Polizeibeamte stehen vor dem Verhandlungssaal.
In Jena startet heute unter strengen Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen drei Rechtsextreme. Bildrechte: picture alliance/dpa | Bodo Schackow

Eisenach/Jena Rechte Terrorgruppe oder kriminelle Vereinigung? Prozess gegen "Knockout 51" startet

28. April 2025, 08:36 Uhr

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen startet am Vormittag vor dem Oberlandesgericht Jena der Prozess gegen drei Rechtsextremisten. Die Bundesanwaltschaft wirft zwei von ihnen die Mitgliedschaft in der Kampfsportgruppe "Knockout 51" vor. Einer soll die Bande in Eisenach mitbegründet haben. Der dritte Angeklagte - ein führendes Mitglied der rechtsextremen Partei "Die Heimat" (vormals NPD) - soll die Gruppe unterstützt haben.

Laut Unterlagen, die dem MDR vorliegen, sahen sich "Knockout 51" als elitäre Kampfgruppe. Die Regeln seien streng gewesen: Wer nicht regelmäßig zum Training im Flieder Volkshaus in Eisenach erschien, dem drohte angeblich der Rausschmiss. Neumitglieder hätten sich demnach als Anwärter mindestens ein halbes Jahr bewehren müssen, erst dann hätten sie das Logo von "Knockout 51" tragen dürfen.

Wie die Bundesanwaltschaft feststellte, wurde dabei nicht nur auf sportliche Leistung im Kampfsport großen Wert gelegt, sondern vor allem auch auf ein Leben nach nationalsozialistischem Muster. Für die Weltanschauung wurden angeblich eigene Schulungen organisiert.

Training für den Straßenkampf

Als ihr Revier betrachtete die Bande die Eisenacher Nordstadt - ihren "Nazi Kiez". Hier führten sie sich als Ordnungsmacht auf, hier regierte "KO 51". Regelmäßige Streifen und entsprechende Graffiti untermauerten diese Herrschaftsansprüche: vermeintliche Linke, Ausländer oder Drogenabhängige hatten hier nichts zu suchen und wurden attackiert - so die Bundesanwaltschaft.

So verfolgte die Gruppe laut MDR-Informationen kurz nach ihrer Gründung im März 2019 das Ziel, durch hartes, brutales Training im Flieder Volkshaus, dem Sitz der Thüringer Geschäftsstelle der rechtsextremen Partei "Die Heimat" (vormals NPD), im erwarteten Straßenkampf gegen Gegner und die Polizei bestehen zu können.

Polizisten und ein Polizeiauto vor einem Haus.
Im Flieder Volkshaus in Eisenach trainierten die "Knockout51"-Mitglieder. Bei einer Razzia stellte die Polizei im April 2022 ein ganzes Waffenarsenal sicher. Bildrechte: MDR/Marcus Scheidel

Außerdem war die Bande wohl für den Saalschutz des Volkshauses zuständig. Wie der Generalbundesanwalt schreibt, nahmen die Rechtsextremisten neben dem Kampfsporttraining als Gruppe an Demonstrationen von Coronaleugnern, Querdenkern und Reichsbürgern in der gesamten Bundesrepublik teil, um Gewalt auszuüben. Die Rädelsführer der Bande seien bestens in der rechtsextremen, militanten Szene vernetzt gewesen.

Knockout 51 "Knockout 51" oder "KO 51" soll eine straff hierarchisch organisierte Gruppe gewesen sein, die vor allem über Kampfsport-Trainings Jugendliche für die rechtsextreme Szene anwerben wollte. Die 51 steht für den fünften und den ersten Buchstaben im Alphabet: EA - für das Autokennzeichen Eisenachs. An den regelmäßigen Trainings - immer am Donnerstag und am Sonntag - sollen zwischen fünf und 15 Personen teilgenommen haben. Die eigene "Jugend" umfasst laut Bundeskriminalamt circa 20 Personen, darunter auch Frauen.

Wandel zum Terrorismus?

Das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft sind überzeugt, dass sich spätestens im April 2021 die Gruppe von einer kriminellen zu einer terroristischen Vereinigung gewandelt habe. Nach linksextremen Angriffen auf Mitglieder von "Knockout 51", auf deren Szenekneipe "Bull's Eye" in Eisenach und auf weitere Objekte der rechtsextremen Szene hätten sich die militanten Kampfsportler radikalisiert.

So sollten - sagt die Bundesanwaltschaft - Auseinandersetzungen mit mutmaßlichen Linksextremisten gesucht oder provoziert werden. Dabei seien auch tödliche Verletzungen beim Gegner anvisiert worden. Viermal sollen Mitglieder sogar auf tschechischen Schießständen den Umgang mit scharfen Waffen trainiert haben.

Ein ganzes Waffenarsenal soll sich die Gruppe bereitgelegt haben: Bei der Razzia im Flieder Volkshaus stellte die Polizei im April 2022 eine Machete, eine Axt, einen Schlagstock und Eisenstangen mit angeschweißten Handgriffen sicher.

"Knockout 51" machte weiter

Im April 2022 wurden vier Mitglieder der Gruppe - darunter auch der Rädelsführer Leon R. - festgenommen. Davon unbeeindruckt machten die anderen Rechtsextremisten offenbar weiter. Die nun Angeklagten Kevin N. und Marvin W. sollen die Bande weiter gefestigt haben - vor allem um Szenetreffen und Rechtsrockkonzerte im Flieder Volkshaus zu schützen.

Der dritte Angeklagte, Patrick Wieschke, Kommunalpolitiker der "Heimat" soll der Gruppe das Neonazi-Haus zur Verfügung gestellt haben. Er streitet auf MDR-Anfrage die Vorwürfe ab. Kriminelle oder gar terroristische Pläne seien ihm nicht bekannt. Vielmehr wären nach der Anschlagsserie auf "rechte Objekte" im April 2021 Schutzmaßnahmen diskutiert worden, aber keine Angriffsszenarien - so Wieschke.

Erst Mitte Dezember 2023 wurden Kevin N., Marvin W. und Patrick Wieschke festgenommen. Während Wieschke im April 2024 entlassen wurde, sitzen die beiden mutmaßlichen Mitglieder von "Knockout 51" weiter in Untersuchungshaft.

Mammutprozess erwartet

Das Oberlandesgericht Jena muss vor allem auch zum Vorwurf der Bildung oder Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung entscheiden. Schon im ersten Prozess gegen Mitglieder von "Knockout 51" hatte das OLG keine Terrorvereinigung erkannt.

Darum war der Generalbundesanwalt im vergangenen Sommer in Revision gegen das erlassene Urteil gegangen. Auch im Vorfeld des zweiten Prozesses erkannte das Oberlandesgericht Jena keinen Terrorverdacht und wollte den Prozess an das Landgericht Gera verweisen.

Der Bundesgerichtshof erkannte dagegen "hinreichende Hinweise" und folgte der Beschwerde der Bundesanwaltschaft. Zweimal pro Woche wird nun am Oberlandesgericht verhandelt - bis Ende des Jahres hat der Strafsenat die Termine bereits festgesetzt.

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MDR (ahem/fno)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 28. April 2025 | 19:00 Uhr

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