Eine Cannabispflanze
Gras-Anbau für Privatpersonen und Vereine: noch illegal - bald vermutlich erlaubt? Bildrechte: Aurora Europe

Legalisierung Cannabis Social Clubs in Thüringen - Das ist geplant

24. Februar 2024, 15:02 Uhr

Der Konsum und Besitz von Cannabis-Produkten ist ab 1. April in bestimmten Mengen straffrei. Der Erfurter Cannabis Social Club will direkt neben einer Polizeiwache legal Gras anbauen. Akribisch bereitet sich der Verein darauf vor - andere Gruppen in Thüringen zögern noch.

David Straub schaut in die Kamera.
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Es quietscht ganz schön laut, als der muskelbepackte Besitzer der Halle das Tor hochfährt. Das Gebäude gehört zum Areal eines Fitnessstudios, in einer Stadt, südlich von Erfurt gelegen. Neben dem Muskelmann steht Hermann Klatt, leuchtende Augen. "Das ist es, das zukünftige Reich." Klatt ist Gründungsmitglied des Erfurter Cannabis Social Clubs (CSC), die Halle soll die zukünftige Produktionsstätte von Thüringens erstem legal produzierten Cannabis werden.

"Die Dachkonstruktion sieht ja auch extrem solide aus, die würde dann mit der Solaranlage auch überhaupt keine Probleme haben ...", beginnt Klatt. "Überhaupt keine Probleme", bekräftigt der Besitzer. Es ist ein kurzes, erfolgreiches Treffen für beide Seiten an diesem Augusttag: "Ausgezeichnet, das war sehr produktiv heute", sagt Klatt, "mehr Fragen bestehen von meiner Seite auch nicht."

"Von uns auch nicht", sagt der Muskelmann. Ein Handschlag.

Strenge Auflagen für die Clubs - machbar für die Erfurter

Klatt ist ein Organisationstalent, bedacht, ambitioniert - auch Presseanfragen werden von ihm und seinem Mitgründer-Kollegen Dennis Gottschalk sofort beantwortet. Läuft alles nach Plan und verabschiedet das Parlament den von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingebrachten Gesetzesentwurf, dürfte der Anbau von Cannabis bald legal sein. Allerdings nur unter strengen Regeln. Wer die in Thüringen kontrollieren soll, ist laut Angaben des Gesundheitsministeriums vom September 2023 noch unklar. Lauterbachs Entwurf ist zumindest konkret: Über die Social Clubs als eingetragene Vereine sollen Verbraucher das Cannabis beziehen können.

Jeder Club darf dabei maximal 500 Mitglieder aufnehmen. Mehrere Mitgliedschaften in verschiedenen Cannabis Social Clubs sind verboten. Nur Vereinsmitglieder haben die Möglichkeit, bis zu 25 Gramm auf einmal und maximal 50 Gramm pro Monat zu erhalten. Für Nichtmitglieder gibt es keinen Hanf. Außerdem dürfen sie keine Werbung machen und auch in den Club-Räumen ist der Konsum von Cannabis und auch Alkohol verboten. Zudem gilt ein Mindestabstand von 200 Meter für die Clubs zu Schulen und Kindergärten und es muss einen Sucht-, Jugendschutz- und Präventionsbeauftragten geben.

Zukünftige Fabrik direkt neben der Polizei

Dieses Kriterium hat es auch den Erfurtern extrem schwergemacht, einen Ort zu finden. Ihre zukünftige Halle würde passen - auch wenn eine Polizeiwache direkt danebensteht. "Das ist ein riesiger Pluspunkt", freut sich Hermann Klatt. "Weil wir wollen natürlich nicht, dass hier Kleinkriminelle denken, sie könnten schnelle Euros machen, oder die Bude von der Mafia niedergebrannt wird."

Was ist mit den Risiken des Drogenkonsums?

Wichtig: Klatt und Gottschalk haben in Erfurt - zum Zeitpunkt des Gesprächs im September - noch keinen CSC gegründet, sondern lediglich einen Verein, der die Vorab-Organisation übernimmt. Alles andere, also die Gründung eines Social Clubs wäre bis zum 1. Januar 2024, dem mutmaßlichen Beginn der Legalisierung, nicht erlaubt.

