Thüringen-Monitor Studie: Nur noch jeder zweite Thüringer zufrieden mit Demokratie
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23. Mai 2023, 11:32 Uhr
Während 2020 und 2021 die Thüringer mit der Demokratie überdurchschnittlich zufrieden waren, gingen die Werte im Vorjahr stark zurück. Der Thüringen-Monitor zeigt weitere politischen Einstellungen der Thüringer.
Die Hälfte der Menschen in Thüringen ist unzufrieden mit der Demokratie. Das belegen Daten der repräsentativen Langzeitstudie "Thüringen-Monitor 2022", die am Freitag veröffentlicht wurden. Sie wurde im vergangenen Herbst, in der Hoch-Zeit der Energiepreis-Krise, erhoben, als Energiekrise, Energiepreisschock, Klimakrise sowie die höchste Inflation seit mehr als 70 Jahren die öffentliche Diskussion geprägt hatten.
Unzufrieden mit Landespolitik, aber vor allem mit Bundespolitik
Die Zahl der Thüringer, die zufrieden mit der aktuellen Praxis der Demokratie waren, fiel im Vorjahr stark um 17 Prozentpunkte auf nur noch 48 Prozent. Vor allem auf dem Land sanken dabei die Zustimmungsraten deutlich. Während dabei in den großen Thüringer Städten fast zwei Drittel (64 Prozent) weiter mit der aktuellen Form der Demokratie zufrieden waren, sind es in ländlichen Regionen nur noch 41 Prozent gewesen. Und das, obwohl weiterhin mehr als vier von fünf Thüringer die Demokratie als politische Idee weiter unterstützten und diese dabei auch als beste aller Regierungsformen bezeichneten.
Doch die Skepsis der Thüringer gegenüber dem aktuellen Politikbetrieb zeigt sich auch darin, dass das Vertrauen in die Bundes- und Landesregierung im Vorjahr weiter deutlich abgenommen hat. Nur noch 40 Prozent der Befragten haben weiter Vertrauen in die Arbeit der Landespolitik. In die Bundespolitik sank das Vertrauen im vergangenen Herbst gleich um 15 Prozentpunkte auf 22 Prozent - dies war der niedrigste Vertrauenswert seit 16 Jahren.
Wie wurde die Studie durchgeführt?
- Beim Thüringen-Monitor haben Forscher der Uni Jena 1.885 wahlberechtigte Thüringer und Thüringerinnen befragt.
- Die Studie wurde im Zeitraum vom 19. September bis 6. Dezember 2022 durchgeführt.
- Sie basiert auf einer repräsentativen telefonischen Befragung.
- die Befragung wird seit dem Jahr 2000 jährlich durchgeführt.
- Die Thüringer Staatskanzlei gibt die Befragung jährlich in Auftrag.
Thüringer fühlen sich als Ostdeutsche immer mehr "abgehängt"
Das Gefühl, von der Bundes- und Landespolitik "abgehängt" zu sein, blieb weit verbreitet. Grund war laut Studie dabei weniger die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung, sondern vor allem der Eindruck, als Ostdeutscher benachteiligt zu sein, sowie die Angst, "auf die Verliererseite des Lebens zu geraten". Vor allem in den ländlichen Regionen war demnach ein deutlicher Vertrauensverlust zu verzeichnen.
Positiv heben die Autoren jedoch hervor, dass trotz dieses Trends sich nicht mehr Thüringer für andere Gesellschaftsformen - wie Diktatur und Nationalsozialismus - aussprachen. Im Gegenteil, sie wurden von so wenigen Thüringern wie noch nie zuvor unterstützt. Rechtsextreme Einstellungen blieben in Thüringen laut Thüringen-Monitor nicht weit verbreitet. Und wenn doch, seien rechtsextreme, rechtspopulistische und antisemitische Einstellungen in ländlichen Gebieten viel häufiger als in den Städten verbreitet.
Politikverdrossenheit nimmt stark zu
Einen Widerspruch beschreibt die Studie dabei: Obwohl die übergroße Mehrheit der Thüringer nicht rechtspopulistisch eingestellt ist, bezeichnen sich fast 60 Prozent der Thüringer als populistisch - das war deutlich mehr als im Jahr 2021. Das bedeutet, im Gegensatz zu rechtspopulistischen Forderungen nach einer Stärkung der deutschen Interessen, dass staatliche Einrichtungen abgelehnt wurden und sich gegen eine "Elite" ausgesprochen wurde.
So stimmten fast zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) der Aussage zu, dass die "Herrschenden und Mächtigen gegen die Interessen der einfachen Bevölkerung" handeln. 81 Prozent glaubten, dass sich die Politiker immer dann einig sind, "wenn es darum geht, ihre Privilegien zu schützen".
Mehrheit für "Widerstand gegen aktuelle Politik"
Trotz der in Thüringen allgemein wenig verankerten rechtspopulistischen Positionen stimmte laut Thüringen-Monitor die Mehrheit der befragten Thüringer dieser Aussage zu: "Es ist Zeit, Widerstand gegen die aktuelle Politik zu leisten." Die Zustimmung zu dieser Aussage hatte sich im Vergleich zu 2021 sehr stark erhöht (von 37 auf 61 Prozent). Im vergangenen Herbst fanden regelmäßige Demonstrationen in Thüringen mit teils Tausenden Teilnehmern statt, wobei es jedoch nicht zum von Experten oder Politikern befürchteten "Wut-Herbst" kam.
Nichtsdestotrotz meinten 18 Prozent der befragten Thüringer, "die herrschenden Eliten verfolgen das Ziel, das deutsche Volk durch Einwanderer auszutauschen". Und 41 Prozent dachten, dass "Ausländer nur kommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen". Dennoch betonen die Autoren, es könne auf Basis der Untersuchung kein "eigenständiges neurechtes Einstellungsmuster identifiziert werden".
Innenminister: Demokratie-Unzufriedenheit beunruhigt Rot-Rot-Grün
Die zunehmende Demokratie-Unzufriedenheit der Thüringer beunruhigt laut Innenminister Georg Maier (SPD) die rot-rot-grüne Landesregierung. Es müsse schnell reagiert werden, sagte Maier nach einer Kabinettsitzung in Erfurt. Alle Politiker seien aufgefordert, die Demokratie zu stärken. Das Vertrauen müsse zurückgewonnen werden. Maier kritisierte, auch die Landesregierung handle schwerfällig. Nächste Woche will sich Ministerpräsident Bodo Ramelow im Landtag zu den Ergebnissen des Thüringen Monitors äußern.
MDR (rom/LK)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 19. Mai 2023 | 17:00 Uhr
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