Auftakt der Kulturarena Jenaer Ensemble verabschiedet sich mit fulminantem Sommertheater
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03. Juli 2024, 13:05 Uhr
Das Theaterhaus Jena eröffnet am Mittwochabend die Kulturarena Jena. Die diesjährige Produktion heißt "Carol. Shakespeare in Jena" und erzählt von der Gruppe Frühromantiker rund um Caroline Schlegel-Schelling, die um 1800 in Jena lebten und mit ihren Ideen die Moderne prägen sollten. Es ist gleichzeitig die letzte Inszenierung des zuletzt mit Preisen überhäuften Jenaer Ensembles, ab Herbst bekommt das Haus eine neue Leitung.
- Das Theaterhaus Jena eröffnet am Mittwochabend die Kulturarena Jena mit dem Stück "Carol. Shakespeare in Jena" über das Leben und Werk von Caroline Schlegel-Schelling.
- Das Theaterstück orientiert sich an den historischen Vorbildern, arbeitet aber auch mit eigener Fantasie, Gesang und Tanz.
- Die Inszenierung ist die letzte des aktuellen Jenaer Ensembles und soll auch ein Zeichen für eine progressive Stadt setzen.
Auch bei dieser Produktion gibt es sie wieder: die Verknüpfung zwischen Stück und Stadtgesellschaft. Für vergangene Produktionen hat das Jenaer Ensemble in Kneipen, Kleingartenanlagen oder angrenzenden Dörfern recherchiert – dieses Mal nimmt es das Publikum mit auf eine Reise in Jenas Vergangenheit. Konkret in die Leutragasse 5 – wo sich Ende des 18. Jahrhunderts rund um Gastgeberin Caroline Schlegel-Schelling ein Kreis von Freigeistern versammelte.
Eine – laut Lizzy Timmers – sehr wilde Clique mit revolutionären Gedanken und Lebensweisen. Timmers hat das Theaterhaus in den vergangenen Jahren künstlerisch geleitet. Besonders fasziniert hat die Regisseurin am Kreis um Caroline Schlegel-Schelling, "wie innovativ sie sind, wie Avantgarde, wie Anti-Establishment." Die Intellektuellen seien "Anti-Norm" gewesen. Sie hätten experimentiert mit offenen Beziehungen, offenen Ehen und sich in Leute verliebt, die schon verheiratet waren, erzählt Timmers.
Wiederentdeckte Heldin aus Jena
Dem Jenaer Zirkel von Freigeistern gehörten unter anderem auch Goethe, Novalis und Schelling an. In dem vom Ensemble des Theaterhauses wie immer selbst entwickelten Stück liegt der Fokus aber auf der titelgebenden Heldin Caroline Schlegel-Schelling, auch weil es in ihrer Biografie die meisten unbeantworteten Fragen gibt. Ein Umstand, der – so Regisseurin Lizzy Timmers – auch damit zu tun hat, dass sie eine Frau war und es zum Beispiel damals für das Ansehen einer Frau sehr schädlich sein konnte, Schriften unter eigenem Namen zu veröffentlichen.
Sie war Lektorin und hat viele Shakespeare-Werke übersetzt. Aber ihr Name kommt trotzdem nur mit Bleistift geschrieben an der Kante vor.
Sie sei immer dabei gewesen, immer dazwischen. Alle hätten sich in ihrem Haus getroffen, sie habe viele Shakespeare-Werke übersetzt, erzählt Timmers. "Aber ihr Name kommt trotzdem nur mit Bleistift geschrieben an der Kante vor. Und da haben wir viel darüber nachgedacht über den Zeitgeist und die Rolle der Frau und, dass Frauen eben nicht so einfach veröffentlichen konnten."
Fantasievolles Theater mit rappendem Goethe
Die Figuren sind an die realen Vorbilder angelehnt, aber mit eigener Fantasie und menschlichen Makeln ausgeschmückt. Den Anspruch historisch korrekter Wiedergabe gibt es nicht – im Gegenteil, sagt Dramaturgin Hannah Baumann: "Das ist ein eigener Zugang zu einem Mashup dieser Zeit und ein Wirbelwind dieses Stück."
Nikita Buldyrski spielt zum Beispiel Goethe – als etwas eigensinnigen, aber sanften Blumenliebhaber, der unter schlimmer Höhenangst leidet. Relativ ungünstig bei dem Bühnenbild, dass aus einem hohen, bogenförmigen Stahlgerüst besteht, das von dem Ensemble auf verschiedenen Ebenen bespielt wird. Dieser Goethe aber weiß auch, wie er sich abreagieren kann: mit einem flotten Rapsong.
Der Abend enthält intime Dialoge, aber auch einiges an Trash – in Form von Gruppengesängen und Tanzchoreos – lustvoll begleitet von einer Live-Band, mal poppig, mal rockig. Genau diese Mischung mache ihr Spaß, sagt Regisseurin Lizzy Timmers. Sie bevorzuge einen Spielstil, der auf der einen Seite offen und transparent sei und auf der anderen Seite auch Momente der großen Theatergesten habe. "Ich mag Momente, die erst beiläufig und dann plötzlich emotional werden. Und da hilft Musik natürlich immer sehr, Gefühle zu transportieren," erklärt die Regisseurin.
Progressive Geschichte in Zeiten des Rechtsrucks
Das Ensemble will dem Jenaer Publikum ein fulminantes Abschiedsgeschenk machen, das Spaß macht – aber auch eine Botschaft sendet, findet Dramaturgin Hannah Baumann. "Jetzt in dieser Zeit, wo auch vieles schief läuft in Thüringen, wollten wir als Abschiedsstück auch ein Gegengewicht liefern und einen Blick auf diese total progressive Seite der Stadt werfen."
Jetzt in dieser Zeit, wo auch vieles schief läuft in Thüringen, wollten wir als Abschiedsstück auch ein Gegengewicht liefern und einen Blick auf diese total progressive Seite der Stadt werfen.
Informationen zur Inszenierung
"Carol. Shakespeare in Jena"
Sommertheater zur Eröffnung der Kulturarena Jena
Regie: Lizzy Timmers
Dramaturgie: Hannah Baumann
Von und mit: Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Mona Vojacek Koper, Leon Pfannenmüller, Anna K. Seidel
Theathervorplatz
Schillergässchen 1
07745 Jena
Premiere:
Mittwoch, 3. Juli 2024, 21:30 Uhr
Weitere Vorstellungen:
Donnerstag, 4. Juli 2024, 21:30 Uhr
Freitag, 5. Juli 2024, 21:30 Uhr
Samstag, 6. Juli 2024, 21:30 Uhr
Sonntag, 7. Juli 2024, 21:30 Uhr
Redaktionelle Bearbeitung: hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. Juli 2024 | 06:15 Uhr