Doch was ist, ganz generell, mit der Verantwortung, die die Vereine haben? Tragen sie nicht dazu bei, eine Droge weiter zu verbreiten? Unter anderem Polizeigewerkschaften oder die Landesärztekammer warnen beispielsweise vor den Folgen von Cannabis, vor allem für Kinder und Jugendliche.

Wir wollen ja keinen künstlichen Bedarf schaffen.

Hermann Klatt CSC Erfurt

Hermann Klatt findet da klare Worte. "Unter 21 wird bei uns niemand Mitglied." Außerdem werde das Personal geschult, um Suchtfaktoren oder die Verwahrlosung von Mitgliedern rechtzeitig zu erkennen und an die Drogenberatung zu verweisen. "Wir wollen ja keinen künstlichen Bedarf schaffen. Sondern wir werden die Sicherheit des Cannabis enorm verbessern und den Schwarzmarkt schwächen."

Eine Frau zieht an einem Joint.
Joints sicher und legal rauchen: Das wollen die CSC ab kommendem Jahr schaffen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Klatt: Cannabis schon jetzt überall verfügbar

Die Gefahren durch gestreckte Stoffe und synthetische Cannabinoide seien mit den CSC gebannt. "Jeder, der in Deutschland jetzt sein Cannabis möchte, bekommt sein Cannabis auf dem Schwarzmarkt", sagt Klatt. "Da wird es keinen Mitgliedsbeitrag verlangt, da wird keine Registrierung verlangt, da wird auch kein Ausweis verlangt." Außerdem, so das Argument, werden er und sein Team dafür sorgen, dass der Preis für die Mitglieder bei fünf Euro pro Gramm liegt - und nicht wie sonst bei deutlich höheren Sätzen.

Auch Weimarer sind schon weit

Anruf bei Friedemar Söffing. Er hat mit anderen in Weimar einen Verein gegründet. Auch Landessprecher des Hanfverbands Thüringen ist er. Ähnlich wie die Erfurter, haben sie auch in Weimar eine Produktionshalle und einen Abgabeort in Aussicht.

Gleichzeitig, so macht Söffing deutlich, versuchten sie noch nicht, alles auf eine Karte zu setzen: "Es ist noch ein Balanceakt: Was ist im schlimmsten Fall, wenn das Parlament einen Rückzieher macht?"

Gruppen im ländlichen Raum halten sich bereit

Deshalb würden sie gut planen, sagt Söffing: "Wir sind so bereit wie möglich, aber so vorsichtig wie nötig." Noch vorsichtiger handelten Interessengruppen in kleineren Städten. In Weida, Saalfeld und anderen Regionen gebe es Vorbereitungen für CSC-Gründungen, so Söffing "Gerade die Leute im ländlichen Raum sind sehr vernetzt und werden in den nächsten Monaten auf den Plan treten." Im Hintergrund, so der Verbandssprecher, laufe sehr viel ab: "Da wird jetzt schon viel gerechnet und durchdacht."

Vertreter dieser Gruppen wollten tendenziell deshalb auch noch nicht mit dem MDR reden. Allein ein Vertreter einer Gruppe aus Nordhausen macht klar, worin für ihn und seine Mitstreiter die Probleme bislang liegen. Carsten E. vom CSC Nordhausen, der sich bisher lediglich auf der Plattform X präsentiert, beschreibt, dass sie noch keine konkreten Schritte wie in Weimar oder gar Erfurt gegangen seien.

Das Soziale gehört auch zur Cannabis-Kultur - dass zusammen konsumiert werden kann.

Carsten E. Gründer von CSC Nordhausen

Es kämen zwar genug Anfragen aus der Stadt, aber: "Nach diesem Gesetzentwurf würden wir noch nicht an Start gehen wollen." Erst einmal solle sich zeigen, was am Ende wirklich drin steht im Gesetz. Neben den Abstandsregeln zu Kindergärten oder Schulen ist für Carsten und seine Mitstreiter einer der Hauptkritikpunkte momentan, dass nicht in den Vereinsräumen gekifft werden dürfte.

Das sei nicht "praktikabel", denn "das Soziale gehört auch zur Cannabis-Kultur, dass zusammen konsumiert werden kann." Ansonsten könnten sie auch alle ein paar eigene Pflanzen ziehen, wie es der Entwurf auch vorsieht, und sich den Vereinsaufwand sparen, sagt der Nordhäuser.

