Natur Grund zur Hoffnung? Borkenkäfer erstmals seit Jahren in normaler Winterruhe
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04. Oktober 2024, 13:43 Uhr
Erstmals seit Jahren hat sich der Borkenkäfer in Thüringen wieder zur Normalzeit in die Winterruhe zurückgezogen. Nach Angaben von Forstexperten könnte das für Entspannung in Thüringens Wäldern sorgen. Befallene Bäume müssen aber trotzdem aus dem Wald. Denn im Frühjahr schwärmt der Käfer wieder aus.
Seit dem Wintersturm Friederike im Januar 2018 herrscht Krieg in den Thüringer Wäldern. Mathias Stürtz ist Waldschutzexperte im Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum von Thüringenforst in Gotha. Die martialischen Worte seien durchaus angebracht. Denn solch ein Schadensausmaß, wie sie der Borkenkäfer in den vergangenen Jahren im Thüringer Wald angerichtet hat, hätte sich Stürtz in seinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können. "Das sprengt komplett den Rahmen", so Stürtz.
Das ist eine ganz andere Dimension. Das hat bisher noch keiner erlebt.
Auch die Borkenkäfer-Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg sei damit nicht vergleichbar. Damals habe es von 1947 bis 1949 insgesamt 1,5 Millionen Festmeter Schadholz gegeben. "Und das war eigentlich immer so das Schreckgespenst für jeden Förster, der sagt: So etwas sollte nicht wieder passieren. Und jetzt sind wir bei jährlichen Schadholzmengen von sechs Millionen. Das ist eine ganz andere Dimension. Das hat bisher noch keiner erlebt."
Perfekte Voraussetzungen für Borkenkäfer
Nach Friederike lagen zu viele umgestürzte Bäume im Wald, der Borkenkäfer konnte sich vermehren. Und dann spielte dem Schädling das Wetter voll in die Karten. Gleich drei extrem heiße und trockene Sommer hintereinander ließen die Abwehrkräfte vor allem der Fichten dahinschwinden und der Borkenkäfer konnte sich massenhaft vermehren.
Der viele Regen in diesem Jahr hat den Bäumen gutgetan. Sie konnten wieder Harz bilden, um den Käfer besser abzuwehren.
Im letzten wieder außergewöhnlich warmen Herbst ist der Schädling noch bis Anfang November aktiv gewesen und hat laut Stürtz eine dritte Brut ausschwärmen lassen. In diesem Jahre gibt es erstmals vorsichtigen Grund zur Hoffnung: Stürz und seine Waldschutzkollegen haben beobachtet, dass der Borkenkäfer in diesem Jahr Ende August / Anfang September seine Winterruhe vorbereitet hat. Dafür verkriecht er sich unter der Rinde.
Laut Stürtz deutet gerade alles darauf hin, dass der Fichtenborkenkäfer in diesem Jahr keine dritte Brut bilden wird. Das verschafft den Revierförstern ein wenig Luft. Befallene Bäume müssen trotzdem bis zum Frühjahr raus aus dem Wald. Dann schwärmt der Käfer wieder aus.
Schadholzmengen leicht zurückgegangen
Thomas Zehner ist der Leiter des Forstamts Schönbrunn (Kreis Hildburghausen). Auch dort wie im gesamten Land sind die Schadholzmengen erstmals wieder leicht zurückgegangen. Doch so richtig traut Zehner dem Frieden nicht. "Es hängt einfach alles viel zu sehr vom Wetter ab. Der viele Regen in diesem Jahr hat den Bäumen gutgetan. Sie konnten wieder Harz bilden, um den Käfer besser abzuwehren", sagt Zehner. Wenn allerdings wieder ein extrem trockener Sommer komme, könne der Trend auch sehr schnell wieder in die andere Richtung umschlagen.
Manchmal muss ein Bestand in den nächsten zehn Tagen raus und das ist natürlich ein riesiges logistisches Problem.
Ein harter Winter würde dem Borkenkäfer übrigens kaum etwas ausmachen. Der Fichtenborkenkäfer fühlt sich laut Waldschützer Stürtz in Mittelgebirgen wohl. Mit einem kräftigen Winter komme er gut zurecht. "Was ihn aber stören würde, wäre ein ständiges Auf und Ab. Milde Perioden müssten sich ständig mit starkem Frost abwechseln." Kühle verregnete Sommer und ein warmkalter Winter wären ideal.
Der Borkenkäfer ist ein schwieriger Feind. Vom Ei bis zum Käfer braucht er etwa sechs Wochen. "Wenn man jetzt also unter die Rinde schaut, sieht man ja, wie weit sich der Käfer entwickelt hat. Ob er noch Larve, Puppe oder Jungkäfer ist. Und dann muss man entscheiden. Manchmal muss ein Bestand in den nächsten zehn Tagen raus und das ist natürlich ein riesiges logistisches Problem."
Für viele Kollegen ist das schlimm, wenn sie ihre Arbeit von 30 Jahren sterben sehen.
Schädlinge warten bereits auf neuen Wald
In einigen Regionen wie rund um Masserberg im Kreis Hildburghausen oder bei Neuhaus am Rennweg hat der Käfer gewonnen. Dort sind so gut wie alle Fichten bereits abgestorben. "Für viele Kollegen ist das schlimm, wenn sie ihre Arbeit von 30 Jahren sterben sehen", sagt Forstamtsleiter Thomas Zehner. Er versuche dann, seine Leute immer wieder zu motivieren.
Und jede Katastrophe sei auch für irgendetwas gut. "Wer genau hinschaut, sieht ja auch schon wieder neues Leben unter den Fichtenleichen. Es entsteht ein völlig neuer Wald." Aber auch da lauern die Schädlinge schon. Der Rüsselkäfer knabbert mit Vorliebe frisch gepflanzte Bäume an und Mäuse haben es auf die noch zarten Wurzeln abgesehen. Wieder ein Fall für die Waldschützer.
MDR (jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 04. Oktober 2024 | 18:00 Uhr
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