phosphat-Dünger wird ein Recycling-Material sein, das aus schadstofffreier Asche, Klärschlamm und Schlachtabfällen bestehen könnte." Leinweber, Inhaber des Lehrstuhls für Bodenkunde der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock, leitet ein Verbundprojekt mehrerer Institute, das unter anderem die umweltverträgliche Nutzbarmachung dieses menschengemachten "großen Phosphorstroms" zum Ziel hat.

1,7 Millionen Tonnen Klärschlamm jährlich

Der Bund fördert Projekte wie diese mit Millionenbeträgen, aber er fordert sie auch. So existiert in Deutschland unter anderem eine gesetzliche Pflicht zur Phosphor-Rückgewinnung aus Klärschlamm. Dahinter steckt ein gewaltiges Potential. So fielen nach Angaben des Bundesumweltministeriums allein im Jahr 2017 in Deutschland circa 1,7 Millionen Tonnen Klärschlamm aus kommunalen Abwasseranlagen an. Mit ihrem hohen Phosphatgehalt wären sie eigentlich der ideale Dünger.

Strenge Grenzwerte und neuartige Schadstoffe

Doch strenge Grenzwerte für Schwermetalle stellen hohe Anforderungen an einen Einsatz in der Landwirtschaft. Auch neuartige Schadstoffe, wie z.B. Rückstände von Arzneimitteln, die mit dem Fortschritt der Analysentechnik in immer kleineren Konzentrationen nachgewiesen werden können, haben den Gesetzgeber auf den Plan gerufen. Klärschlämme dürfen deshalb künftig nicht mehr landwirtschaftlich verwertet werden. Gleichzeitig wurde eine Pflicht zur Rückgewinnung des Phosphats eingeführt.

Klärschlamm-Veredelung in Sachsen

Im sächsischen Niederfrohna will man das Beste aus dieser Situation machen. Der dort ansässige Zweckverband Frohnbach hat auf dem Gelände seiner Kläranlage eine mit EU-Mitteln geförderte Modell-Versuchsanlage zur Klärschlamm-Veredelung errichtet. Durch Pyrolyse, also die Erhitzung unter Sauerstoff-Abwesenheit, werden die organischen Problemstoffe zerstört.

Dabei entsteht eine schadstoffarme und keimfreie Biokohle, die über fünf, im Maximum bis neun Prozent Phosphor enthält. Sie wäre der ideale Phosphor-Dünger wenn das Wörtchen "wenn" nicht wäre. Denn nach geltender Gesetzeslage darf in Deutschland nur als Dünger ausgebracht werden, was seine Düngewirkung in langjährigen Versuchen unter Beweis gestellt hat.

Biokohle und Knochenkohle

Das ist die Aufgabe des Verbundprojektes unter Führung von Professor Leinweber. Ziel der Rostocker Wissenschaftler ist aber nicht nur, die Düngewirkung der Biokohle aus Niederfrohna nachzuweisen, sondern aus einem anderen Abfall, nämlich Knochenkohle aus Schlachtabfällen, ein geeignetes Düngeverfahren zu entwickeln. Dabei geht es darum, eine optimale Nährstoffaufnahme durch die Pflanzen sicherzustellen, ohne zu hohe Einträge im Boden und im Grundwasser zu erzeugen.

Knochenkohle-Dünger wirksamer Phosphat-Lieferant

Mais-Einsaat mit Recycling-Dünger
Einsaat von Mais und Phosphat als Kontaktdünger in einem Gefäßversuch an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Uni Rostock. Bildrechte: Universität Rostock/Peter Leinweber

Hierzu müssen die Rostocker Wissenschaftler zunächst einmal die Düngeeigenschaften von Knochenkohle untersuchen. Das Material entsteht ebenfalls durch Pyrolyse allerdings von Schlachtknochen, an denen noch Fleisch- und Fettreste dran sind. Die nach dem Erhitzen unter Sauerstoff-Abwesenheit entstehende Knochenkohle ist jedoch ein scharfkantiges Material.

Damit es als Recycling-Dünger eingesetzt werden kann, muss es in eine granulierte und rollfähige Form gebracht werden. Nach Angaben von Leinweber ist Knochenkohle in der Lage, Pflanzen sehr wirksam mit Phosphat zu versorgen. Zudem sei sie in der Lage eine "hohes Phosphatfixierungsvermögen" bestimmter Böden zu verhindern. Alles was sich die Pflanze letztlich aus dem Knochenkohle-Dünger zieht sind übrigens "reine" Phosphat- und Kalzium-Ionen.

"Kontaktdüngung" soll "Phosphatfixierung" verhindern

Leinwebers Bodenforscher bringen dafür zunächst in einem Versuchs-Behälter den streufähigen Recycling-Dünger aus Knochenkohle und organischen Zusatzstoffen mit der Hand als Kontaktdüngung nahe dem Saatkorn aus. "Durch die organischen Zusätze soll die unerwünschte Phosphatfixierung im Boden blockiert werden", erklärt der Professor. Denn diese Fixierung verhindert, dass die Pflanzen den Phosphor aufnehmen können.

In einem nächsten Schritt sollen dann Landwirte aus der Region den Recycling-Dünger auf ihren Feldern testen. Deren Drillmaschinen legen dabei jeweils in geringer Entfernung seitlich unter jedem Samenkorn ein Düngekorn aus. Dadurch soll garantiert werden, dass die Pflanze in ihrer Keimphase gleich ausreichend Nährstoffe zur Verfügung hat, erklärt Leinweber. Durch eine derart gezielte Düngung werde in der Masse weniger Dünger benötigt, dieses Wenige aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitgestellt so die Theorie.

Spezielles Düngegranulat entwickelt

Möglich ist das nur mit einem bestimmten Düngegranulat, dessen spezielle Eigenschaften in Rostock entwickelt wurden. "Die Düngergranulate stellt eine Ingenieurfirma aus Weimar nach unseren Rezepturen her", erklärt Leinweber. Dabei gehe es nicht ohne theoretische Physik. So modelliere beispielsweise in der Rostocker Arbeitsgruppe Molekulare Quantendynamik des Physikers Professor Oliver Kühn mit dem Nachwuchswissenschaftler Dr. Ashour Ahmed am Computer die Wechselwirkung zwischen Bodenmineralen und Phosphor mit und ohne gebundene organische Substanzen, so der Bodenforscher: "Das ist die theoretische Grundlage für die Zusammensetzung des smarten Düngers."

(dn)

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