Legalisierung Vorm ersten Joint ein tiefer Zug Bürokratie: So steht es um die Cannabis Social Clubs in Thüringen
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02. Juli 2024, 16:28 Uhr
Während in manchen Gärten, auf Balkonen oder in Klimaschränken bald die ersten legalen Hanfpflanzen erntereif sein dürften, können die Anbauvereine erst seit Montag den Antrag stellen, Cannabis im großen Stil anbauen zu wollen. Die Clubs kämpfen mit der Bürokratie - dabei es geht vor allem um Sicherheits- und Präventionskonzepte. Die Anbauvereine in Jena und Weimar rechnen deswegen erst mit Anbaubeginn im Oktober.
Auf dem Privatgrundstück am Rande Kahlas sollen bald jede Menge Hanfpflanzen stehen. Circa 500 Quadratmeter - gemietet vom Cannabis Social Club Jena. In der Saalestadt war nichts Vergleichbares zu bekommen, erklärt Vorstands-Chef Philipp Weiler die ungewöhnliche Ortswahl. Noch ist es nur eine Wiese mit einem alten Obstbaum. Später soll ein Gewächshaus her mit dem nötigen Equipment, um für die etwas mehr als 30 Mitglieder des Anbauvereins Cannabis zu kultivieren.
Aber erst einmal müsse der Verein durch den Genehmigungsvorgang für die Anbaulizenz, so Weiler. Seit 1. Juli kann das Formular dafür auf der Internetseite des Landwirtschaftsministeriums heruntergeladen werden. Es geht also langsam vorwärts für die Cannabis Clubs. Drei von ihnen gibt es derzeit in Thüringen: in Jena, Weimar und Erfurt.
Keine Infos von Behörden: Lange Unklarheit über Zukunft der Social Clubs
Die Stimmung im Jenaer Club ist nun auch wieder besser, nachdem lange nicht klar war, wie es seitens der Behörden weitergeht, sagt Weiler: "Probleme hat das vor allem bei den Mitgliedern gemacht. Was sollte ich denen erzählen? Es gab tatsächlich einige, die ausgetreten sind, weil sie es nicht einschätzen konnten, ob sie was zu Weihnachten bekommen würden oder erst im Sommer. Es war ja nicht mal klar, ob die Behörden alles bis zum 1. Juli schaffen würden."
Nach der Teil-Freigabe von Cannabis zum privaten Anbau und Konsum hielten sich die Behörden mit Blick auf die Anbauvereine in der Tat lange bedeckt. Die Clubs hingen in der Luft, hatten keine staatlichen Ansprechpartner. Klar war, und das sieht das Cannabis-Gesetz vor, dass die Anbauvereine ein Netz aus Schutzkonzepten entwickeln sollten: Anlagensicherheit, Jugendschutz und Prävention, um nur die wichtigsten zu nennen. Aber wie die Konzepte im Detail ausgestaltet werden sollten, war offen.
Zusammenarbeit verschiedener Behörden verlangsamt Umsetzung der Clubs
Erst Ende vergangener Woche kam das Landwirtschaftsministerium aus der Deckung und bestimmte die Lizenz- und Aufsichtsbehörde für die Clubs. Das Landesamt für Landwirtschaft und ländlichen Raum in Jena ist zuständig für die Genehmigungen, aber auch die Kontrolle der Clubs.
Warum die Entscheidung erst auf den letzten Drücker kam, begründete das Landwirtschaftsministerium auf Anfrage von MDR THÜRINGEN schriftlich mit langwierigen Abstimmungsprozessen: "Aus dem Gesetzestext des CanG [Cannabis-Gesetzes] wird ersichtlich, dass es die fachlichen Zuständigkeiten verschiedener Ressorts berührt."
Vom Pflanzenbau, über den Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutz, die Suchtprävention sowie Belange des Strafgesetzbuches müssten in der Vorbereitung zur Verwaltungsumsetzung des Bundesgesetzes auf Landesebene die verschiedenen Zuständigkeiten festgelegt werden, so das Ministerium. Dieser Abstimmungsprozess eines völlig neuen Verfahrens zwischen mehreren beteiligten Ministerien und ihren nachgeordneten Behörden nehme etwas Zeit in Anspruch.
Anbaugenehmigung ist teuer
Um an eine Anbaugenehmigung zu kommen, müssen die Vereine (möglich sind auch Genossenschaften) einen fünfseitigen Antrag ausfüllen, in dem sie über Verantwortliche, die Anbauflächen und -mengen, aber vor allem über Sicherheits- und Schutzmaßnahmen detailliert Auskunft geben.
Die Lizenzierung lässt sich das Landesamt gemäß der Verwaltungsgebührenbemessungsverordnung gut bezahlen: 16 Euro pro Viertelstunde soll die Bearbeitung kosten. Drei Monate darf sie maximal dauern. Da können eine Menge Gebühren zusammenkommen, bevor das erste Pflänzchen auch nur einen Krümel Erde gesehen hat.
Hoffnung macht den Jenaer und Weimarer Clubs, dass sie bereits mit der zuständigen Sachbearbeiterin sprechen konnten. Es sei sehr konstruktiv gewesen, resümiert Philipp Weiler. Der Vorstandsvorsitzende des Weimarer Anbauvereins, Friedemann Söffing hofft, dass sich die Gebühren nicht unkontrolliert aufsummieren: "Wenn die Kosten das übersteigen sollten, was wir selber leisten können, müssen wir auch darüber nachdenken, wie das alles weitergehen soll. Ich hoffe, es gibt eine Art Deckelung, dass man halt sagt, pro Antrag sind so und so viele Stunden vorgesehen. Das ist auch ein Feedback, das ich mir vom Landesamt wirklich erhoffe."
Der für das Genehmigungsverfahren zuständige Abteilungsleiter im Landesamt, Frank-Peter Roick, ist bemüht, die Sorgen der Clubs zu zerstreuen. Die Anträge werden ganz sachlich bearbeitet, niemand wolle den Vereinen etwas Böses. Entscheidend sei, dass die Anträge und Anlagen vollständig abgegeben würden.
Roick ist auch verantwortlich für die spätere Kontrolle der Clubs: "Wir gehen davon aus, dass wir mindestens einmal im Jahr kontrollieren. Wir müssen regelmäßig Proben nehmen zur Qualitätssicherung. Die Proben müssen entsprechend untersucht werden auf den Gehalt von THC oder Pflanzenschutzmittelrückstände oder ähnlichem."
Doch bis es soweit ist, werden wohl noch viele Joints (aus privatem Anbau) gedreht. Der Weimarer Cannabis Club ist übrigens nach eigener Darstellung deutlich weiter als der Jenaer. Im Norden Weimars hätten sie bereits eine Halle nebst künftigem Vereinsheim und Abgabestelle für die aktuell 120 Mitglieder. Der Innenausbau laufe auch schon, freut sich Friedemann Söffing. Nach Lizenzerteilung könnten sie sofort loslegen. Konservativ geschätzt ist das allerdings erst im September oder Oktober. Der erste Joint aus einem Thüringer Cannabis Social Club brennt dann wohl frühestens unterm Weihnachtbaum.
MDR (ost)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 02. Juli 2024 | 19:00 Uhr
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