Mit solchen Regeln sehe ich nicht, wie es funktionieren soll.

Georg Wurth Gründer und Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes

Ähnlich sieht es auch Georg Wurth, Gründer und Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes: "Wo soll denn die Motivation bei den Ehrenamtlern herkommen, wenn es nicht auch um den gemeinsamen Spaß geht?" Momentan rät er deshalb Interessierten ab, jetzt einen Verein zu gründen - sondern erst einmal zu warten. "Mit solchen Regeln sehe ich nicht, wie es funktionieren soll, Cannabis Social Clubs zu betreiben."

Großer Aufwand für die Ehrenamtlichen

Klar ist: Die Gründung eines Cannabis Social Clubs und die Einrichtung und Umsetzung einer gesetzeskonformen Produktion und Verteilung ist für die momentan noch Ehrenamtlichen eine große Herausforderung. Nach einem Brettspielabend sei ihnen die Idee zur Gründung des Vereins gekommen, jetzt, so sagt es der Erfurter Hermann Klatt, "hat man jede Woche sieben, acht Termine nur für die Geschichte und ist voll dabei den Verein zu organisieren."

Zusammen mit Dennis Gottschalk hat er bereits 20.000 Euro in das Vorhaben gesteckt - privates Geld erst einmal. Am Ende rechnen sie mit 250.000 Euro an Investitionen. Schritt für Schritt wollen sie die Produktion hochfahren, sagt Klatt: "Wir starten mit einem modularen Aufbau." So können in der Halle einzelne, 20 Quadratmeter große Kabinen untergebracht werden, die mit einer aufwendigen CO2-Begasung und allen technischen Raffinessen ausgestattet ist, um eine hohe Qualität zu bekommen.

Zusammenarbeit mit Erfurter Start-Up

Momentan, so schildert es auch Friedemar Söffing aus Weimar, gebe es eine große Aufbruchsstimmung in der Szene, was Produktionstechnik, aber auch die Programmierung von Vereinswebseiten angeht. Es sei Wahnsinn, "was da grad an Abzocke los ist". Immer wieder meldeten sich vermeintliche Experten, die den Vereinen Software-Lösungen oder ähnliches anbieten wollten - oft aber gar nicht wüssten, welche Parameter wie extremer Datenschutz diesen aber wichtig sind.

Eine Ausnahme ist das Erfurter Start-Up Violed Sun. Die Ingenieure haben intensiv an Lampen getüftelt, die dank eines bestimmten Lichtspektrums zu einem hervorragenden Pflanzenwachstum beitragen sollen. "Die haben es wirklich geschafft, mitten in Thüringen ein ordentliches Hightech-Produkt rauszukriegen, wo ich so nicht mitgerechnet hatte", sagt CSC-Gründer Klatt.

Für beide, den Verein und das Start-Up, eine Win-Win-Situation. Der Verein bekommt die Lampen günstiger und kann direkt mit vier Kabinen die Produktion starten; und die Ingenieure könnten ab Januar unter besten Produktionsbedingungen ihre Lampen optimieren und Daten sammeln.

Hinzu kommt auch noch, beschreibt Hermann Klatt, dass sie in Erfurt mit einem Doktoranden der Uni Halle zusammenarbeiten werden: "Die Zeiten, in denen man Cannabis irgendwo unter den Dachboden angebaut hat, sind dann ja vorbei. Und das bedeutet es wird vor allem darum gehen, wie schmeckt das?" Bei der Erforschung der Frage, welche Stoffe und Aromen können bei der Produktion wie gefördert werden, soll eben auch die wissenschaftliche Untersuchung helfen.

Nicht in der "Schmuddelecke" verstecken

Das große Geld erhoffen sich die Vereinsgründer dabei nicht. Darum geht es nicht, und soll es laut aktuellem Gesetzesentwurf auch nicht gehen. "Unser Ziel ist", so beschreibt es Klatt, "mit dem Verein in zwei Jahren ein ordentliches respektiertes Mitglied der Stadtgemeinschaft zu sein. Wir wollen uns mit dem Verein nicht in einer Ecke der Stadt verstecken, in der Schmuddelecke."

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 29. August 2023 | 19:00 Uhr

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